Nach der Nordderby-Pleite wird der niederländische Vize-Weltmeister am Mittwoch vorgestellt. Nur über Andreas Möller gibt es noch Diskussionen.

Hamburg. Es dürfte Oliver Kreuzer kaum überrascht haben, dass der Tag nach einem verlorenen Nordderby in Hamburg etwas hektischer werden könnte. Doch mit ganz so viel Trubel hatte der HSV-Sportchef, der am frühen Sonntagmorgen am Flughafen Fuhlsbüttel auf seine Maschine wartete, am Tag nach der 0:2-Niederlage gegen Bremen wohl doch nicht gerechnet. „Nein, es ist noch nichts unterschrieben“, dementierte Kreuzer beinahe im Minutentakt die Meldung, dass die Verpflichtung Bert van Marwijks als neuer HSV-Trainer bereits perfekt sei. Und noch bevor der Hamburger in den Flieger LX1051 nach Zürich stieg, von wo aus er mit dem Mietwagen zur Wohnungsauflösung nach Karlsruhe fuhr, betonte er, dass auch im Laufe des Tages mit keiner Vollzugsmeldung zu rechnen sei.

Nicht mal eine Stunde später, als Kreuzer knapp vor der deutsch-schweizerischen Grenze über den Wolken gewesen sein dürfte, hörte sich das schon anders an. „Hamburg wird für mich eine Herausforderung. Ich kenne den Verein. Der HSV ist ein schöner, ein großer Verein“, philosophierte der Noch-nicht-perfekt-Trainer van Marwijk im Telefoninterview mit Sky. Eigentlich gebe es keine Probleme mehr, sagte der Niederländer, der bereits am Vorabend in einem weiteren Telefoninterview mit dem niederländischen Fernsehen über sein bevorstehendes Engagement geschwärmt hatte: „Der HSV hat ein prächtiges Team mit einer großen Tradition und einem schönen Stadion.“

Der HSV-Vorstand soll sich gegen Möller als Assistent ausgesprochen haben

Spricht so also ein Trainer, mit dem man sich nicht längst geeinigt hat? Natürlich nicht. Doch zu Kreuzers Verteidigung muss festgehalten werden, dass der HSV-Sportchef, der am Mittwoch erstmals Kontakt zu van Marwijk und dessen Berater Rob Jansen aufgenommen hatte, zumindest in der Theorie recht hat: Der am späten Sonnabend von den Anwälten ausverhandelte Zweijahresvertrag mit einem weiteren Jahr auf Option ist tatsächlich noch nicht unterschrieben, was allerdings spätestens am Mittwoch nach dem Pokalspiel gegen Greuther Fürth und der noch fälligen Zustimmung des Aufsichtsrats nachgeholt werden soll.

Nach Abendblatt-Informationen soll der Ex-Bondscoach rund 1,4 Millionen Euro – also 200.000 Euro mehr als Vorgänger Thorsten Fink – verdienen und als Co-Trainer Landsmann Roel Coumans sowie als Spielbeobachter 1990-Weltmeister Andreas Möller mitbringen wollen. Besonders auf das Engagement des früheren Nationalspielers Möller, der zu van Marwijks Zeit als BVB-Trainer 2006 hospitiert hatte, soll der 61-Jährige Wert gelegt haben. Die Vorstände Carl Jarchow und Oliver Kreuzer, die unmittelbar vor dem Nordderby den Aufsichtsrat über die Verhandlungen informiert hatten, haben sich allerdings gegen van Marwijks Wunsch-Assistenten ausgesprochen.

„Das Wichtigste ist doch, dass es im Team und im Verein nun erst mal Ruhe gibt“, sagte van Marwijk fast schon ein wenig flehend, nachdem er sich – ganz unabhängig von der Personalie Möller – von der Herkulesaufgabe HSV vor dem heimischen Fernseher am Sonnabend überzeugt hatte. „Ich bin kein Zauberer“, sagte der Fußballlehrer, als er gefragt wurde, wie er den auch gegen Bremen desaströs auftretenden HSV aufrichten wolle: „Man sieht, dass die Mannschaft verunsichert ist.“

Wie recht der designierte HSV-Trainer hat, konnte am Vortag auch jeder der 53.290 Zuschauer im Stadion sehen. Erneut enttäuschte die von Interimstrainer Rodolfo Cardoso trainierte Mannschaft auf ganzer Linie, das Team konnte sich kaum eine Torchance herausspielen und verlor nach zwei Treffern von Nils Petersen (34. und 90.+4) verdient mit 0:2. „Das war beängstigend“, sagte Heiko Westermann, der sich nach dem erneuten Debakel auch nicht scheute, deutliche Worte zu gebrauchen: „Jetzt geht es nur noch gegen den Abstieg. Es geht um die Existenz.“

Tatsächlich belegt der HSV nach der vierten Saisonniederlage vor dem siebten Spieltag nur Relegationsplatz 16, was auch bei Kreuzer die Alarmglocken hat schrillen lassen. „Das war von einigen viel zu wenig. Unser Offensivspiel fand wenig bis gar nicht statt“, sagte der Sportchef, der sich jedoch scheute, den völlig missratenen Auftritt van der Vaarts direkt zu kritisieren: „Rafael bemüht sich, aber auch für ihn ist es derzeit schwer, Impulse zu geben.“

So dürfte van Marwijks dringlichste Aufgabe sein, Rafael van der Vaart möglichst schnell wieder in Form zu bringen. Allerdings war der frühere Bondscoach schon zu seiner Zeit bei der niederländischen Nationalmannschaft nur bedingt von den Qualitäten des HSV-Kapitäns überzeugt. Insgesamt 25 Länderspiele machte van der Vaart zwischen 2008 und 2012 unter van Marwijk, wurde dabei aber meist nur ein- oder ausgewechselt und konnte sich nie wirklich gegen Konkurrent Wesley Sneijder durchsetzen. Und auch jetzt bemühte sich van Marwijk nicht darum, vor seinem nahenden Engagement in Hamburg den Kontakt mit seinem Landsmann zu suchen: „Wir haben nicht telefoniert oder gesprochen.“

Dies dürfte der designierte HSV-Coach aber schon in den kommenden Tagen nachholen. Bereits an diesem Montag sollen letzte Vertragsdetails besprochen, dem Aufsichtsrat eine Beschlussvorlage präsentiert und auch die Möglichkeit, dass van Marwijk bereits beim Pokalspiel gegen Fürth im Stadion zumindest auf der Tribüne sitzt, erörtert werden. Alternativkandidat Christian Gross, mit dem Kreuzer bis zum Nordderby keinen direkten Kontakt hatte, dürfte nur dann noch mal zum Thema werden, wenn van Marwijk überraschenderweise doch auf Möller als persönlichen Assistenten bestehen sollte. Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass nach Kreuzer, der im Laufe des Tages mit dem Möbelwagen aus Karlsruhe nach Hamburg zurückkommen wird, in den kommenden Tagen auch van Marwijk seinen Umzug aus Meerssen planen kann.