Tremsbüttel. Lazarett, Luxushotel, Klinik: Mit bewegter Vergangenheit blickt das Schloss nach Insolvenz in eine unsichere Zukunft. Ein Rückblick.
- Schloss Tremsbüttel hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
- Zuletzt befand sich dort eine Privatklinik.
- Ende März wurde der Betrieb in dem Prachtbau eingestellt.
Manchmal erkennt man erst auf den zweiten Blick, dass man etwas Besonderes vor sich hat. Manchmal muss man genauer hinsehen und auf die inneren Werte achten. Das Schloss Tremsbüttel ist nicht so ein Fall. Wer an dem Prachtbau im Stil der Neorenaissance an der Schlossstraße vorbeiläuft, der sieht sofort: Dieser Bau sticht hervor – und er hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
Seit die Libermenta Klinik, eine Privatklinik für psychisch Erkrankte, Ende März ihren Betrieb eingestellt hat, scheint die Zukunft des Schlosses wieder völlig offen. Die Privatklinik Schloss Tremsbüttel GmbH ist insolvent. Mittlerweile hat auch die Eigentümerin des Schlosses, die Wohninvest Holding GmbH, Insolvenz angemeldet. Zeit, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen – und auf die vielen besonderen Geschichten, die das Schloss zu erzählen hat.
Schloss Tremsbüttel: Die bewegte Geschichte beginnt im 18. Jahrhundert
Die Geschichte des Schlosses beginnt im 18. Jahrhundert, als Tremsbüttel noch herzoglicher Amtssitz ist. Von 1777 bis 1800 wird er von Christian Graf zu Stolberg-Stolberg verwaltet. Um 1780 lässt der ein klassizistisches Herrenhaus errichten, der Vorgänger des heutigen Schlosses, und einen Landschaftsgarten anlegen. Prominente Gäste wie die Dichter Matthias Claudius und Friedrich Gottlieb Klopstock und der Gelehrte Wilhelm von Humboldt gehen dort ein und aus.
Im 19. Jahrhundert wechseln die Besitzer mehrfach. 1883 geht der Bau in den Besitz der großbürgerlichen Familie Hasenclever aus Remscheid über. Sie lässt das heutige Herrenhaus errichten, das 1885 fertiggestellt wird. Der Entwurf kommt vom Berliner Architekten Hans Grisebach und dessen Partner August Georg Dinklage.
Während des Ersten Weltkrieges war das Herrenhaus ein Hilfslazarett
Im Ersten Weltkrieg stellt die mittlerweile zur Witwe gewordene Olga Hasenclever das Herrenhaus als Hilfslazarett zur Verfügung. Geldprobleme zwingen sie dazu, 1929 eine Pension für alleinstehende Damen einzurichten. 1939 muss sie das Schloss aus wirtschaftlichen Gründen im renovierungsbedürftigen Zustand an den Kaufmann Jonny Oellerich verkaufen.
Als Hamburg im Zweiten Weltkrieg im Juli und August 1943 bombardiert wird, werden Menschen, die aus Hamburg geflüchtet sind, im Herrenhaus untergebracht. 1945 wird es Hauptquartier des britischen Oberkommandos. Nach Kriegsende, im Sommer 1946, ist es für drei Jahre ein Erholungsheim des Evangelischen Hilfswerks.
1949 wurde im Schloss ein Luxushotel mit 21 Zimmern eröffnet
Nach mehreren Umbaumaßnahmen eröffnet die Familie Oellerich am 23. September 1949 im Schloss Tremsbüttel ein Luxushotel mit 21 Zimmern. 1950 wird eine Terrasse zum Schlosspark angelegt. 1959 wechselt der Besitzer erneut. Der Hamburger Fabrikant Siegfried Zimmermann kauft das Hotel und baut es weiter aus.
Weltbekannte Stars übernachteten im Tremsbütteler Schloss, darunter die Beatles und die Rolling Stones, Schauspielerin Sophia Loren und Dirigent Leonard Bernstein. Schauspieler Klaus Kinski hinterlässt im Gästebuch die Notiz: „Das einzige Hotel, in dem man in Deutschland wohnen kann.“ Diese Worte von dem für seine Ausraster und exzentrische Art bekannten Kinski kommen wohl einem Ritterschlag gleich. Auch Dreharbeiten, Preisverleihungen und vertrauliche Gespräche zwischen den Landesregierungen Hamburgs und Schleswig-Holsteins finden im Haus statt.
Im Jahr 1996 übernahm die Familie Strathmann das Schloss
1986 wird das Hotel geschlossen, 1989 ersteigert der Norderstedter Kaufmann und Bauspekulant Walter Schleicher das Schloss. Er wird später wegen Steuerhinterziehung verurteilt. 1993 beschlagnahmt die öffentliche Hand das Grundstück samt Herrenhaus, Hofanlage und Park. Es folgt ein rund zweijähriger Leerstand. Dann die Erlösung: Zum 1. Juni 1996 übernimmt die Familie des Hamburger Pharma-Unternehmers Detlef Strathmann das Schloss. Es wird für mehrere Millionen Mark restauriert und als Schulungszentrum für seine Firma mit Hotel und Restaurant eröffnet. Ab 2001 führt seine Witwe Silke Strathmann das Hotel weiter.
Das außergewöhnliche Hotel erfreut sich bis zuletzt großer Beliebtheit. Auch ein Café gehört zu der Anlage. Das Haus hat mittlerweile über 50 Hotelzimmer, darunter eine Präsidenten- und eine Fürstensuite sowie acht Doppelzimmer. In zwei Nebengebäuden, der sogenannten Akademie und dem Konsulat, befinden sich weitere Einzel- und Doppelzimmer sowie Suiten.
Das beliebte Hotel schloss infolge der Corona-Pandemie
Spezialisiert ist das Haus auf Firmen- und Privatveranstaltungen wie etwa Hochzeiten, es gibt sogar ein eigenes Trauzimmer im Schloss. Entsprechend wird gerade das Kerngeschäft durch die Corona-Pandemie extrem getroffen. Durch das Veranstaltungsverbot ist alles, was das Haus zuvor am Leben gehalten hat, nicht mehr möglich. Dann im Sommer 2020 die Hiobsbotschaft: Das Hotel macht dicht.
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Die Wohninvest Holding GmbH kauft das Schloss der Familie Strathmann für einen zweistelligen Millionenbetrag ab. Sie verpachtet das Gebäude an die Bühler Health Care AG für den Betrieb einer psychiatrischen Klinik. Dafür wird das Schloss abermals aufwendig umgebaut. Die Klinik verfügt über 84 Betten für eine stationäre und 20 Plätze für eine tagesklinische Behandlung. Lieferschwierigkeiten und Bauverzögerungen sorgen zwischenzeitlich für Verzögerungen, der eigentlich anvisierte Start im Sommer 2022 kann nicht eingehalten werden.
Im April 2023 nimmt die Klinik ihren Betrieb auf. Der Betrieb konzentriert sich auf Hauptschloss, Elb- und Friesenhaus und die Außenanlagen. Weitere Gebäude mit Patienten- und Therapiezimmern, darunter auch ein eingeschossiger Neubau, sollen bis Herbst 2023 fertiggestellt werden. Doch daraus wird nichts. Am 30. Januar 2024, weniger als ein Jahr nach der Eröffnung, wird für die Privatklinik Schloss Tremsbüttel GmbH ein Insolvenzantrag gestellt. Die Patienten werden entlassen oder in andere Kliniken vermittelt, allen 80 Mitarbeitern wird gekündigt. Wie es mit dem besonderen Schloss weitergeht, scheint aktuell noch in den Sternen zu stehen. So oder so: Vorbei ist die bewegte Geschichte von Schloss Tremsbüttel gewiss noch nicht.