Reinbek. Der parteilose Ur-Reinbeker tritt am 14. Mai nicht mehr zur Kommunalwahl an. Warum er einen Schlussstrich zieht.

Woran das Herz von Klaus-Peter Puls hängt, ist an Details erkennbar: ein Reinbek-Wappen auf dem Glas, ein Reinbek-Buchtitel direkt hinter den Familienfotos, auf dem Stuhl stapeln sich Ausgaben der Bergedorfer Zeitung und lokale Anzeigenblätter noch über der Frankfurter Rundschau. Doch der 80 Jahre alte Ur-Reinbeker und Vollblut-Politiker tritt zur nächsten Kommunalwahl am 14. Mai nicht mehr. Die Entscheidung ist ihm schwer gefallen: „Ich habe lange überlegt“, sagt der Notar und Rechtsanwalt im Ruhestand. „Vielleicht hätte ich meinen Wahlkreis Prahlsdorf noch einmal gewonnen. Aber nach 50 Jahren aktiver Lokalpolitik kann ich eigentlich auch mal aufhören.“

Mehr Zeit für die Familie, seine Frau (Sa)Bine und die beiden Westies Caya und Cookie, mal wieder ein freches Lied – womöglich op Platt – texten, endlich die neuen Bücher lesen oder mal wieder seine alten Platten von Hannes Warder, Gitte oder Vicky Leandros hören – darum geht es dem geborenen Prahlsdorfer jetzt. Er kann auch auf eine ganze Reihe politischer Erfolge zurückblicken: Denn hätte er damals als SPD-Landtagsabgeordneter (1992-2009) nicht dem Bahnchef Mehdorn geschrieben, würde Reinbek womöglich immer noch auf seinen neuen S-Bahnhof warten, der Sport würde wohl nicht als schützens- und fördernswerter Bestandteil der Kultur in Schleswig-Holsteins Landesverfassung stehen und auch für die Förderung der niederdeutschen Sprache hat er sich immer wieder eingesetzt.

Nach 50 Jahren: Abschied aus der aktiven Politik in Reinbek

Seit 1969 war Klaus-Peter Puls Mitglied der SPD. Seit 1974 hatte er unterschiedliche politische Ämter, saß in der Stadtverordnetenversammlung, war 17 Jahre Mitglied im Kieler Landtag, war stellvertretender Bürgermeister von Reinbek und stellvertretender Bürgervorsteher der Stadtverordnetenversammlung. Seit 1982 hatte er seinen Wahlkreis Prahlsdorf immer direkt gewonnen.

Klaus-Peter Puls (
Klaus-Peter Puls ("KPP") in seinem Garten an der Wildkoppel. Er will mit 80 Jahren mehr Zeit für Familie, Musik und Bücher haben. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

In Reinbek liegen dem 80-Jährigen besonders die Themen Feuerwehr, Sport und Bebauungsplanung am Herzen. Er hat sich für einen Bebauungsplan nicht nur in Prahlsdorf stark gemacht, um baulichen Wildwuchs zu verhindern, ebenso für den Erhalt des Verbindungsweges über das Allergopharma-Gelände, und für den Kunstrasenplatz des TSV wie für die neuen Sportstätten des FC Voran Ohe. „Dort muss es jetzt endlich mal vorangehen“, stellt er fest.

Über den Streit um die Feuerwehr politische Heimat verloren

Über dem Streit um den Standort der neuen Feuerwehrwache vor mehr als zehn Jahren ist er „seiner SPD“ abhandengekommen. Als Ortsvereinsvorsitzender hatte er 2011 angekündigt, dass seine Fraktion geschlossen für den Standort Mühlenredder stimmen werde – so wie von den SPD-Mitgliedern, den Fachleuten und den ehrenamtlichen Feuerwehrleuten gefordert. „Aber natürlich kann jeder Stadtverordnete nach seinem Gewissen abstimmen“, stellt Puls klar. „Das war mein Fehler. Und ich musste die Verantwortung dafür übernehmen, dass es dann nicht so gekommen ist.“

Die Entscheidung gegen den Mühlenredder viel denkbar knapp aus und die SPD hatte nicht geschlossen für den Mühlenredder gestimmt. Deshalb trat Puls im Januar 2012 aus der Fraktion aus, legte sein Mandat und den Ortsvorsitz nieder. „Schweren Herzens“, wie er einräumt. „Aber ich wollte auch die Verantwortung übernehmen. Denn damals war so viel von Politik- und Parteiverdrossenheit die Rede.“ So verliert er zwar „seine“ SPD-Fraktion, nicht jedoch seinen politischen Kompass.

Akribische Vorbereitung ist Ehrensache

„2013 habe ich deshalb auf meine SPD-Kandidatur verzichtet“, sagt er. „Sonst hätte ich mich doch unglaubwürdig gemacht. Das hätte ich der Öffentlichkeit gegenüber nicht vertreten können.“ Klaus-Peter Puls und seine Frau Sabine machen Ernst: Sie treten aus der SPD aus und er tritt in seinem Stamm-Wahlkreis als Parteiloser gegen fünf Parteien an. Mit Erfolg: Die Prahlsdorferinnen und Prahlsdorfer halten ihm die Treue.

Neben der Stadtverordnetenversammlung darf er sich als Einzelkämpfer einen weiteren Fachausschuss aussuchen. Er wählt den Hauptausschuss. „In allen anderen Ausschüssen habe ich Teilnahme, Rede- und Antragsrecht. Es ist natürlich ein bisschen mehr Arbeit, weil ich mich auf alle Themen allein vorbereiten muss.“ Und diese gründliche Vorbereitung ist ihm wichtig. „Bei den Vorhaben muss ich aufpassen, dass sie sich auch im Haushalt ordentlich wiederfinden“, erläutert er. Der aktuelle Haushalt umfasst 636 Seiten. Sonst aber könnte so manches Thema ins Stocken geraten und nicht realisiert werden.

Er fühlt sich wie ein „digitaler Neandertaler“

Nicht nur einmal meldet er sich in Sitzungen zu Wort und mahnt: „Das brauchen wir nicht zu beschließen, das haben wir schon beschlossen“ und zieht auch gleich die passende Vorlage aus dem Ordner. Dank seiner „Tütenwirtschaft“ findet er alles wieder. Er sammelt nach Themen geordnet alles Wichtige an Vorlagen, Beschlüssen und Zeitungsartikeln in Papierform in Umschlägen.

Auch ein Grund, warum er sich aus der aktiven Politik zurückziehen möchte: „Ich bin ein digitaler Neandertaler“, stellt er fest. Wohl nutzt er die Textrecherche des Bürgerinformationssystems auf seinem PC im Arbeitszimmer zu Hause. Aber die papierlose Sitzung dank Tablet oder gar Handy ist seine Sache nicht. Dabei ist er selbst im Arbeitskreis für die papierlosen Sitzungen dabei, hat selbst vorgeschlagen, dass die aktuelle Situation umgekehrt werden muss: Die Unterlagen sollten grundsätzlich digital und nur auf Wunsch in Papierform versendet werden. Das sei die Zukunft.

Reinbeks Politik will „KPP“ weiter verfolgen

Aus der Welt sei er aber nicht, betont Klaus-Peter Puls: „Bürgerinnen und Bürger können sich weiter von mir beraten lassen, wenn ihnen in Reinbek etwas missfällt.“ Dass er am Abend des 14. Mai mit Bine und den beiden Westies auf dem Sofa sitzt, kann er sich auch nicht recht vorstellen. „Ich schaue bestimmt mal im Rathaus vorbei“, sagt er.