Reinbek. Sportverein drohte mit Klage –jetzt geben Politiker Geld für neue Anlage frei. Die Weichen dafür wurden im kleinen Kreis gestellt.

Es war ein langer Tag für Norbert Schlachtberger, doch das Durchhalten hat sich gelohnt. Am Morgen danach ist von seiner Anspannung nichts mehr zu spüren. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt der Vorsitzende der TSV Reinbek. Wenige Stunden zuvor hatte er auf der Stadtverordnetenversammlung mit deutlichen Worten um einen Kunstrasenplatz für seinen Verein gekämpft. Dafür wollten die Entscheidungsträger eigentlich kein Geld in 2018 zur Verfügung stellen. Doch dann kam es anders, nachdem der Verein einen Anwalt eingeschaltet hatte. Die Weichen dafür wurden im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen gestellt – das Protokoll eines Abends, der vor allem die Fußball-Sparte aufatmen lässt.

Donnerstag, 18.30 Uhr, noch eine Stunde bis zur Sitzung. Im Zimmer neben dem Büro des Bürgermeisters trifft sich wie immer der Ältestenrat. Mit dabei sind die Fraktionsvorsitzenden, der fraktionslose Stadtverordnete Klaus-Peter Puls, Bürgervorsteher Ernst Dieter Lohmann (CDU), dessen Stellvertreter Baldur Schneider (SPD) und Verwaltungschef Björn Warmer. Sie besprechen die Tagesordnung und reden auch über das Thema Kunstrasen, das nicht auf der Tagesordnung steht und eine lange Vorgeschichte hat.

Bei Regen ist der Sportplatz oft gesperrt

Seit acht Jahren herrscht Gewissheit, dass der Grandplatz der TSV am Mühlenredder kaputt ist. Bei Regen ist er oft gesperrt, Training und Punktspiele fallen aus. Der Verein hält aber die Füße still, obwohl die Stadt seit 2011 vertraglich verpflichtet ist, ihm funktionsfähige Sportstätten zur Verfügung zu stellen. Dann entscheidet die Politik, auf dem Areal eine Feuerwache zu bauen, und will als Ausgleich einen Kunstrasen schaffen. Das soll vorher geschehen. Am Wachenstandort kommen wieder Zweifel auf, die Sache verzögert sich. Erst im September steht fest, dass das Gerätehaus dort verwirklicht wird.

Trotzdem stellt der Jugend-, Sport- und Kulturausschuss mit der Mehrheit der Stimmen von CDU und SPD vor wenigen Tagen kein Geld für den Kunstrasen in den Haushalt 2018 ein. Daraufhin platzt dem TSV-Vorstand der Kragen, ein Jurist soll eine Klage prüfen. Die Situation ist also heikel, der Ältestenrat will sie nicht eskalieren lassen. Es herrscht Einigkeit, der TSV zu helfen. Nur hat das Gremium keine Entscheidungsbefugnis. Um 19 Uhr ziehen sich die Fraktionen zurück. CDU, SPD und Grüne haben eigene Zimmer im Rathaus, FDP und die Wählergemeinschaft Forum 21 nutzen den Flur. Das Ergebnis der Beratungen: Der Sportverein wird nicht im Stich gelassen.

Politiker schieben auch Projekt für den FC Voran Ohe an

Davon weiß Schlachtberger nichts, als er um 19.35 Uhr in der kommunalpolitischen Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung das Wort ergreift. Es fallen Sätze wie „Wir sind entsetzt“ und „Sie sollten in sich gehen und schauen, was Sie mit dem Verhalten anrichten“. Besucher applaudieren.

Der Vorsitzende hat Unterstützer dabei, unter anderem E-Jugend-Fußballtrainer Thorsten Wriedt, der Teile seines Teams mitgebracht hat. Die Jungen sind mit rot-weißen TSV-Reinbek-Schals ausgestattet. Sie bleiben ruhig, während ihr Coach am Mikrofon auf Angriff umstellt und die Politiker auffordert: „Kümmern Sie sich erst um den Kunstrasen, dann um die Feuerwehr. Es geht hier auch um diese Kinder.“ CDU-Fraktionschef Hans Helmut Enk beschwichtigt. Er redet von „Lösungen“. Man möge doch noch ein bisschen Geduld haben. Auch Politiker anderer Parteien bekunden ihr Wohlwollen.

Inzwischen ist es 20.10 Uhr, die Fragestunde neigt sich langsam dem Ende entgegen. Schlachtberger hat den Wink verstanden, wendet sich noch einmal an die Politiker und findet lobende Worte für sie. Seine Stimme ist sanfter. Mitstreiter Wriedt verlässt den Saal mit dem Hinweis, die Kinder müssten jetzt nach Hause.

Es vergehen rund zwei Stunden, bevor über den Kunstrasen abgestimmt wird. Um 22.06 Uhr stellt die Stadtverordnetenversammlung eine Million Euro für den Haushalt bereit mit einem Sperrvermerk. Der soll laut SPD-Fraktionschef Volker Müller aufgehoben werden, wenn klar ist, wie viel Fördermittel die Stadt erhält – sie rechnet mit bis zu 400.000 Euro – und ob sich die TSV finanziell beteiligt. Der Politiker sagt: „Wir müssen es schaffen, den Kunstrasen im kommenden Jahr zu bauen.“ Das sei Voraussetzung, um mit der Feuerwache zu beginnen.

Auch bei zwei anderen Projekten leistete der Ältestenrat Vorarbeitet: Für die neue Sportanlage des FC Voran Ohe stehen jetzt 60.000 Euro Planungskosten zur Verfügung, 121.000 Euro für einen Sichtschutz an der Holländerbrücke wurden mit einem Sperrvermerk versehen. Dadurch steigen die Kosten für den Bereich Anschaffungen und Baumaßnahmen im Haushalt, der beschlossen wurde, von ursprünglich angedachten 5,6 auf 6,8 Millionen Euro.