Hamburg. Hamburg-Anekdoten, Blumen vom Bürgermeister und Prominenz am Mikro: In der Elbphilharmonie läutete Vicky Leandros ihren Ruhestand ein.

„Ich möchte nicht an den Punkt kommen, wo ich Sie mit meiner Stimme nicht mehr berühre“, sagt Vicky Leandros. „Dafür waren die vergangenen Jahrzehnte zu schön und zu wertvoll.“ Ihr bodenlanges Kleid funkelt. Ihr Blick schweift wach und warm durch den ausverkauften Großen Saal. Ganz elegante Diva, wie sie dasteht. Seit 57 Jahren im Rampenlicht. 55 Millionen verkaufte Tonträger. Und doch ganz präsent, ganz nahbar.

Es ist ein besonders emotionaler Abend in der Elbphilharmonie. Immer wieder Standing Ovations. Immer wieder „Bravo“-Rufe. Immer wieder langer Applaus. Das Publikum verneigt sich von Herzen und voller Verve vor einer der ganz großen Sängerinnen des Landes.

Vicky Leandros startet Abschiedstournee in Hamburg

Mit drei kurz aufeinanderfolgenden Konzerten läutet die 70 Jahre junge Leandros in ihrer Hamburger Heimat ihren Abschied von der Bühne ein. Im kommenden Herbst und bis hinein ins Frühjahr 2024 wird sie noch einmal in Deutschland und Österreich auftreten. „Ob ich dann in ein tiefes Loch falle oder erleichtert bin, weiß ich erst nach der Tour.“ Jetzt wolle sie erst einmal feiern. Mit all ihren Lieblingsliedern. Und: Oh ja, ihre Stimme berührt nach wie vor. Von Anfang an.

Rauchig zart schwelgt ihr Gesang zu „Kaimos“. Eines von zahlreichen Liedern, über das sich Vicky Leandros mit ihren griechischen Wurzeln verbindet. Und in dem sie sehr selbstverständlich die Sprache wechselt. Mit der deutschen Fassung „Ich habe die Liebe geseh’n“ schlägt sie eine Brücke quer durch Europa. Eine musikalische Weltenwandlerin.

Vicky Leandros: Weit mehr als Liebesschmacht

Die fünfköpfige Band unter Leitung von Michael Hagel, ein Streichquartett sowie zwei Backgroundsängerinnen lassen ihren Auftritt strahlen. Großes Kino, fein arrangiert. Der stimmungsvolle Auftakt wird zudem mit zarter Wucht unterstützt vom Chor Hamburg Voices. Und dass La Leandros weit mehr als Liebesschmacht im Repertoire hat, zeigt sich direkt mit ihrer zweiten Nummer „Frieden (Irini)“, ihrer Botschaft in krisengeschüttelten Zeiten.

In diese kurzweiligen zweieinhalb Stunden streut die Sängerin immer wieder Anekdoten aus ihrem ereignisreichen Leben und ihrer langen Laufbahn. Wie sie mit fünf Jahren mit ihren Eltern nach Hamburg zog. Wie sie Bing Crosby, Peggy Lee, Frank Sinatra und Ella Fitzgerald auf dem heimischen Plattenspieler hörte. Und wie sie sich auf dem Schulweg in Wandsbek mit ihren Freundinnen gerne eine „Rumkugel ohne Rum“ holte.

Vicky Leandros lacht über eine Hamburg-Anekdote

Das innige Verhältnis mit der Nachbarschaftsbäckerei sei allerdings nach der Kritik zu ihrer ersten Single arg ins Wanken geraten: „Dieser pummelige Teenager ist eine Eintagsfliege“, hieß es damals, erzählt Vicky Leandros lachend. Und sie stimmt sogleich „Messer, Gabel, Schere, Licht“ an. Jener Hit, mit dem sich als 13-Jährige ihren Durchbruch feierte.

„Ich wurde erwachsen. Und so auch meine Lieder“, bilanziert sie nonchalant. Und mit dem Song „Ich bin wie ich bin“ pocht sie bis heute auf ihre Authentizität als Künstlerin und Mensch. Ob sie nun eigene Nummern singt oder die Kompositionen anderer interpretiert. Mit melancholischer Leichtigkeit intoniert sie etwa die deutsche Version von Michelle Legrants „Windmills Of Your Mind“. Ihre Stimme steigert sich dramatisch. Gänsehaut.

Der „pummelige Teenager“ war gestern: In der Elbphilharmonie gab Vicky Leandros auch Anekdoten aus ihre Hamburger Jugend zum Besten.
Der „pummelige Teenager“ war gestern: In der Elbphilharmonie gab Vicky Leandros auch Anekdoten aus ihre Hamburger Jugend zum Besten. © HA | Roland Magunia

Eine nostalgische Reise um den Globus

Ein weiterer Höhepunkt: Mit zartbitterer Bond-Song-Grandezza singt sie „Free Again“, einst bekannt geworden durch Barbra Streisand und Nancy Wilson. Euphorisch reißt es da das Publikum aus den Sitzen. Die Sängerin atmet gerührt durch.

Wie sie diese freiheitsliebende Nummer zu ihrer ganz eigenen macht, zeigt einmal mehr ihre unglaubliche Vielseitigkeit. Vicky Leandros ist eine Art internationales Songbook. Ohne jedoch in Beliebigkeit abzudriften. So wird ihr Hamburger Abschiedskonzert auch zu einer nostalgischen wie schwungvollen Reise um den Globus. Nach ihrem japanischen Hit „Machi Kutabireta Nichiyobi“ geht es mitten hinein ins Publikum zum gemeinsamen Singen von „Blau wie das Meer“. Unter anderem tritt da niemand Geringeres als Modedesigner und Moderator Guido Maria Kretschmer ans Saalmikro. Durchaus stimmstark und vor allem von seinen weiblichen Fans freudig umjubelt.

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Griechische Variante von Grönemeyers „Männer“

Mit Liedern aus ihrem in Nashville aufgenommenen Album „Across The Water“ bringt sie lässigen Twang in die Elbphilharmonie. Bei einer Tasse Kaffee plaudert sie wiederum darüber, dass ihr Überhit „Theo“ beim Athener Publikum nur Kopfschütteln verursacht habe. Da gibt sie doch lieber augenzwinkernd eine griechische Variante von Grönemeyers „Männer“ zum Besten. Und mit Stücken wie „Ich fange ohne dich neu an“ zollt sie auch dem Schlager ihren Tribut.

Ob Umweltschutz („Verlorenes Paradies“) oder gleichgeschlechtliche Liebe („Valentin“) – Vicky Leandros hat schon früh Themen angepackt, die ihr wichtig sind. Und dann ist da natürlich „Après toi“, mit dem sie 1972 den Grand Prix gewonnen hat. Mit jeder Faser ihres Körpers scheint sie die ausdrucksstarke Kraft dieses Chansons zu empfinden. Ihre Liebe zu Frankreich, ihre Jahre in Paris – all das schwingt in ihrem Gesang mit. Als großes Finale stimmt Vicky Leandros schließlich mit der Menge „Ich liebe das Leben“ an. Ihre Ode an die Freude.

Mit Chor-Unterstützung sang sich Vicky Leandros durch ihr unerschöpfliches Repertoire.
Mit Chor-Unterstützung sang sich Vicky Leandros durch ihr unerschöpfliches Repertoire. © HA | Roland Magunia

H.P. Baxxter und Spahn im Promi-Block

Zur Nachmittagsvorstellung hatte ihr Scooter-Frontmann H.P. Baxxter noch Blumen überreicht. Am Sonnabendabend sitzen unter anderem CDU-Politiker Jens Spahn und Mann im Promi-Block – und es ist Hamburgs Erster Bürgermeister, der anschließend etwas verlegen mit einem Strauß am Bühnenrand steht und den tosenden Applaus abwartet. „Was soll man noch sagen, nach so einem Konzert“, erklärt Peter Tschentscher.

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Er könne kaum glauben, dass das ein Abschiedskonzert sei. „So eine kreative Person und so ein großes Herz geht nicht in den Ruhestand.“ Und doch gibt es dann ein letztes Winken. Nach Leonard Cohens „Hallelujah“ als zweiter Zugabe. Ein höchst bewegendes Hamburger Tschüs.