Reinbek. Die Proteste und Hilferufe der Bahnanwohner verhallen seit zwei Jahren ohne Ergebnis: „Das ist ein Skandal“, beschwert sich Günther Helm. Seitdem der alte Bahnhof 2007 abgerissen wurde, klafft in der Lärmschutzwand direkt gegenüber seiner Wohnung eine etwa 200 Meter lange Lücke.

„Das Lärmschutzgesetz ist außer Kraft gesetzt: Ein Unding, dass die Bahn so lange gesetzeswidrig handelt“, klagt Helm. „Dabei muss doch jemand, der den Bahnhof geplant hat, offensichtlich geschlafen haben.“

Jetzt sei die Gelegenheit günstig, die Lücke zu schließen. Denn zurzeit ist es im Stadtzentrum verhältnismäßig ruhig. Dank der Großbaustelle an den Gleisen zwischen Wittenberge und Berlin rattern weniger Züge und ICE durch die Stadt, weil sie über Uelzen und Stendal umgeleitet werden. So müssen die Anwohner der Sophienstraße und der Innenstadt weniger unter dem Lärm des Schienenverkehrs leiden.

Das Problem seien jedoch weder die S-Bahnen, noch die ICE oder die Personenzüge, sondern die Güterzüge während der Nacht, erläutert Friedrich Wragge, ebenfalls Anwohner der Sophienstraße. „Besonders die lauten Containerzüge sind länger und schneller geworden, fahren in kürzerer Folge vorbei“, berichtet er. „Das sind drei Faktoren, die dazu beitragen, dass der Lärmpegel steigt.“

Doch nicht nur die direkten Anwohner leiden unter dem Krach. „Vor allem die Güterzüge sind sehr laut“, bestätigt Gisela Manzel, deren Wohnung im Nagelhochhaus an der Parkallee Richtung Bahnstrecke ausgerichtet ist. „Allerdings würde bei unserer Wohnung im zwölften Stock wohl nur ein Tunnel helfen, denn der Schall wird immer nach oben getragen.“

Der Maler Günter Helm hat jetzt sein Atelier in den Keller verlegt. Dort ist es leiser. Von Politik und Stadtverwaltung fühlt er sich allein gelassen.

Die hat sich inzwischen an das Eisenbahnbundesamt gewandt und fordert die Schließung der Mittelwand. „Mittlerweile hat das Eisenbahnbundesamt über die DB-Netz-AG die DB-Projektbau mit der Prüfung beauftragt“, berichtet Maike Franell, Sprecherin der Stadtverwaltung. Ende Januar habe das Bauamt ihr die nötigen Unterlagen, beispielsweise über Bebauung und Höhenraster, für die Berechnungen zukommen lassen und ein Ingenieur- und Planungsbüro habe diese inzwischen abgeschlossen. „Jetzt muss die DB-Netz-AG den Abschnitt in das Lärmsanierungsprogramm aufnehmen. Bis das realisiert wird, dauert es vermutlich noch eine Weile“, erläutert Franell.

Die Deutsche Bahn erkennt weder in der Umleitung eine günstige Gelegenheit noch sieht sie die Zuständigkeit geklärt: „So einfach geht das nicht“, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. „Momentan laufen ausführliche Gespräche mit der Stadt. Bisher gibt es da noch keine gemeinsame Lösung.“ Woran das liegt, will er nicht präzisieren.

Die Schließung der S-Bahn-Wand wurde laut Verwaltung zurückgestellt, weil diese durch eine Mittelwand nicht mehr erforderlich wäre. Denn die S-Bahnen sind leiser als die Fernzüge. Für den Lärmschutz auf der S-Bahnseite wäre als Eigentümerin des Bahnhofsgrundstücks die Stadt zuständig.