Reinbek. Thomas Doetzkies macht als Quereinsteiger eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn. ICE durfte er bereits fahren. Seine Erfahrungen.
Wovon viele kleine Jungen träumen, erschien dem Reinbeker Thomas Doetzkies immer wie ein Scherz: „Wenn alle Stricke reißen, werde ich eben einfach Lokführer“, witzelte der Gastronom, wenn sich einmal eine Krise abzeichnete. Doch jetzt, mit 51 Jahren, startet der Familienvater tatsächlich noch einmal neu durch und macht als Quereinsteiger eine Ausbildung zum Lokführer bei der Deutschen Bahn. Sein Catering-Unternehmen hat Doetzkies dafür nach 15 Jahren geschlossen.
„Ich wollte mehr zuverlässig planbare Zeit für meine Familie haben“, begründet Thomas Doetzkies diesen Schritt. Und er hat entdeckt: „Das macht einfach großen Spaß. Ich genieße dieses neue Leben gerade sehr.“ Seine Frau fand die Entscheidung gut, erzählt er, sie orientiert sich ebenfalls beruflich gerade neu. Dafür habe sicherlich auch gesprochen, dass die Deutsche Bahn während der Ausbildung ein reguläres Gehalt zahle.
Reinbeker wird als Quereinsteiger Lokführer bei der Deutschen Bahn
Für den 51-Jährigen sind berufliche Neuanfänge allerdings nichts Neues. Er hat nach seiner Ausbildung als Restaurantfachmann in Ostberlin nicht nur Restaurants von Burger King, Pizza Hut sowie eine Berghütte in Berchtesgaden geleitet, sondern auch noch BWL studiert, in der Buchhaltung bei Gillette und bei der Stiftung Bahn und Soziales gearbeitet. „Mein Unternehmen musste ich allerdings innerlich erst einmal loslassen“, räumt er ein.
Sein Ausbilder bei der Deutschen Bahn, Jonathan Sebastian Amaranathan, hat aktuell in Hamburg Langenfelde drei Quereinsteiger unter seinen Fittichen, allesamt Männer. Der jüngste ist 26 Jahre alt, Thomas Doetzkies ist mit 51 Jahren der älteste. „Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht. Unser Personalbedarf ist sehr hoch“, sagt der Ausbilder: „Wir suchen Auszubildende und Fachkräfte. Voraussetzung für den Quereinstieg als Lokführer sind technisches Verständnis, Verantwortungsbereitschaft sowie körperliche und mentale Gesundheit. Bewerbende müssen sich allerdings einer medizinischen Tauglichkeitsprüfung unterziehen.“
Die Tauglichkeitsprüfung vor der Ausbildung dauert mehrere Stunden
Und die hat es in sich, erzählt Thomas Doetzkies: Sie dauere mehrere Stunden, und es würden vor allem die kognitiven Fähigkeiten und das Reaktionsvermögen geprüft. „Vielleicht sollte ich es nicht überbewerten, aber ich glaube, bei meinen Langstreckenläufen trainiere ich auch meine mentale Stärke. Das hat mir sicher geholfen“, sagt der 51-Jährige. Aber auch das Seh- und Hörvermögen, die Konzentrationsfähigkeit und die Ausdauer werden untersucht.
Sein Trainer ist mit ihm sehr zufrieden und lobt: „Thomas Doetzkies sticht in der Klasse schon heraus. Man merkt ihm seine Erfahrung an, sein Verantwortungsbewusstsein. Er ist immer sehr gut vorbereitet und sehr kollegial den anderen Auszubildenden gegenüber.“
Einen ICE durfte Thomas Doetzkies während der Ausbildung bereits fahren
Auf jeden Fall, habe es ihn sehr gefreut, dass er genommen wurde, sagt Thomas Doetzkies. Und die gründliche Prüfung sei durchaus gerechtfertigt: Immerhin trage ein Lokführer Verantwortung für bis zu 918 Fahrgäste wie im jüngsten ICE 4/13. „Das sind mehr als in einen Airbus A 380 Platz finden“, merkt Tim Neumann, Referent der Bereitstellung im DB-Werk Hamburg-Langenfelde, an. Er koordiniert dort die Reinigung und die Bereitstellung der Züge.
Auf einer Ausbildungsfahrt nach Kassel durfte Thomas Doetzkies bereits einen ICE 1 der ersten Generation zurück nach Hamburg fahren sowie eine Probefahrt nach Göttingen machen. „Das war schon sehr beeindruckend, diesen Zug mit 900 Tonnen zu bewegen“, schwärmt der 51-Jährige. „Wie sich diese Geschwindigkeit anfühlt. Und dabei hat man immer die Sicherheit der Fahrgäste im Hinterkopf.“ Zu aktuellen Unfällen und wie das Thema im Unterricht behandelt wird, wollen sich die Mitarbeitenden der Deutschen Bahn nicht äußern.
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Lokführer: Es gibt viel zu lernen – in der Theorie und in der Praxis
Der Reinbeker Azubi räumt ebenso ein: „Ich hätte nicht gedacht, dass das Wissen, das ich mir während der Ausbildung aneignen muss, so komplex ist.“ Auf seinem Tisch im Klassenzimmer stehen drei Ordner, deren Inhalt er am Ende der Ausbildung für die Prüfung des Führerscheins A im Mai kennen muss. Das weiß auch sein Ausbilder Jonathan Sebastian Amaranathan. „Die Themeninhalte der Ausbildung sind besonders umfangreich. Das Wichtigste, um das Ausbildungsziel zu erreichen: Lokführer sein, das muss man schon wollen“, betont er.
Da ist er bei Thomas Doetzkies richtig: „Es geht mir darum, die Maschine wirklich zu verstehen: Wie kommt es, dass sich die 80 Tonnen schwere Lok eines Regionalzugs nur über einen Draht in Bewegung setzt?“, begründet er seine Lernmotivation. Da helfe nur lesen, wiederholen, Fragen stellen und auswendig lernen. Generell interessiere er sich jedoch für viele Dinge. Merkwürdig findet er jedoch eines: dass ein Pilot viel höheres Ansehen genieße als ein Lokführer: „Immerhin trage ich doch für viel mehr Menschen Verantwortung“, sagt er.
Auf Störungen folgt häufig eine Kaskade von Auswirkungen
Vielleicht hängt das mit dem Image der Deutschen Bahn zusammen, beispielsweise mit den Verspätungen? Tim Neumann erläutert: „Störungen – bedingt beispielsweise durch externe Einflüsse wie Unwetter, betriebsfremde Menschen im Gleis oder ebenso Signalstörungen – können sich wie ein Dominoeffekt auf den Fahrplan auswirken. Die Auslöser klingen manchmal so banal, aber sie haben gravierende Folgen. Denn bei uns greift alles ineinander.“
Auch die Reaktion auf Störungen gehört zum Unterrichtsstoff. Thomas Doetzkies’ Ausbildung besteht dabei nicht nur aus einem Theorie-, sondern auch aus einem wichtigen Praxisteil – Probefahrten inklusive.
Im Mai folgt die Prüfung für den Führerschein A, mit dem Thomas Doetzkies Züge auf dem Rangierbahnhof bewegen und von einem Bahnhof zum anderen fahren darf. Ob und wann es dann mit der Ausbildung für den Führerschein B weitergeht, erfährt der 51-Jährige erst, wenn er die Prüfung bestanden hat. „Im Moment fühlt sich alles genau richtig für mich an.“
Lokführer verdienen bei der Deutschen Bahn bis zu 53.400 Euro im Jahr
Ob reguläre Ausbildung (drei Jahre), Duales Studium oder Quereinstieg (zehn bis zwölf Monate): Bewerberinnen und Bewerber sind der Deutschen Bahn willkommen. Ein Lokführer verdient 44.500 bis 53.400 Euro pro Jahr. Auszubildende erhalten regulär 1019 bis 1226 Euro pro Monat, beim Quereinstieg gibt es 2650 Euro pro Monat. Voraussetzung für eine Bewerbung ist die Tauglichkeitsuntersuchung, die alle drei Jahre, ab dem 55. Lebensjahr jährlich wiederholt werden muss.
Bei der Bahn gibt es noch viele weitere Jobchancen, sie plant dieses Jahr bundesweit 25.000 Neueinstellungen, darunter 2100 Lokführerinnen und Lokführer. Unter https://db.jobs/de-de finden Interessierte mehr Informationen und Kontaktadressen.