Wedel. Im Wedeler Rist-Forum standen die Kandidaten ausgiebig Rede und Antwort. Es ging auch um die leere Haushaltskasse. Was überraschte.

Julian Fresch, Stadtpräsident in Wedel, hoffte am Ende der Kandidatenvorstellung für die Bürgermeisterwahl in Wedel, dass auch weiterhin alle vier Bewerber um den Chefposten im Rathaus „fair und anständig“ miteinander umgehen werden, ehe am 17. November gut 27.000 Wahlberechtigte für ihren Favoriten oder ihre Favoritin abstimmen können.

Die vier Kandidaten Julia Fisauli-Aalto (CDU), Claudia Wittburg (SPD) und die parteilosen Andreas Kuhn und Timo Steyer hatten diesen Umgang auf der Bühne in der mehr als zweistündigen Veranstaltung im Forum des Rist-Gymnasiums vor gut 300 Zuschauern bereits perfekt verinnerlicht. Das war zuvor, bei dem monatelangen Streit um die Abwahl von Ex-Bürgermeister Gernot Kaser, noch anders.

Bürgermeisterwahlkampf in Wedel: Vier Kandidaten bewerben sich um Chefposten im Rathaus

Es ging wertschätzend, harmonisch, humorvoll zu. Von den 25 vorab eingegangenen Fragen wurden einige zufällig von Moderator Martin Meister gezogen. Etwa zu den Stadtfinanzen – es gibt fast 100 Millionen Euro Schulden. Steyer sah „Potenzial bei der öffentlichen Förderung von Projekten“, forderte „kreative Lösungen“ oder auch eine Absenkung der Gewerbesteuer, die für Unternehmen Anreize schaffen würde.

Wittburg hoffte auf eine bessere Wirtschaftsförderung: „Wedel muss mehr Werbung für sich machen.“ Kuhn möchte die Verwaltung verschlanken und etwa auch eine „Fördermittel-Task-Force“ einsetzen. Fisauli-Aalto erklärte, dass die Förderung von Land und Bund weniger geworden sei und man endlich „mit dem Rotstift einen ehrlichen Kassensturz machen“ müsse.

Auch die Themen Bahnhofstraße, dort haben aktuell Radfahrer Vorrang gegenüber Autos, und Verkehr waren im Fragenkatalog. Timo Steyer sieht Wedel generell mit „41 Prozent Individualverkehr gut aufgestellt“. Er solle aber weiter zurückgefahren werden und dort „mehr Komfort“ entstehen.

Bürgermeisterwahl: Vier Kandidaten diskutieren friedlich im Rist-Forum

Wittburg brachte „kreative Lösungen mit Pop-up-Stores“ ins Spiel. Auch Andreas Kuhn forderte mehr Attraktivität durch „Cafés zum Verweilen“ und eine Reduktion des motorisierten Verkehrs. Als er zudem später erklärte, er wolle sich für „Tempo 30 in ganz Wedel und mehr Fahrradstraßen“ einsetzen, ging ein Raunen durchs Publikum.

Der Moderator scherzte: „Oh, wohl viele Autofahrer heute hier.“ Wittburg, die „Paris, Berlin, München, Wedel“ aufzählte, sah es jedoch auch so. Fisauli-Aalto erklärte, dass der Verkehrsversuch in der Bahnhofstraße um ein Jahr verlängert worden sei.

Hafen an der Elbe: Neuer Versuch für Traditionsschiffe? Oder doch Stand-up-Paddling?

Kuhn würde beim Thema Schulauer Hafen noch einmal die Idee eines Museumhafens aufgreifen oder Diskussionen zur Ansiedlung von Hausbooten anstoßen. Die Interimsbürgermeisterin Fisauli-Aalto sagte: „Wir werden irgendwann Schiffe haben.“ Bis dahin könnten Alternativen wie Stand-up-Paddling dort möglicherweise angeboten werden. Wittburg titulierte den Hafen klar als „Fehlplanung“. Steyer sagte, dass man sich eingestehen müsse, dass es so nicht funktioniere und brachte auch eine Bürgerbeteiligung ins Spiel, um Ideen zu sammeln.

Podiumsdiskussion im Wedeler Rist-Forum: Julia Fisauli-Aalto ( v.l.), Andreas Kuhn, Timo Steyer, Claudia Wittburg, Stadtpräsident Julian Fresch und Moderator Martin Meister.
Podiumsdiskussion im Wedeler Rist-Forum: Julia Fisauli-Aalto ( v.l.), Andreas Kuhn, Timo Steyer, Claudia Wittburg, Stadtpräsident Julian Fresch und Moderator Martin Meister. © Frederik Büll | Frederik Büll

Bei den Fragen – auch bei jenen aus dem Publikum vor Ort – ging es auch noch um Bildung, Jugend, soziale Einrichtungen, die Hallenproblematik des SC Rist oder darum, ob es eine „Vorbildstadt“ in puncto Schuldenabbau gebe. Pinneberg habe lange unter einem Rettungsschirm gestanden, dort wolle sie in der Verwaltung nachfragen, wie die Finanzlage in den Griff bekommen worden sei, so Fisauli-Aalto. Steyer nannte von der Effizienz in der Verwaltung neben Pinneberg auch Ahrensburg.

Wittburg: „Manche Entscheidung von gestern, entpuppt sich als Problem von heute“

Die SPD-Politikerin Wittburg (44) erklärte etwa noch zu Beginn der Diskussionsrunde leicht nervös wirkend: „Ich möchte Wedel zu einem attraktiven Wohn- und Wirtschaftsstandort machen.“ Oder auch, dass sich „manche Entscheidung von gestern als Problem von heute und morgen entpuppt habe“, so die Vierfachmutter.

Projekt- und Studienkoordinator Andreas Kuhn (56), der auch durch seine humorvolle Ader punkten konnte, sagte: „In Wedel hat sich seit längerem nichts bewegt. Auch als Wedeler, nicht nur als möglicher Bürgermeister, möchte ich, dass Dinge angeschoben werden“. Reden bringe Wedel nicht weiter, sondern: „Wir müssen handeln.“ Er stehe für einen „empathischen Führungsstil“.

Wahlkampf in Wedel: Julia Fisauli-Aalto ist der Typ „Ganz-oder-gar-nicht“

Die Betriebswirtin Julia Fisauli-Aalto (51) ist seit Ostern interimsweise Bürgermeisterin – und möchte es gern bleiben. Sie wirkte souverän, wohl auch, weil sie die internen Vorgänge in der Verwaltung am besten von allen beurteilen kann. „Ich bin der Typ Ganz-oder-gar-nicht“, sagte sie. Die Dreifach-Mutter habe es geschafft, „Ruhe in die Verwaltung“ hineinzubekommen nach der Abwahl von Gernot Kaser. Wer zufrieden sei, leiste mehr.

Podiumsdiskussion
Das Bürgermeister-Quartett stellt sich in der Aula des Johann-Rist-Gymnasiums vor. Schon gut zehn Minuten vor Beginn war kaum noch einer der 300 Sitzplätze zu ergattern. © Frederik Büll | Frederik Büll

„Ich sehe mich als Vermittlerin und Schnittstelle aller gemeinsamen Akteure in Wedel. Politik, Verwaltung, Bürger“, erklärte Fisauli-Aalto. Denn: „Wedel sind wir alle.“

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Timo Steyer (42), der ebenfalls Souveränität ausstrahle, habe zwar keine Verwaltungserfahrung, doch, falls gefragt werde, ob er „Organisationsstrukturen in defizitären Unternehmen auf- beziehungsweise umbauen“ könne, damit sie rentabel werden, laute die Antwort: „Ja“. Der gebürtige Wedeler ist mittlerweile in der Medienbranche aktiv, hat aber zum Beispiel auch Expertise in der Unternehmenskommunikation. Er habe „Herz für die Heimat“ und auch Sachverstand.

Eine zweite öffentliche Diskussionsrunde richten die Grünen aus. Start ist am Dienstag, 29. Oktober, um 19 Uhr in der Mensa der Gebrüder-Humboldt-Schule, Rosengarten 18. Die Themenkomplexe: Klimaneutralität, Verkehrswende und lebenswertes Wedel.

Die Homepages der Kandidatinnen und Kandidaten: www.juliafisauli.de, www.timosteyer.de, www.claudia-wittburg.de, www.andreas-kuhn-wedel.de