Wedel. Stellvertreter der Rathaus-Chefin wurde in lokaler Community gesperrt. Grund genug für Tobias Kiwitt, jetzt vor Gericht zu ziehen.
Ein digitaler Streit hat jetzt in Wedel offenbar ein analoges Nachspiel: Auf der Social-Media-Plattform Facebook ist es zuvor in einer lokalen Gruppe zum Rauswurf eines prominenten Mitglieds gekommen. Jetzt soll sich sogar ein Gericht damit beschäftigen. Denn: Der Wedeler Tobias Kiwitt klagt vor dem Amtsgericht Pinneberg auf Wiederaufnahme in die Facebook-Gruppe „Wedel - die Community“.
Er sei bereits Ende Mai vom sogenannten Admin der Gruppe ausgeschlossen worden. Ohne jegliche Vorwarnung, wie Kiwitt gegenüber dem Abendblatt erklärt. Der 45 Jahre alte Anwalt hält diese Entscheidung des Gruppenleiters für rechtswidrig. Daher strebt er das zivilrechtliche Verfahren an. Der stellvertretende Bürgermeister Kiwitt möchte wieder im Internet mitlesen, was die Wedeler bewegt.
Zoff bei Facebook in Wedel-Gruppe: Stellvertretender Bürgermeister klagt gegen Rauswurf
In Abwesenheit von Julia Fisauli-Aalto ist er nach der eingeleiteten Abwahl von Ex-Bürgermeister Gernot Kaser seit Ostern stellvertretender Chef der Wedeler Verwaltung. Kiwitt klagt jedoch als Privatperson. Während sich der Administrator, der wegen des juristischen Vorgangs seinen Posten als Online-Aufsicht der Facebook-Gruppe mittlerweile niedergelegt hat, gegenüber dem Abendblatt nicht äußern möchte, schildert Kiwitt die Beweggründe seiner Zivil-Klage.
Es sei richtig, dass er am 30. Mai „einfach – ohne mit mir vorher Kontakt aufzunehmen und mich zu informieren“ aus der Facebook-Gruppe entfernt worden sei. Bedeutet: Kiwitt darf in der geschlossenen, nicht öffentlichen Gruppe nicht mehr lesen und kommentieren. Die „Verstoßenen“ müssen bei dauerhafter Verbannung auf „Gnade“ des Administrators hoffen.
Amtsgericht Pinneberg: Wedeler Anwalt Tobias Kiwitt möchte seinen Facebook-Rauswurf revidieren
Der hauptberuflich als Anwalt tätige Kiwitt sagt über seinen Rauswurf: „Ähnlich ging es mehreren Ratspolitikern, Verwaltungsmitarbeitern und sogar Journalisten in dieser Facebook-Gruppe bereits in den Wochen zuvor.“ Denn: Rund um die Abwahl des damaligen Bürgermeisters Gernot Kasers wurde heftig gestritten – zwischen Befürwortern und Gegnern des am 6. Juni abgewählten Rathaus-Chefs.
Es kam zu diversen Ausschlüssen wegen vermeintlich verbaler Entgleisungen in dieser gut 4800 Nutzer umfassenden Wedeler Online-Plattform. Auch in den Diskussionen in einer anderen Facebook-Gruppe namens „Wedel - Germany“ mit mehr als 7100 Mitgliedern flogen schriftliche Giftpfeile hin und her.
Tobias Kiwitt: „Ich wurde von dem Rauswurf, der völlig grundlos erfolgte, völlig überrascht“
Weshalb der Wedeler Kiwitt dauerhaft aus „Wedel - die Community“ entfernt worden sei, bleibe ihm schleierhaft: „Ich wurde von dem Rauswurf, der völlig grundlos erfolgte, völlig überrascht. Daraufhin schrieb ich den Administrator an, der sich in einem sehr unverschämten Ton uneinsichtig zeigte.“
Der Administrator habe sein aus Kiwitts Sicht rechtswidriges Verhalten damit begründet, „dass ich gegen zwei Facebook-User nach üblen Nachreden und Verleumdungen in Bezug auf das Abwahlverfahren gegen den damaligen Bürgermeister Gernot Kaser erfolgreich rechtliche Schritte eingeleitet hatte.“
Kiwitt verklagte Facebook-Nutzer wegen „übelster Verleumdungen und unwahrer Tatsachenbehauptungen“
Denn: Kaser-Befürworter hätten „mit übelsten Verleumdungen und Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen in meine allgemeinen Persönlichkeitsrechte gravierend eingegriffen“. Dies habe mittlerweile auch das Landgericht Itzehoe rechtskräftig festgestellt.
Kiwitt möchte gern wieder erfahren, worüber Wedeler sich bei Facebook austauschen. Daher habe er Anfang Juni Klage beim Amtsgericht Pinneberg eingereicht, „um den Ausschluss rückgängig zu machen“. Und das, obwohl der Jurist, Fachgebiete sind unter anderem Medizinrecht und Medienrecht, ebenfalls erklärt: „Die Debattenkultur in den Wedeler Facebook-Gruppen sind überwiegend unterirdisch. Es handelt sich dabei um öffentliche beziehungsweise quasi-öffentliche Facebook-Gruppen, die der politischen Meinungsbildung in der Stadt eigentlich dienlich sein sollen.“
Wedeler Facebook-Gruppen seien „Ort der Diffamierung, Schmähung und Erniedrigung von Mitmenschen“
Stattdessen verkämen diese Facebook-Gruppen zu einem Ort der Diffamierung, Schmähung und Erniedrigung von Mitmenschen. „Der Umgangston in den Facebookgruppen ist zu einem großen Teil geradezu fernab jeglichen Respekts und nicht mehr tolerierbar. Dabei vergessen einige User offensichtlich, dass auch soziale Medien kein rechtsfreier Raum sind.“ Ihm sei ein derart „menschenverachtendes Niveau, wie in diesen beiden Facebook-Gruppen ansonsten noch nie untergekommen“.
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Kiwitts große Sorge sei, dass durch den systematischen Ausschluss von Wedeler Ratspolitikern und Verwaltungsmitarbeitern, die einst das Abwahlverfahren gegen den damaligen Bürgermeister Gernot Kaser in die Wege geleitet hätten, eine Parallelgesellschaft entstehe. Offensichtlich solle durch diese Rauswürfe „offensiv die Meinungsfreiheit unterdrückt werden“. Als Demokraten „dürfen wir es nicht zulassen, dass demokratische Grundprinzipien durch einige wenige ausgehebelt werden“.
Die Facebook-Gruppe stehe allen Wedeler Bürgerinnen und Bürgern eigentlich offen, sofern sie nicht gegen Gruppenregeln verstoßen würden. Letzteres sei nicht der Fall gewesen. Dennoch erfolgte der Rauswurf. Kiwitt, dessen Grünen-Fraktion keinen Bürgermeisterkandidaten zur diesjährigen Wahl stellt, sagt: „So geht man nicht miteinander um. Das ist ein schlechter Umgangsstil.“
Ob Kiwitts Klage von Erfolg gekrönt sein wird, ist offen. Facebook als Unternehmen schreibt in seinem Hilfeleitfaden für „Private Gruppen“, zu denen die Wedeler Community durch Leitung einer Privatperson zählt: „Jede Beitrittsanfrage muss genehmigt werden“. Darüber hinaus könnten nur Mitglieder in einer Gruppe posten oder daran mitwirken. Ohne Genehmigung eines Admins kann niemand der Gruppe beitreten. Und: Der Admin kann entscheiden, wer ausgeschlossen werde.
Ex-Bürgermeister Gernot Kaser: Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt weiter
Als parteiloser Bewerber war Tobias Kiwitt 2022 in Wedel angetreten, hatte gegenüber dem damaligen Bürgermeister Niels Schmidt und Gernot Kaser jedoch das Nachsehen. Auch im Falle Kasers gibt es viele juristische Auseinandersetzungen: Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt weiterhin gegen Wedels Ex-Bürgermeister wegen des Verdachts der Untreue.
Kaser selbst hat unter anderem die Stadt Wedel wegen Verleumdung und übler Nachrede verklagt. Auch dort gibt es keinen neuen Stand. Zuletzt hatte der 62 Jahre alte Ex-Rathaus-Chef auch Interimsbürgermeisterin Julia Fisauli-Aalto und Wahlleiter Ralf Waßmann wegen Datenschutzverletzungen verklagt. Dies hatte Kaser öffentlich bekannt gegeben – in einem Facebook-Beitrag.