Henstedt-Ulzburg. Politik beschließt einstimmig Haushalt für laufendes Jahr. Das sind die teuersten Projekte und die größten Probleme der Zukunft.
Auf dieses Alleinstellungsmerkmal sollte niemand großen Wert legen: So spät wie kein anderer Ort im Kreis Segeberg hat Henstedt-Ulzburg nun den Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Das einstimmige Votum der Gemeindevertretung im Bürgerhaus war zudem keinesfalls ein Beleg für Harmonie. Vielmehr geht der Zoff über das Geld weiter, die Sitzung war von scharfen Zwischentönen geprägt. Und angesichts vieler Millionenprojekte, einem drohenden riesigen Schuldenberg und immer weniger Zuschüssen von Bund und Land steht Henstedt-Ulzburg finanziell vor vermutlich schweren Zeiten.
Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Verzögerung? „Das hat damit zu tun, dass wir ein irres Arbeitspensum hatten. Im September 2023 sind wir auf eine andere Finanz-Software umgestiegen“, so Kämmerin Sabine Dornis, es folgten Schulungen und Workshops, der Umstieg auf doppelte Buchführung, ein hoher Krankenstand tat sein Übriges. Ende Januar 2024 lag der erste Entwurf vor, mit dem Minus von rund 4 Millionen Euro. „Wir mussten auf allen Registern nacharbeiten.“ Und bis dann ein Etat die Hintergrundrunden und Sondierungen sowie die Fachgremien passiert hat, dauert es Monate. „Wir können immer erst anfangen, den Gesamtentwurf zu berechnen, wenn alle Zahlen vorliegen.“
Finanznot in Henstedt-Ulzburg: Riesiger Schuldenberg droht
Aus dem Minus ist ein Plus von 348.900 Euro geworden. Das Defizit wurde ausgeglichen durch reduzierte Personalkosten, durch veränderte Planungsansätze und neu kalkulierte Rechnungen. Doch das wird nicht ewig so gehen. Denn die Warnlampen leuchten längst.
Der Grund: Wer sich die nächsten Jahre anschaut, findet zahlreiche geplante Millioneninvestitionen, die irgendwie auch bezahlt werden müssen. Allen voran das neue Alstergymnasium (nach jetzigem Stand über 40 Mio. Euro), Flüchtlingsunterkünfte für mehr als 13 Millionen Euro, die neue Feuerwache „Süd“ (rund 9 Mio. Euro), Investitionen in den Sport für ebenfalls mehrere Millionen Euro, Erneuerung des Kanalsystems und insbesondere der Wilstedter Straße für zusammengenommen rund sechs Millionen Euro, fast vier Millionen Euro für den „3. Ort“ und eine Million Euro für Spielplätze.
Über 100 Millionen Euro Schuldenlast drohen: „Dadurch reduziert sich die Liquidität“
„Das ist ausschließlich über Investitionskredite finanziert“, warnte Christiane Schwarz (WHU), Vorsitzende des Finanzausschusses. „Dadurch reduziert sich die Liquidität der Gemeinde.“ Denn analog zu den Krediten, die aufgenommen werden sollen, wird sich gemäß Prognose die Schuldenlast bis 2031 von heute 16,6 auf dann 113,6 Millionen Euro erhöhen.
Schwarz: „In den nächsten Jahren wird es erforderlich sein, zu sparen, insbesondere bei der laufenden Verwaltungstätigkeit. Wir haben aber auch investive Maßnahmen. Und es ist schwierig, das Land überträgt viel Aufgaben, das führt zu hohen Personalkosten.“ Per politisch verordnetem Budgetdeckel sollen die Fixkosten für das Personal der Verwaltung künftig reguliert werden, was im Rathaus auf Kritik stößt.
Bürgermeisterin Schmidt: „Wir können nicht alles abschaffen, müssen guten Service bieten“
Bürgermeisterin Ulrike Schmidt sagte, die Situation sei der Verwaltung bewusst, und kündigte an: „Ja, wir werden die freiwilligen Leistungen unter die Lupe nehmen, aber wir können nicht alles abschaffen, wir müssen weiterhin guten Service bieten.“ Und: „Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass wir nicht in der Lage sind, dass wir immer weiter am Personal sparen können.“
Folker Brocks, Finanzpolitiker der CDU, kündigte dennoch an: „Wir werden über weitere Einsparungen nachdenken müssen, alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand stellen.“ Ein Beispiel war da kürzlich das Nein der politischen Mehrheit von CDU, FDP und BFB, einen Vertrag mit der Diakonie zur Flüchtlingsberatung zu verlängern, da man hier „Doppelstrukturen“ sah, also eine Tätigkeit, die bereits im Rathaus erledigt werde.
SPD-Fraktionschefin: „Neue Gewerbeansiedlungen haben höchste Priorität“
Vieles deutet darauf hin, dass die Gemeinde ihre Anstrengungen, neue Gewerbegebiete auszuweisen und entsprechende Firmen anzulocken, weiter intensivieren wird müssen. „Es sind größere Anstrengungen als bisher nötig, um Einnahmen zu erhöhen. Neue Gewerbeansiedlungen haben höchste Priorität, wir werden an der einen oder anderen Stelle umdenken müssen“, sagte Patrizia Giuffrida, Fraktionschefin der SPD.
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Da könnte der Beckershof in den Fokus rücken. Ein Tabu ist dieser Außenbereich westlich des Bahnhofs Ulzburg-Süd längst nicht mehr, zumal hier in den nächsten Jahren ein Umspannwerk für die Verknüpfung der künftigen Ostküstenleitung mit der Hochspannungsleitung an der A7 entstehen wird. Das könnte, so Klaus-Peter Eberhard (FDP), „stromverbrauchsintensive Unternehmen“ anlocken.
Henstedt-Ulzburg: Kämmerin warnt vor neuerlichem Haushaltsdefizit für 2025
„Die größte Quelle ist die Gewerbesteuer. Es ist notwendig, weitere Gewerbeflächen auszuweisen.“ Denn die Planungen für die nächsten Jahre stünden unter „erheblichem Risiko“, er nannte die mögliche Erhöhung der Kreisumlage (schon jetzt zahlt Henstedt-Ulzburg 15 Mio. Euro), ausbleibende Landesmittel für den offenen Ganztag und generell die Konjunktur als Gründe.
„Die Ansiedlung von Gewerbe, von Betrieben, die Gewerbesteuern, das ist eine gute Strategie“, bestätigte Kämmerin Dornis. Und blickte voraus: Im September, nach der Sommerpause, wird es die nächste Haushaltsklausur geben, dann mit Blick auf den Etat für das nächste Jahr. „Der Entwurf für 2025 wird im Herbst vorliegen“, so Dornis, warnte aber: „Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Entwurf positiv ausfällt, ist gering.“