Henstedt-Ulzburg. Reizthema ist in Henstedt-Ulzburg wieder auf der politischen Agenda. Warum sich die Vorzeichen geändert haben könnten.

Es gab Zeiten in Henstedt-Ulzburg, da hätte sich kaum jemand aus der Politik getraut, dieses Thema öffentlich anzugehen. Doch heute, im Herbst 2023, scheint es wieder zunehmend Befürworter dafür zu geben, das Gebiet Beckershof in Ulzburg-Süd, zwischen AKN und A7, zumindest teilweise als Fläche insbesondere für Wohnungsbau auszuweisen. Das haben die Gespräche rund um die Aufstellung der Regionalpläne für Schleswig-Holstein gezeigt. Diese Grundsatzpapiere sollen langfristig festlegen, wie sich Städte und Gemeinden weiterentwickeln, sei es beim Gewerbe, neuen Wohnquartieren oder auch im Naturschutz. Die Landesregierung hatte die Kommunen aufgerufen, zu den Entwürfen Stellung zu nehmen. Und das hat in Henstedt-Ulzburg eine intensive Debatte ausgelöst.

In informeller Runde waren Fraktionen und Verwaltung zusammengekommen, um gemeinsame Formulierungen zu besprechen. So viel sei gesagt: Das hat nicht funktioniert, da es zwei Strömungen gibt. Die Mehrheit aus CDU, SPD, BFB und FDP beschloss nun die offizielle Stellungnahme – Grüne und WHU eine eigene, die hiervon klar abweicht.

Beckershof in Henstedt-Ulzburg: Wird Gebiet zwischen AKN und A7 doch bebaut?

Der Beckershof ist vorbelastet. Vor fast 20 Jahren wurde dieser zum „Ortsteil der Zukunft“ auserkoren, ein Ideenwettbewerb für Fachbüros ausgelobt, Dutzende reichten Vorschläge ein. Es ging um Wohnraum für über 3000 Menschen. Nur: Die Bevölkerung der Großgemeinde fand diese Vorstellung damals überhaupt nicht verheißungsvoll. Die Kommunalwahl 2008 wurde zur Zäsur, die WHU stärkste Fraktion, die CDU verlor die absolute Mehrheit. Ein historischer Denkzettel.

Ganz so groß wie seinerzeit wird diesmal nicht gedacht. Aber: „In unmittelbarer Nähe zum Bahnhaltepunkt „Ulzburg-Süd“ liegen Flächen, die für eine verdichtete Wohnbebauung geeignet sind“, schreibt das Land. Und das wurde aufgegriffen. Gerade entlang der AKN-Trasse werde das begrüßt, heißt es seitens der vier befürwortenden Fraktionen.

Gemeinde fordert den Autobahnanschluss „Gut Kaden“

Wenn auch mit Bedingungen: „Hierzu müssen auch die Infrastruktur der Gemeinde sowie die Verkehrswege für alle Verkehrsarten angemessen ausgebaut werden, insbesondere auf der L326 (Hamburger Straße; d. Red.) als Durchgangsstraße. Neben dem Ausbau der S21 bzw. AKN mit zusätzlichen Haltepunkten im Gewerbegebiet Nord ist die Schaffung einer Autobahnausfahrt ,Gut Kaden‘ von besonderer Bedeutung, um die innerörtliche Verkehrssituation zu entzerren“, so die Stellungnahme.

Eine Tieferlegung des Bahnhofs ermögliche die „Erschließung umfangreicher Wohnbauflächen, die wiederum in Teilen über die Erschließungsgebühren zur Finanzierung der Verkehrsoptimierung beitragen können“. Das sei auch unerlässlich, da aus Sicht von Henstedt-Ulzburg eine Verlängerung der U1 „mindestens bis Ulzburg-Süd“ dringend erforderlich sei, sofern die Linie bereits wie von Norderstedt geplant nach Norden erweitert würde.

Möglicherweise heute höhere Akzeptanz für einen Ortsteil „Beckershof“?

Auch beim Verkehr hat die Politik Forderungen. „Was gänzlich in der bisherigen Planung des Landes zu kurz kommt, ist die Optimierung der Verkehre und Infrastruktur“, sagt Nadine Braasch (SPD). „Egal, ob es um die Straße, die Schiene oder die Luft geht. Die Ertüchtigung der Schleswig-Holstein-Straße oder des Autobahnzubringers Quickborn, ein neuer Zubringer bei Alveslohe oder einen sauberen Verkehrsfluss auf der Hamburger Straße herzustellen sowie zum Beispiel durch bessere Anbindungen und einheitliche Tarifzonen eine Veränderung des Modalsplits herbeizuführen, sind zwingend notwendig.“

Viele in der Politik gehen mittlerweile davon aus, dass es in Henstedt-Ulzburg eine größere Akzeptanz geben könne für Wachstumsvorhaben wie am Beckershof. Das könnte damit zu tun haben, dass, wie überall in der Metropolregion, Menschen in den Ort gezogen sind, etwa junge Familien, die modernen Quartieren gegenüber aufgeschlossen sind, auch wenn die Idee einigen etwas zu kühn erscheint.

Noch entscheidender vermutlich: Die Wohnraumknappheit, die auch hier immer stärker sichtbar geworden ist. In Henstedt-Ulzburg wurde in der jüngeren Vergangenheit eher kleinteiliger geplant, die großen Würfe wie am Schäferkampsweg oder auf dem Wagenhuber-Gelände haben sich aus unterschiedlichen Gründen erheblich verzögert und sind längst noch nicht spruchreif.

Am Westrand der Gemeinde Henstedt-Ulzburg verläuft die AKN. Die dortigen Flächen wurden schon oft als potenziell geeignet für Wohnungsbau angesehen.
Am Westrand der Gemeinde Henstedt-Ulzburg verläuft die AKN. Die dortigen Flächen wurden schon oft als potenziell geeignet für Wohnungsbau angesehen. © Christopher Mey | Christopher Mey

Aus Sicht der FDP ist Henstedt-Ulzburg daher auch nicht stark gewachsen. Es seien 9,6 Prozent seit 2005, so Gemeindevertreter Stephan Holowaty, „während allein Kaltenkirchen um 19,5 Prozent und Kisdorf um 15 Prozent gewachsen sind“. Henstedt-Ulzburg sei „mit seiner Einwohnerzahl, als starker Wirtschaftsstandort, als Verkehrsknotenpunkt für AKN und S-Bahn und mit seinen umfangreichen Bildungs- und sozialen Leistungen ein zentraler Ort an der A7-Achse“.

Henstedt-Ulzburg: „Fehlende Dynamik im Wohnungsbau“

Durchaus selbstkritisch heißt es in der Stellungnahme an das Land: „Das sehr moderate Wachstum wird verursacht durch eine – in der Vergangenheit auch politisch begründete – fehlende Dynamik im Wohnungsbau, die zu einem spürbaren Anstieg der Wohnkosten aufgrund nicht ausreichenden Angebots auf dem Wohnungsmarkt geführt hat.“ Der Bedarf steigt auch, da es Nachfragen von Mitarbeitenden neu angesiedelter Betriebe und Firmen gibt. Rewe etwa, das hier seinen Zentralstandort für die Region Nord gebaut hat, hat die Gemeinde wiederholt auf dieses Problem angesprochen – die kurzen Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind oftmals nicht drin.

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Dennoch: WHU und Grüne sind strikt gegen einen neuen Ortsteil „Beckershof“. Die Bebauung lehne man ab, sagen die Fraktionen in einer gemeinsame Mitteilung. „Aufgrund der technisch und finanziell aufwendigen Erschließung rechnet sich eine kleinteilige Bebauung nicht. Für eine großflächige Bebauung fehlt dem Ort die erforderliche Infrastruktur (Straßen, Schulen, Kitas). Zudem lehnen wir die Versiegelung von derartig großen Flächen ab.“ Sie vermuten, anders als etwa die CDU: Die Meinung der meisten Menschen hat sich gegenüber 2008 nicht verändert.

Grüne und WHU sind klar gegen eine Beckershof-Bebauung

Wenig überraschend: Auch beim Thema Gewerbe gibt es diese beiden Lager. Aus Sicht der Landesplanung bietet das Gewerbegebiet Nord „erhebliche Erweiterungspotenziale“. Die Gemeinde freut das. „Sollte der Regionalplan wie im Entwurf beschlossen werden, hätte Henstedt-Ulzburg die Möglichkeit, weitere Gewerbe- und Industrieflächen planerisch auszuweisen und damit weitere Ansiedlungen zu ermöglichen, um die weiterhin hohe Nachfrage nach Gewerbeflächen an der A7-Achse zu bedienen. Insbesondere durch die Ausweisung von an der A7-Achse knappen Industrieflächen könnte die Gemeinde einen Wettbewerbsvorteil erzielen.“

WHU und Grüne sehen das anders. Eine zukunftsfähige Entwicklung dürfe nicht auf Kosten der Lebensqualität stattfinden. Eine Erweiterung des Gewerbegebietes um ein Drittel „mit den damit einhergehenden Nachteilen wie Verkehrszunahme, Versiegelung von Böden und Zerstörung von Naturräumen lehnen wir ab.“