Henstedt-Ulzburg. Personalrat warnt: Hohe Überlastung im Rathaus. Bürgermeisterin Schmidt kritisiert Kostendeckel der Politik. Wie es jetzt weitergeht.

Viele Bürgerinnen und Bürger in Henstedt-Ulzburg werden es wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen haben. Doch es ist tatsächlich so: In wenigen Wochen ist Sommeranfang, und die Gemeinde hat trotz zahlreicher großer Herausforderungen weiterhin keinen gültigen Haushalt für das laufende Jahr. Sprich: Es können keine Aufträge an Fremdfirmen vergeben, Projekte nicht umgesetzt werden, nur das laufende Geschäft kann erfüllt werden.

Das ist historisch, allerdings im negativen Sinn. Und wird sich auch in diesem Monat nicht ändern. Ein Grund ist die aufwendige und für alle Fachbereiche komplexe Umstellung auf doppelte Buchführung, mehr noch aber, dass ein erster Entwurf ein Millionendefizit aufwies, was mehrere Extrarunden zur Folge hatte. Eine Konsequenz: Der künftige Etat wird eine Besonderheit aufweisen, die verdeutlicht, wie sehr es derzeit zwischen Rathaus und Politik in vielen Punkten knirscht.

Henstedt-Ulzburg: Gemeinde ohne gültigen Haushalt für 2024 – Streit ums Geld

Es geht darum, wie viel Geld Bürgermeisterin Ulrike Schmidt und ihre Verwaltung jährlich für Personal ausgeben dürfen. Denn im März verhängte die Politik einen Kostendeckel: 14,9 Millionen Euro für 2024, und dazu bereits Vorgaben für 2025 (15,2 Mio. Euro), 2026 (16 Mio. Euro) und 2027 (16,2 Mio. Euro). Die CDU hatte das beantragt, um aus ihrer Sicht für mehr Finanzdisziplin zu sorgen angesichts des drohenden Defizits – und stieß auf Zustimmung bei den anderen Fraktionen.

Schmidt und ihre Mitarbeitenden sehen das ein wenig anders. Im Gespräch mit dem Abendblatt sagt sie: „Das so festgelegte Budget bedeutet, dass ich als Bürgermeisterin in freiem Ermessen darüber bestimmen kann, wie es eingesetzt wird. Das kann funktionieren, wenn es in einem angemessenen Verhältnis zum Gesamthaushalt steht.“ Was nicht der Fall sei. Sie verweist auf den Landesrechnungshof, dieser habe 2022 in einem Bericht gesagt: Eine Kommune mit über 20.000 Einwohnern (wie Henstedt-Ulzburg) arbeite wirtschaftlich, wenn die Personalkosten maximal 25 Prozent des gesamten Ergebnishaushaltes betragen.

Bürgermeisterin kritisiert: „Hier wurde seit Jahrzehnten an Personal gespart“

„2022 lag Henstedt-Ulzburg bei 17 Prozent. Jetzt, wenn wir von 97 Millionen Ergebnishaushalt ausgehen, bedeuten 14,9 Millionen Euro, dass wir nicht einmal bei 16 Prozent liegen. Wirtschaftlich ist das nicht mehr, wenn man so am Personal spart, das kann nicht funktionieren. Es sollte auch bei einem leichten Defizit nicht dazu alarmieren, in einem Bereich so sehr auf die Bremse zu treten, in dem wir nicht einmal Schritttempo fahren. Hier wurde seit Jahrzehnten an Personal gespart“, kritisiert Schmidt, die seit Juni 2020 im Amt ist.

Wenzel Waschischeck ist Vorsitzender des Personalrats. Er hatte sich während politischer Sitzungen im Frühjahr mehrfach zu Wort gemeldet, warnt auch jetzt: „Wir sind bei den Mitarbeitenden in einem signifikanten Bereich der Überlastung. Damit haben wir als Personalrat momentan zu tun, wir bearbeiten viele Überlastungsanzeigen. Und die kommen ja nicht von jetzt auf gleich. Diese ploppen im letzten halben Jahr, im letzten Jahr auf, und die führen auch zu chronischen Erkrankungen.“

Personalratsvorsitzender Waschischeck: Kostendeckel ist „ein fatales Zeichen“

Angesichts dessen mit einem „nicht auskömmlichen Kostendeckel zu arbeiten, ist das falsche Signal, ein fatales Zeichen“. Mangelnde Wertschätzung – sogar diesen Vorwurf hatte Wenzel Waschischeck gegenüber der Politik erhoben. „Wenn man berichtet, was wir leisten und als Antwort einen Personaldeckel bekommt, kann das nicht wertschätzend sein“, sagt er.

Teilweise haben sich die Überstunden bedenklich angehäuft, berichtet Silke Dräger, die büroleitende Beamtin, also die rechte Hand der Bürgermeisterin. „Bis zum 31. März war es so, dass alle Überstunden, die über das 1,5-fache einer Wochenarbeitszeit hinausgingen, am Monatsende gekappt wurden. Die Mitarbeitenden konnten den Antrag stellen, dass die Überstunden ausbezahlt werden, wenn sie vorher als erforderlich angeordnet wurden. Die Vielzahl der Überstunden führte dazu, dass ein Ausgleich in Freizeit wegen der hohen Arbeitsbelastung oftmals nicht mehr stattgefunden hat. Wir nehmen den Mitarbeitenden daher wertvolle Freizeit, was ich persönlich überhaupt nicht gut finde.“

Überstunden: Ausgleich in Freizeit fand oftmals nicht mehr statt

Künftig sollen Überstunden auch über die Grenze hinaus gesammelt werden dürfen, etwa, wenn Wahlen anstehen, dann binnen eines Quartal abgebummelt werden, „um aus dem Hamsterrad herauszukommen“. Übrigens: Der größte Anteil entfällt auf Führungskräfte, weil diese offenbar notgedrungen Sacharbeiten erledigen müssen.

Silke Dräger ist büroleitende Beamtin und verantwortlich für die Stabsstelle „Büro der Bürgermeisterin“.
Silke Dräger ist büroleitende Beamtin und verantwortlich für die Stabsstelle „Büro der Bürgermeisterin“. © Christopher Mey | Christopher Mey

Rund 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Gemeinde. In diesem Jahr habe es bereits 13 Neueinstellungen gegeben, so Ulrike Schmidt, wobei neue Ausschreibungen derzeit nicht möglich sind ohne Haushalt. Die Budget-Obergrenze bedeute: „Wir verzichten jetzt konkret auf drei Stellen, die wir einwerben wollten. Davon ist das energetische Sanierungsmanagement betroffen, das technische Rechnungsprüfungsamt und die Stelle einer Sozialarbeiterin oder eines Sozialarbeiters für das Flüchtlingsmanagement. Es ist eine Priorisierung erfolgt, dass manche Aufgaben ausgeführt werden, andere, die den Bürgerinnen und Bürgern wichtig sind, nicht. Das schmerzt. Und wir werden weiterhin versuchen, diese einzuwerben, auch andere Stellen, wir können jetzt nicht stehenbleiben.“

Allerdings sorgt sie sich auch, dass der gute Ruf von Henstedt-Ulzburg leidet. „Es hat einen Kulturwandel gegeben, und bestimmt machen sich Bewerbende auch ein Bild durch Bekannte, die hier arbeiten oder durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Es wäre schade, wenn diese gute Atmosphäre Schaden nimmt.“

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Silke Dräger sagt dazu: „Wir haben immer noch viele unbesetzte Stellen. Die Kolleginnen und Kollegen waren bereit, mehr zu arbeiten, um das zu kompensieren. Aber wir wollten eine Perspektive aufzeigen mit dem nächsten Stellenplan. Wenn diese fehlt, wird es schwierig.“

Henstedt-Ulzburg: Gültiger Haushalt erst „voraussichtlich Anfang bis Mitte Juli“

Der aktualisierte Stellenplan, dann mit Berücksichtigung des Kostendeckels, wird am Dienstag, 14. Mai (18.30 Uhr, Ratssaal), im Hauptausschuss beraten. Und wann kommt der Haushalt? Schmidt: „Die Gemeinde wird voraussichtlich Anfang bis Mitte Juli einen beschlossenen und von der Kommunalaufsicht genehmigten Haushalt haben. Dieser muss genehmigt werden, da er wahrscheinlich noch ein leichtes Defizit aufweisen wird.“

Durchatmen kann Henstedt-Ulzburg dann nicht. Im Gegenteil. „Wir möchten uns dann gleich auf den kommenden Haushalt konzentrieren“, so die Bürgermeisterin. Und Silke Dräger präzisiert: „Bereits Ende Juli müssen wir als Verwaltung unsere Zahlen für 2025 eingegeben haben, möchten im Herbst eine Beschlussfassung haben. Denn angestrebt ist immer, zu Anfang des Jahres einen Haushalt zu haben. In diesem Jahr ist es extrem spät.“