Lauenburg. Ein Hochwasser in drei Wellen rollte vor einem Jahr auf Lauenburg zu. Ein Warnschuss. Warum es wohl trotzdem keinen Schutz geben wird.
2018, 2022, 2024, 2028 – diese Jahreszahlen beziehen sich nicht auf sportliche Großereignisse, sondern auf ehemalige Ziele zur Fertigstellung des Hochwasserschutzes in Lauenburg. Inzwischen will sich allerdings niemand mehr auf ein Jahr festlegen lassen. Im Gegenteil: Man muss schon über die Maßen optimistisch sein, um überhaupt noch daran zu glauben. Planung und Umsetzung des Hochwasserschutzes sind in eine Sackgasse geraten. Lediglich der vergleichsweise unwichtige Bauabschnitt von der Schleuse auf dem Elbe-Lübeck-Kanal bis zur historischen Palmschleuse ist in diesem Jahr fertiggestellt worden. Die historische Altstadt wäre elf Jahre nach dem verheerenden Hochwasser im Juni 2013 noch immer schutzlos den Fluten ausgeliefert.
Wenn es um den Hochwasserschutz an der Elbe geht, dann sind in Sachsen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern die Länder zuständig. Nur in einem kleinen Elbeabschnitt gibt es eine Ausnahme: In Lauenburg ist der Wasser- und Bodenverband Stecknitz-Delvenau Träger für Planung, Bau und Betrieb der Schutzanlagen. Der damalige Vorsitzende, Wolfgang Genczik, hatte schon 2018 beklagt, dass dem Verband diese Aufgabe quasi übergestülpt worden sei.
Hochwasserschutz in Lauenburg: Niemand will zuständig sein
Während der jüngsten Sitzung des Bauausschusses nahm sein Nachfolger, Reinhard Nieberg, kein Blatt vor den Mund. Nicht nur, dass der Verband mit der Trägerschaft für den Hochwasserschutz personell und organisatorisch komplett überfordert sei, es drohe nun sogar dessen Zahlungsunfähigkeit. „Wenn Firmen Leistungen erbracht haben und dafür eine Rechnung stellen, müssen wir die innerhalb der Frist bezahlen. Bei der zuständigen Landesbehörde wird der Vorgang aber so schleppend geprüft, dass das Geld oft erst Monate später zu uns zurückfließt“, berichtete er. Der Vorstand des Verbandes hätte beschlossen, die Trägerschaft für den Hochwasserschutz abzugeben. Nur an wen?
Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung beriet der Ausschuss anschließend, ob sich die Stadt den Hut der Trägerschaft künftig aufsetzen sollte. Dabei ging es um einen Forderungskatalog, aufgestellt von der Lauenburger Verwaltung. „Wir sind grundsätzlich weiter der Meinung, dass der Hochwasserschutz in die Verantwortung des Landes gehört. Unter den jetzigen personellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Bedingungen brauchen wir auch gar nicht über andere Ansätze nachzudenken. Deshalb haben wir grundsätzliche Voraussetzungen zu Papier gebracht“, erklärt Bauamtsleiter Christian Asboe.
Politik skeptisch: Würde sich Lauenburg mit der Trägerschaft übernehmen?
Nicht nur die Lauenburger Verwaltung ist wenig angetan davon, die Trägerschaft für den Hochwasserschutz zu übernehmen. Auch die Politik ist eher skeptisch. Schon 2016 hatte die damalige Stadtvertretung einstimmig eine Resolution verabschiedet, die das Land in Sachen Hochwasserschutz die Pflicht nahm. Genutzt hatte es allerdings wenig.
Viel diskutiert, aber nichts beschlossen – fraktionsübergreifend haben die Ausschussmitglieder vor allem Fragen aufgeworfen: Wie kann sichergestellt werden, dass der Stadt nicht in dieselbe finanzielle Falle gerät, wie der Wasser- und Bodenverband? Wie sieht es mit dem 20-prozentigen Eigenanteil an den Kosten für den Hochwasserschutz aus? Würden unter dieser Mammutaufgabe nicht die anderen geplanten Großprojekte leiden? Warum steht die Landesregierung nicht zu dem Versprechen, das Daniel Günther vor seinem Amtsantritt abgegeben hatte?
Organisationsberaterin untersucht Netzwerk der Zuständigkeiten
Demnach wollte der heutige Ministerpräsident im Falle einer Regierungserklärung persönlich dafür Sorge tragen, dass der Hochwasserschutz für Lauenburg in die Zuständigkeit des Landes fällt. Dies hatte er in einem Brief an die Betroffenengemeinschaft Hochwasser erklärt. Doch davon ist heute keine Rede mehr. Im Gegenteil: Nach Ansicht der Landesregierung gibt es zwischen dem Land, dem Wasser- und Bodenverband sowie der Stadt Lauenburg auch gar keine strittigen Fragen.
Auch interessant
„Die Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten ist über die gemeinsam unterzeichnete Realisierungsvereinbarung von 2018 geregelt“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Martin Habersaat. Aktuell würden auf Basis einer Evaluation die Zuständigkeiten optimiert, um abgestimmte Lösungen zügig umzusetzen. Im Januar dieses Jahres hatte Organisationsberaterin Ute Lamboley aus dem Büro Profi-Training Gespräche mit allen Beteiligten zu diesem Thema geführt.
Auch interessant
- Geesthacht: Familie in Wohnungsnot – statt Hilfe kommt das Räumkommando
- Schrottautos in Geesthacht: Ein teures Problem für die Stadt
- Lauenburg: Baustart für grüne Lesegärten mitten in der Stadt
Hochwasserschutz: Land schließt neue Realisierungsvereinbarung aus
Schon im Oktober vergangenen Jahres hatte das externe Beratungsunternehmen die jeweiligen Zuständigkeiten vom Land, dem Wasser- und Bodenverband sowie der Stadt Lauenburg unter die Lupe genommen. Dass auf der Basis dieser Beurteilung eine ergebnisoffene Diskussion und Neubewertung vorgenommen wird, ist allerdings wenig wahrscheinlich. „Im Ergebnis wird es keine neue Realisierungsvereinbarung unter den Beteiligten geben“, hatte die Sprecherin im Landesumweltministerium, Martina Gremler, unserer Redaktion schon im September mitgeteilt. Lediglich für die eine oder andere Aufgabe könne sich eventuell eine neue Zuständigkeit ableiten, stellte sie in Aussicht.
Sollte das Land die Zuständigkeit für den Hochwasserschutz weiter ablehnen und auch die Stadt Lauenburg die Trägerschaft nicht übernehmen, bleibt der ehrenamtlich geführte Wasser- und Bodenverband in der Pflicht. Das ist gesetzlich so geregelt. Diese Möglichkeit zog auch der Vorsitzende Reinhard Nieberg in Betracht. Er machte allerdings auch keinen Hehl daraus, dass dann an eine Planung und Fertigstellung auf absehbare Zeit nicht zu denken sei.