Geesthacht. Forstexperte spürt auf, wie sich der Geesthachter Forst in 23 Jahren verändert hat. Sein großes Problem ist die Nähe zur Stadt.

Nicht nur der Klimawandel setzt dem Geesthachter Stadtwald stark zu. Andere Sorgenmacher tragen so hübsche Namen wie Silber-Goldnessel, Drüsiges Springkraut oder auch Spätblühende Traubenkirsche. Doch der Schein trügt. Diese Pflanzen sind gefährlich. Sie breiten sich stark wuchernd aus, verdrängen in der Natur massiv einheimische Arten. Und bieten der Tierwelt als Nahrung wenig an.

Von dem, was in den Forst hineinwächst und dort nicht hingehört, wird es immer mehr. Neu auf der Liste der nicht heimischen Eroberer ist Paulownia, der Blauglockenbaum aus China. Auch in Geesthacht ist er angekommen – wenngleich noch in den Gärten und Kübeln unter Kontrolle. Aber das müsse ja nicht so bleiben, schwante etwa Björn Reuter (CDU).

Stadtwald im Wandel: Gefahr aus den Gärten bedroht das Idyll

„Bekommen wir da in fünf Jahren ein Problem?“, fragte er den Waldexperten Martin Schmid im Umweltausschuss. „Ich habe vergangenes Jahr einen zum Geburtstag bekommen. Das ist ja auch eine invasive Art, die massenhaft über den Baumarkt vertrieben wird. Wissen die eigentlich, was sie da verkaufen?“, grübelte Björn Reuter angesichts der vom Waldökologen zuvor skizzierten Probleme. In der Schweiz ist der Baum seit September verboten.

„In Baden-Württemberg wurde der Blauglockenbaum bereits im Wald nachgewiesen, er geht da in die Buchenwälder. Und in Berlin sieht man ihn entlang der Gleise“, wusste Martin Schmid zu berichten. In Geesthachts freier Wildbahn hat der Mitarbeiter vom Büro für angewandte Waldökologie den neuen Problemling indes noch nicht entdeckt.

An einem Standort fühlt sich der seltene fleischfressende Sonnentau wohl

Geesthachts einziges Hochmoorparadies im Stadtwald trocknet aus; Die Kuhtränke fällt immer früher trocken, Kaulquappen würden zu Tausenden vertrocknen
Geesthachts einziges Hochmoorparadies im Stadtwald ist die Kuhtränke. Das einzige Laichgewässer fällt immer früher trocken. Nabu-Mitglieder siedeln regelmäßig die Kaulquappen um. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

„Ich hatte das Vergnügen, den Stadtwald im Sommer einmal abzulaufen und zu kartieren“, erzählte er. Dabei fiel ihm sogar ein einzelner, extrem seltener fleischfressender Sonnentau ins geübte Auge. Und zehn Ameisenhügel, allesamt in Besenhorst. Martin Schmid sollte nach 23 Jahren eine neue Bestandsaufnahme des Stadtforstes machen, Veränderungen durch die damals in die Wege geleiteten Maßnahmen protokollieren.

Ziel der Waldbiotopkartierung ist die Feststellung der Naturnähe der Waldbestände – und die Empfehlung, welche Maßnahmen für das Waldmanagement künftig ergriffen werden sollten in Anlehnung an das Lübecker Waldkonzept.

Lorbeer-Kirsche büxt vom Friedhof aus – und wird Probleme machen

Der Stadtwald besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: dem Hangwald zwischen Besenhorst und der Kreuzung Berliner Straße/Hansastraße mit 136 Hektar sowie dem Naturschutzgebiet Besenhorster Sandberge und Elbsandwiesen mit 105 Hektar – auch unter dem Namen Bunkerwald geläufig – sowie einigen kleineren Beständen im Stadtgebiet, die dem Hangwald zugeschlagen werden.

An unerwünschten pflanzlichen Eindringlingen hat Martin Schmid mehr als genug wahrgenommen – oft durch die Schuld menschlicher „Komplizen“. Die Lorbeer-Kirsche kommt vor allem im östlichen Geesthangwald vor und sei wohl „vom Friedhof ausgebüxt“, erzählt Martin Schmid. „Sie hat sich sehr etabliert und wird irgendwann ein Problem darstellen“, erwartet er.

Hoher Besiedlungsdruck durch invasive Arten

Und dann sei da noch die Silbergoldnessel, „auch ein Gartenflüchtling, vermutlich durch Grünschnitt in den Wald geraten“. Nun habe sie hier Fuß gefasst und breite sich überall aus. „Als siedlungsnaher Wald ist der Stadtwald Geesthacht unter hohem Besiedlungsdruck durch invasive Pflanzenarten, vor allem durch Gartenabfälle“, so das Resumée in seinem Gutachten.

Eine aktive Bekämpfung der beiden wäre mit hohem Aufwand verbunden. Da es sich bei den Arten um für siedlungsnahe Wälder typische Garten-Flüchtlinge handele, lautet die Empfehlung, das Problem mit Öffentlichkeitsarbeit anzugehen. 

Zeit drängt – baldige Bekämpfung von Drüsigem Springkraut empfohlen

Sorgenfalten bereiten zudem der Japanische Staudenknöterich, die Späte und die Kanadische Goldrute, die Gewöhnliche Mahonie, Schneebeere, Riesen-Bärenklau – auf mehreren Hundert Quadratmetern in der ehemaligen Kiesgrube nahe der Ziegenkrug-Kreuzung – und das Drüsige Springkraut. „Eine baldige Aufnahme der Bekämpfung wird aufgrund des hohen Ausbreitungspotentials der Art empfohlen.“

Bei der ehemals weit fortgeschrittenen Ausbreitung der aus Nordamerika stammenden Traubenkirsche hat sich der Einsatz gelohnt, mittels einer Mischung aus konsequentem Ausrupfen und cleverem Nachpflanzen. Zum Beispiel von Rotbuchen oder Eichen. Die sorgen für Schatten, und den mögen die Traubenkirsche und auch andere invasive Arten nicht.

Totholz als „Schlüsselelement für Waldnaturschutz“ hat zugenommen

Ein zweites Problem: Es müsste noch deutlich mehr Totholz als wichtiger Lebensraum herumliegen. „Totholz ist das Schlüsselelement für Waldnaturschutz“, sagt Martin Schmid. Aber es wird besser. 2001 wurden im Geesthangwald lediglich vier tote Bäume stärker als 30 Zentimeter verzeichnet. Nun seien es von der Größe vergleichbare 161 liegende und 111 stehende abgestorbene Bäume.

Insgesamt zeigte sich Martin Schmid mit dem Waldumbau von Kiefernbeständen zu naturnahen Laubmischwäldern zufrieden. „Als Ergebnis der Untersuchung weisen 73 Prozent der Waldbestände des Stadtwaldes inzwischen eine naturnahe Vegetationszusammensetzung auf. In einem großen Teil der Fläche sind für die nächsten zehn Jahre keine forstlichen Maßnahmen erforderlich, um die Zielsetzung naturnaher Laubmischwälder zu erreichen.“

Auch interessant

Problem Einschlagmoratorium – im Westteil sollen Lärchen gefällt werden

Punktuell aber eben doch noch. Das verhindert allerdings das Einschlagmoratorium, das bis zum 22. März 2026 Gültigkeit hat. „Wenn man nichts entnehmen darf, geht es dem Wald schlechter“, befand Martin Schmid. Der empfohlene Holzeinschlag soll vornehmlich der Förderung einer naturnahen Vegetationsentwicklung dienen. So rät er zum Beispiel, im Westteil des Hangwaldes zugunsten der Eichen zeitnah Lärchen zu fällen.

Viele Bäume wird es nicht treffen, es handelt sich bis zum Jahr 2033 jährlich um 63 Erntefestmeter. Das sind etwa 63 Bäume, pro Hektar einer. Damit konnte sich der Ausschuss abfinden. Der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen wurde zugestimmt. Das Einschlagmoratorium wird für die Umsetzung der Maßnahmen aufgehoben.