Lauenburg. Kiel will die Verantwortung stromaufwärts erweitern – aber nur bis Artlenburg. Das sorgt 3000 Meter weiter für Widerspruch.
5,95 Meter zeigte der Pegel Hohnstorf am vergangenen Freitag (27. September) an, also kaum der Rede wert. Seitdem zieht sich die Elbe wieder in ihr Bett zurück. Die Befürchtung, Lauenburg könne so ein verheerendes Hochwasser treffen wie im Juni 2013, hat sich zum Glück nicht bewahrheitet. Die Sorge kam nicht von ungefähr: Langanhaltender Starkregen in Tschechien ließ auch für die Elbanrainer in Deutschland Schlimmes befürchten. Neben der Berichterstattung über die verheerenden Folgen des Hochwassers in Österreich, Polen und Tschechien, richtete sich die Aufmerksamkeit überregionaler Medien auf die kleine Stadt Lauenburg.
Schließlich sind die Bilder der Katastrophe vor elf Jahren und auch die damaligen Fernsehauftritte der Politiker von Bund und Land nicht vergessen. Bei der Landesregierung von Schleswig-Holstein bewirken die jüngsten Ereignisse allerdings keine Bestrebung, endlich Gas in Sachen Hochwasserschutz für Lauenburg zu geben. Im Gegenteil: Die geplante Änderung einer Landesverordnung lässt erneut Zweifel daran aufkommen, dass es den zuständigen Landesbehörden wirklich ernst damit ist, das Flächendenkmal Lauenburger Altstadt vor künftigen Fluten zu schützen.
22. Dezember 2023: Pegel in Lauenburg steigt nach Sturmflut schlagartig an
Schon zu Jahresbeginn hatte sich die Elbe in Lauenburg nachdrücklich zurückgemeldet. In drei Wellen erreichte das Hochwasser die Stadt. Am 5. Januar wurde am Pegel Hohnstorf ein Wasserstand von 8,12 Meter gemessen. Bei einem Pegelstand von 8,20 Meter gilt in Lauenburg die zweite von vier Alarmstufen. Dazu hätte es leicht kommen können, wenn in diesem Tagen ein weiteres Naturphänomen die Schifferstadt getroffen hätte: eine Sturmflut, die das Wasser aus der Nordsee zurück in die Elbe drückt.
Dass sich ein solches Ereignis auch in Lauenburg bemerkbar macht, ist längst bewiesen. Am 22. Dezember vergangenen Jahres, also knapp zwei Wochen vor dem Höchststand des Winterhochwassers, sorgte das Sturmtief „Zoltan“ für eine schwere Sturmflut in Hamburg. Das Stauwehr in Geesthacht konnte nicht verhindern, dass in Lauenburg das Wasser schlagartig um einen halben Meter anstieg.
Küstengebiet auf der Elbe bis Artlenburg erweitert
Dieses Phänomen wurde von den zuständigen Behörden lange bestritten. Wäre der Tideeinfluss in Lauenburg offiziell anerkannt, würde das gesamte Hochwasserschutzprojekt in den Zuständigkeitsbereich des Landesamtes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) fallen. Aktuell ist das Land lediglich für die fachliche Beratung, die Bewilligung der Zuwendungen sowie die Genehmigung der Baumaßnahmen zuständig. Träger der Maßnahme, allerdings ohne Entscheidungskompetenz, ist der ehrenamtlich geführte Lauenburger Wasser- und Bodenverband.
Nun ist es ja nicht so, dass der Tideeinfluss außerhalb des Geesthachter Stauwehres in Kiel unbemerkt geblieben ist. Der aktuelle Änderungsentwurf für die „Landesverordnung über die Einrichtung des Landesamtes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz“ sieht vor, den Zuständigkeitsbereich des LKN stromaufwärts ab Wehr Geesthacht zu erweitern. Nach einer fachlichen Überprüfung der Sturmflut-Auswirkungen hatten sich die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf eine Begrenzung des Küstengebiets bei Artlenburg geeinigt.
Nur drei Elbkilometer weiter: Lauenburg fällt nicht in Zuständigkeit des Landes
Die Zuständigkeit des LKN erstreckt sich damit künftig bis zum Elbe-Kilometer 573 – Lauenburg liegt an Elbe-Kilometer 570. „Knapp vorbei ist auch daneben“, könnte man scherzen, würde dieser Änderungsentwurf der Verordnung Lauenburg nicht so folgenschwer benachteiligen. Die Stadt Lauenburg und der Gewässer und Landschaftsverband haben gegen den Änderungsentwurf der Verordnung bereits gleichlautenden Widerspruch eingereicht.
„Eine Überprüfung der Zuständigkeitsabgrenzung wird auch im Hinblick auf die Thematik eines Hochwasserschutzes für Lauenburg dringend empfohlen. Dieser sollte – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der bekannten Umsetzungsschwierigkeiten – künftig in der Zuständigkeit des Landes liegen. Insofern fordert die Stadt Lauenburg/Elbe die Ausweitung der vorgesehenen Zuständigkeitsänderung bis zur Einmündung des Elbe-Lübeck-Kanals bei Lauenburg/Elbe in Höhe des Elbkilometers 570“, heißt es darin.
19. Juli 2016: Oppositionspartei CDU stellt klare Forderungen an Landesregierung
Die Forderung, Lauenburg in das Küstenschutzprogramm von Schleswig-Holstein aufzunehmen, ist nicht neu. Vor acht Jahren hatte die Stadt Lauenburg die CDU-Landtagsfraktion an ihrer Seite. In einer Stellungnahme der Christdemokraten vom 19. Juli 2016 zu der damals vorgenommenen Änderung des Wassergesetzes heißt es über den Elbeabschnitt von Geesthacht bis Lauenburg: „Die Region hat den deutlichen Wunsch geäußert, diese Hochwasserschutzanlagen in die Landeshoheit zu übergeben, einschließlich Bau und Betrieb. Ein Wasser- und Bodenverband ist mit solch einer großen Aufgabe personell und finanziell schlicht überfordert.“
Die Landes-CDU, damals noch Oppositionspartei, brachte das Thema aus ihrer damaligen Sicht so auf den Punkt: „Wir fordern den Hochwasserschutz an der Elbe in Landeshoheit bis an die Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern.“
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2. Mai 2017: Künftiger Ministerpräsident Daniel Günther bekräftigt CDU-Forderung
Kurz vor seiner Amtsübernahme äußerte sich auch der heutige Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zu diesem Thema. In einem Schreiben an die Lauenburger Betroffenengemeinschaft Hochwasser vom 2. Mai 2017 heißt es: „Inzwischen belegen auch die mir übergebenen Pegelstände vom vergangenen Jahreswechsel einen eindeutigen Einfluss der Gezeiten auf das Elbhochwasser bei Hohnstorf. Meine Fraktion hatte zuletzt bei der Novelle des Landeswassergesetzes Mitte letzten Jahres die Forderung erhoben, den in Rede stehenden Elbeabschnitt in die Zuständigkeit des Landes zu übernehmen. Da ist es nur folgerichtig, auch jetzt zu der ,alten’ CDU-Forderung zu stehen. Ich kann Ihnen versichern, im Falle einer Regierungsbildung werde ich dieses Thema sofort auf die Agenda setzen.“
Wie drängend ein wirksamer Hochwasserschutz für Lauenburg ist, hat der Ministerpräsident Ende August dieses Jahres bei einem Besuch im Geesthachter Helmholtz-Zentrum Hereon erfahren. Daniel Günther informierte sich vor Ort über wissenschaftliche Erkenntnisse über die Zunahme von Extremwetterlagen. Nach Aussage der Experten werden extreme Unwetter wird es in Zukunft nicht nur häufiger kommen, sie werden auch heftiger ausfallen. Betroffen werde davon vor allem Lauenburg sein, wenn Starkregen die Elbe flussabwärts füllt und von der Nordsee Wassermassen gleichzeitig in die Elbe gedrückt würden.