Geesthacht. Das Telefon klingelt, Werner Gelhar von Dat Teehus geht ran. Und befindet sich urplötzlich in einer politisch hochbrisanten Geschichte.

„Ich wurde angerufen – und das sogar fünfmal nacheinander“, erzählt Werner Gelhar. Dieser dringende Gesprächsbedarf eines unbekannten Anrufers führte den Inhaber von Dat Teehus in Geesthacht schließlich direkt nach Berlin – mitten hinein ins Bundesinnenministerium und zu einem Treffen mit Innenministerin Nancy Faeser.

Werner Gelhar war einer von 120 bundesweit zufällig ausgewählten Teilnehmern, um als ehrenamtlicher Bürgerrat ein Maßnahmenpaket gegen „Fake News“ zu erarbeiten und der SPD-Politikerin als krönender Abschluss persönlich zu überreichen. Diese Anfrage – sie hätte eigentlich fast jeden mit Telefonanschluss erreichen können. Bei Werner Gelhar ging der Anruf des Meinungsforschungsinstitutes ein, weil er dort registriert ist.

Ein Telefonanruf führte für Werner Gelhar ins Bundesinnenministerium

Das Projekt „Forum gegen Fakes – Gemeinsam für eine starke Demokratie“ wurde von der Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen. Demokratien gerieten durch Desinformation immer stärker unter Druck, heißt es zum Hintergrund. Kooperationspartner sind das Bundesinnenministerium, die Stiftung Mercator und der Michael Otto Foundation for Sustainability.

Ziel ist, eine öffentliche Debatte über Desinformation anzustoßen, dafür zu sensibilisieren „und durch neue und innovative Bürgerbeteiligungsformate demokratischen Dialog zu befördern“. „Ich wurde kurz nach meiner Medienaffinität gefragt“, berichtet Werner Gelhar. Die Auserkorenen sollten thematisch eher Laien sein, wichtiger war, die Gesellschaft aussagekräftig abzubilden. „Wir kamen aus allen Schichten, allen Altersgruppen und allen Winkel der Bundesrepublik“, erzählt Werner Gelhar.

Öffentliche Debatte über Desinformation anstoßen

Beim Bürgerforum gegen Fake-News nahm Werner Gelhar aus Geesthacht teil
Beim Bürgerforum gegen Fake News diskutiert Werner Gelhar (ganz rechts) mit anderen Teilnehmern. © Sebastian Pfütze | Sebastian Pfütze

Angesetzt waren drei Online-Konferenzen zu je sieben Stunden plus zwei Wochenendtagungen über drei Tage in Präsenz unter Leitung von Medienprofis, Vertreter der sozialen Netzwerke standen Rede und Antwort. Erst auf dem letzten Arbeitstreffen im Kronprinzenpalais Unter den Linden in Berlin wurde offiziell gemacht, wen die Teilnehmer zum Abschluss treffen sollten: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) höchstpersönlich.

Auch Werner Gelhar hatte sein persönliches Fake-News-Erlebnis, wenngleich auf völlig unpolitischer Basis. „Ich habe vor Kurzem gelesen, Francis Rossi ist gestorben“, berichtet er. Dann die Erleichterung für den Fan der Rockgruppe Status Quo. Das stimmte gar nicht, der Sänger sei nur für eine Behandlung im Krankenhaus gewesen, klärt Werner Gelhar auf.

Die Top drei beim Verbreiten von Fake-News

Falschnachrichten werden meist gezielt erstellt, um die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dahinter können handfeste politische Interessen ausländischer Mächte stecken. „Platz drei beim gezielten Verbreiten von Fake News: China. Platz zwei: Iran. Platz eins: Russland“, sagt Werner Gelhar. So hat er es von den Internet- und Medienexperten bei den Seminaren gelernt.

„In Baden-Württemberg gab es mal ein Grillfest in einer Einrichtung für Menschen mit Migrationshintergrund. Das ist dann aus den Fugen geraten“, berichtet Werner Gelhar. „Aufgrund eines Missgeschicks fing erst der Gasgrill an zu brennen, das Feuer griff auf ein Gebäude über, am Ende kam die Feuerwehr, und alle waren am Löschen“, erzählt er.

Fake: In Deutschland würden Asylanten verbrannt

„Diese Nachricht schaffte es wie auch immer um die halbe Welt. In Russland wurde dann daraus gemacht, wir würden unsere Asylanten verbrennen. Das kam über die sozialen Netzwerke auf Deutsch zu uns zurück. Die das gelesen haben, liefen dann da draußen herum und trugen es weiter“, klagt Werner Gelhar. Er bedauert, dass gerade viele Jugendliche sich unkritisch von Influencern beeinflussen ließen und es vielen mittlerweile egal sei, aus welcher Quelle eine Nachricht eigentlich stamme.

So ist eines der dringlichsten Anliegen des Bürgerrates die Stärkung der Medienkompetenz in der Bevölkerung. Vorgeschlagen wird, sie für alle Schulformen als Pflichtmodul im Lehramtsstudium aufzunehmen. Und: Die Betreiber von Social-Media-Plattformen sollten stärker in die Pflicht genommen werden, um Maßnahmen gegen Desinformationen zu ergreifen.

Lauter Wachleute in John-Wayne-Stellung

So wird empfohlen, die Rückverfolgbarkeit von Quellen in Online-Artikeln und Social-Media-Posts zu verbessern sowie KI-Inhalte deutlicher zu kennzeichnen. Zudem wird die Schaffung einer Anlaufstelle zur Meldung, Prüfung und Richtigstellung von Desinformation angestrebt – mit Beratungsfunktion für Bürger sowie Journalisten.

„Sie ist wohl die bestbewachte Ministerin überhaupt in Deutschland“, schätzt Werner Gelhar, der sich auf dem Weg zu Nancy Faeser an Wachleute „in John-Wayne-Haltung“ erinnert. „Um 10.45 Uhr waren wir alle da und benötigten dann insgesamt 1,5 Stunden, um alle zusammen durch die Sicherheitsschleusen zu kommen.“ Dann ging es weiter durch drei graue Hinterhöfe mit schlanken hohen Fenstern drumherum zum Ziel mit den nächsten Sicherheitsleuten.

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Empfehlungen werden ausgewertet und geprüft

„Dann kam Frau Faeser hinein. Im Forum habe ich sie als sehr offenen Menschen kennengelernt“, sagt Werner Gelhar. „Ich hoffe, dass sie damit was anfangen kann“, meint er zum überreichten Papier. Insgesamt sind in dem Bürgergutachten 15 Empfehlungen mit 28 konkreten Maßnahmen gelistet. Sie richten sich an die Politik, Medien, Wirtschaft, Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen.

„Wir werden die Empfehlungen jetzt auswerten und prüfen, inwieweit sie in die weitere Arbeit des BMI in diesem Themenfeld einfließen können“, meint das Ministerium. Informationen zum Projekt auf www.forum-gegen-fakes.de.

Beim Bürgerforum gegen Fake-News nahm Werner Gelhar aus Geesthacht teil
Innenministerin Nancy Faeser (Mitte) bekam in Berlin das empfohlene Maßnahmenpaket des Bürgerrates überreicht. © Sebastian Pfütze | Sebastian Pfütze