Lauenburg. Die Anmeldezahlen gehen derzeit durch die Decke. Warum plötzlich besonders viele Erwachsene die Stadtbücherei für sich entdecken

Neu gewählte Politiker haben gewöhnlich 100 Tage „Schonfrist“, bis ihnen Journalisten erstmals auf den Zahn fühlen. Bis dahin, so sagt man, sollten sie sich in ihr Amt eingewöhnt und vielleicht schon erste Zeichen gesetzt haben. Die Lauenburger Stadtbücherei hat jetzt rund 100 Ausleihtage im neuen Medienzentrum Stappenbeck hinter sich – Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen.

Es ist seit eh und je so: Büchereien werden in erster Linie nach Zahlen bewertet. Doch die sprechen in diesem Fall für sich. „Seit unserem Eröffnungstag am 19. März hatten wir 313 Neuanmeldungen. Darauf sind wir sehr stolz, denn das muss man im Vergleich sehen. 2023 waren es im gesamten Jahr 462 Neuanmeldungen“, sagt die Leiterin Uta Silderhuis. Und weil sie schon mal bei den Zahlen ist: Seit der Eröffnung hätten schon über 39.000 Menschen die neue Lauenburger Stadtbücherei besucht, in der man viel mehr als lesen kann, unter anderem fit werden beim Fliegen.

Medienzentrum Stappenbeck Lauenburg: Ansturm auf neue Bibliothek

Als die Bücherei ihr Domizil noch in der Weingartenschule hatte, waren es vor allem Kinder, die nach dem Unterricht in den Regalen nach spannenden Beschäftigungsmöglichkeiten stöberten. „Am neuen Standort sind es auffallend viele Erwachsene, die sich eine Benutzerkarte holen“, hat die Büchereichefin festgestellt. Woran das liegt? „Wir werden hier wohl weniger als Schulbücherei, sondern mehr als Stadtbücherei wahrgenommen“, vermutet sie.

Ein Blick in den Festsaal des Stappenbeck Anfang der 1960er-Jahre. Die charakteristischen Säulen und die Deckenstruktur blieben beim Umbau erhalten.
Ein Blick in den Festsaal des Stappenbeck Anfang der 1960er-Jahre. Die charakteristischen Säulen und die Deckenstruktur blieben beim Umbau erhalten. © Stadtarchiv | Stadtarchiv

Es gebe allerdings noch einen anderen Grund, weshalb vor allem alteingesessene Lauenburger ihre Nase in die neue Bücherei stecken. „Wir hören immer wieder spannende Geschichten von legendären Festen im früheren Stappenbeck. Viele sind neugierig, was von dem großen Festsaal geblieben ist“, erzählt Uta Silderhuis. Auch wenn sich der optisch und auch funktional total verändert hat, wichtige Elemente wurden beim Umbau bewahrt. Die Deckenstruktur blieb erhalten, ebenso die charakteristischen Balken. Die neuen Fenster sind den originalen nachempfunden. 

Medienzentrum Lauenburg: Stadtbücherei mit breitem medialen Angebot

Neben der Neugier sind es aber vor allem die Angebote, die die Besucher unter die Lupe nehmen wollen. Zwar spielen Bücher aller Genres immer noch die Hauptrolle im Bestand, doch Büchereien, die auf der Höhe der Zeit sind, bieten heute fast alles, was auf dem Medienmarkt zu finden ist. 

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Neben Internetarbeitsplätzen und E-Books gibt es unter anderem iPad-Koffer, 3D-Drucker, eine Gaming-Lounge, Mini-Roboter und die Actionbounds, mit denen Erlebnis-Rallyes veranstaltet werden können. Inzwischen komplettiert ein dritter multimedialer Sonic-Chair das Angebot. Besonders beliebt: der Flugsimulator Icaros. Das ist ein Fitnessgerät, bei dem der Nutzer eine VR-Brille trägt. Seitdem kann man in der Lauenburger Bücherei sogar fliegen.

Stammbesucher Jürgen Rißmann  beim Lesen der Lauenburgischen Landeszeitung in einer ruhigen Ecke.
Stammbesucher Jürgen Rißmann beim Lesen der Lauenburgischen Landeszeitung in einer ruhigen Ecke.

Es gibt aber auch noch Büchereibesucher, die suchen sich zwischen den Regalen ein stilles Plätzchen, um ganz dort ganz gemütlich zu schmökern. Stammbesucher Jürgen Rißmann gehört dazu. Sein Steckenpferd sind Romanverfilmungen. Bevor er schaut, was er an Neuerscheinungen mit nach Hause nehmen kann, schnappt er sich die Lauenburgische Landeszeitung – ein Ritual bei jedem seiner Büchereibesuche.

Interessierte Kollegen aus anderen Büchereien

Seit der Neueröffnung haben sich aber auch immer mehr Kollegen aus anderen Büchereien bei Uta Silderhuis und ihrem Team gemeldet und um eine Führung gebeten. Schließlich sei die Neugier der Fachleute groß, wie sich der Bestand in den umgebauten Tanzsaal einfügen würde. „Die meisten Kollegen sind positiv überrascht. Andere machen Vorschläge, die eine oder andere Kleinigkeit zu verbessern“, sagt die Büchereileiterin. Besonders interessant: Wie ergänzen sich Bücherei, Stadtarchiv und Stadtcafé unter dem Dach des neuen Medienzentrums.

Uta Silderhuis (l.) im Gespräch mit Kundin Ursula Carstens-Lühr, einer ehemaligen Kollegin aus der Geesthachter Stadtbücherei.
Uta Silderhuis (l.) im Gespräch mit Kundin Ursula Carstens-Lühr, einer ehemaligen Kollegin aus der Geesthachter Stadtbücherei. © Elke Richel | Elke Richel

Was immer wieder für Nachfragen sorgt: Kunden, die mindestens 18 Jahre sind, können vor und nach den Öffnungszeiten sowie am Wochenende in aller Ruhe stöbern. Jeweils von 7 Uhr morgens bis 21 Uhr abends, am Wochenende bis 20 Uhr, haben sie dazu Gelegenheit. Voraussetzung ist es, dass die Benutzerkarte für diesen Service freigeschaltet wird. Wochentags öffnen sich die Türen jeweils um 10 Uhr. Montags, mittwochs und freitags schließen sie um 14 Uhr, dienstags und donnerstags ist bis 18 Uhr geöffnet. Sonnabends ist von 9 bis 12 Uhr Gelegenheit, die Bücherei an der Alten Wache 8 zu besuchen.

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Lauenburger Bücherei beteiligt sich an europäischer Publikumsstudie

Das Konzept der „Open Library“ wird in Lauenburg rege genutzt. Fast 1500 Besucher haben seit der Eröffnung die dann geschaltete Zugangskontrolle passiert. „Wir haben bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht und konnten so auch Skeptiker überzeugen“, sagt die Leiterin. Andere Büchereien der Region wollen jetzt nachziehen.

Das Feedback der Kollegen ist das eine, die ehrliche Meinung der Kunden das andere. Als eine von drei Büchereien in Schleswig-Holstein nimmt das Lauenburger Büchereiteam an einer internationalen Publikumsstudie teil, die von mehreren europäischen Bibliotheksverbänden ins Leben gerufen wurde. Abgefragt werden unter anderem Nutzergewohnheiten, eine Einschätzung der Servicequalität und Verbesserungsvorschläge. Die Umfrage läuft noch bis zum 31. Oktober dieses Jahres. Einen Link zu dem Fragebogen gibt es auf der Seite www.lauenburg.de unter der Rubrik „Publikumsstudie für Bibliotheken“.