Lauenburg. Ist die Influencerin wirklich so schlank? Stimmt dieser Beitrag? Schwer, sich in der Medienflut zu orientieren. Eine Initiative hilft.
„Fake-News? Erkenne ich sofort!“ Da sind sich die meisten Teilnehmer des Newscamps in der Albinus-Gemeinschaftsschule Lauenburg ganz sicher. Und tatsächlich: Als Marielies Schuldt aus der Lauenburger Stadtbücherei ein paar Beispiele präsentiert, beweisen die Schüler ein gutes Gespür dafür, welche Nachrichten echt und welche der Fantasie des Verfassers entsprungen sind. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Im Rollenspiel werden die Schüler zu Mitarbeitern einer Detektei, die im Auftrag eines Zeitungsverlages ein zweifelhaftes Newsportal unter die Lupe nehmen.
Fast jeder der 15- bis 17-Jährigen gibt zu, oft nicht sicher zu sein, welchen Informationen man heutzutage trauen kann und welchen nicht. Die Medieninitiative UseTheNews – zu der auch die Funke Mediengruppe gehört – hat es sich auf die Fahne geschrieben, Jugendliche und junge Erwachsenen für den sicheren Umgang mit Nachrichten zu sensibilisieren. Ziel ist es, auf die Gefahren der Desinformation aufmerksam zu machen und für die Nutzung vertrauenswürdiger Nachrichtenangebote zu werben.
Gedruckte Zeitung? – „Die liegt auf dem Tisch von Oma“
Doch das ist gar nicht so einfach. Die gedruckte Zeitung liegt heute höchstens noch bei Oma auf dem Wohnzimmertisch. Lineares Fernsehen ist derzeit nur so lange noch interessant, wie die Fußball-EM läuft. Was sich bei dem Newscamp am Dienstag aber auch noch herausstellt: Das Vorurteil, Jugendliche würden sich grundsätzlich nicht für politische Tagesereignisse interessieren, ist falsch. Nur sind die Möglichkeiten, sich zu informieren, auf der einen Seite schier unendlich, auf der anderen Seite wenig nachprüfbar.
Was vor ein paar Jahren noch Facebook und Instagram waren, sind heute TikTok und Snapchat. Die Social-Media-Plattformen, die für Jugendliche interessant sind, wechseln schneller, als die meisten Erwachsenen sich das vorstellen können. „Das stellt uns Pädagogen vor die Aufgabe, am Ball zu bleiben“, sagt Schulleiter Björn Buttler. Er und sein Team mussten daher nicht lange überlegen, die Angebote der Initiative UseTheNews zu nutzen. Neben den Newscamps für die Schüler gibt es Fortbildungen für Pädagogen und Eltern.
Liveschalte in die Redaktionskonferenz
Ist das Fernsehen wirklich aus der Zeit gefallen? Für die meisten Jugendlichen schon. Doch manchmal ist es ganz gut, hinter die Kulissen zu schauen. RTL-Reporterin Dania Maria Hohn ist mit Volontärin Michelle Seidel und einem Kamerateam nach Lauenburg gekommen. Eine Live-Schalte in die Redaktionskonferenz – und die Lauenburger Jugendlichen mittendrin. Sie erleben, wie die Journalisten Themen besprechen, Recherchewege abklopfen und sich über die entsprechenden Ansprechpartner einigen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Journalisten einen solchen Aufwand betreiben, ehe sie die Informationen an die Zuschauer weitergeben“, staunt Selvana Abdo (16). „In den sozialen Netzwerken kann doch jeder schreiben, was er will“, sagt ihre Klassenkameradin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Erst heute früh habe ihr ihre Mutter gezeigt, was in einer Lauenburger Facebook-Gruppe wieder abgehe. „Es wurde über die bevorstehende Schließung eines Pflegeheims diskutiert. Und jemand hat plötzlich behauptet, da kämen Flüchtlinge rein. Viele haben Wut-Emojis gesendet, bis sich herausstellte, dass dies gar nicht stimmt. Aber die meisten haben es erstmal geglaubt“, erzählt sie.
Gefakte Schönheit – Was Fotofilter anrichten können
„Wir versuchen, den Schülern das Handwerkszeug zu vermitteln, wie man Fakenews entlarven kann“, sagt Sven Peter, der an der Albinus-Gemeinschaftsschule Wirtschaft und Politik unterrichtet. Quelle prüfen, Ziele hinterfragen, Widersprüche aufdecken – theoretisch eigentlich klar.
„Viele Fakes lassen sich einfach nicht leicht erkennen. Die meisten Influencer legen Filter über ihre Bilder und sehen wie Supermodels aus. Aber ich kenne Mädchen, die hungern und kaufen sich Klamotten, die sie sich eigentlich nicht leisten können. Nur damit sie genauso aussehen“, erzählt die 14-jährige Fatemeh Fathi. Sie selbst will sich von solchen Fakes nicht verrückt machen lassen. „Darüber kann ich nur lachen“, sagt sie.
Als Nachwuchsreporter auf „Straßenumfrage“
„Wie kommen die Nachrichten in die Welt?“ So ist ein weiteres Thema des Newscamps überschrieben. Bevor Fernsehreporterin Dania Maria Hohn darauf Antworten gibt, brennt ihr selbst eine Frage auf den Nägeln: „Wie lange bleibt ihr an einem Beitrag im Fernsehen oder einem Online-Artikel hängen?“, will sie wissen. Die Antwort der Schüler ist eindeutig: höchstens fünf Sekunden. Wenn die Überschrift interessant sei, auch schon mal länger. „Interessante Überschrift, aber nicht reißerisch“, halten sie schließlich auf ihrem Tablet fest.
Dann wird es spannend: Die Fernsehleute haben Mikrofon und Minikamera mitgebracht, echtes Werkzeug der Fernsehjournalisten heutzutage. Wie kommt man an interessante Informationen? Schnell sind die Rollen für die Straßeninterviews verteilt: Reporter, Passanten und Menschen hinter den Kameras. Die Themen sind auch schnell gefunden: „Was halten Sie vom Ausgang des EM-Spiels Deutschland gegen Spanien?“ Oder: „Wie bewerten Sie den Ausgang der Europawahlen?“ Oder: „Wer wird der nächste US-Präsident“?
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TikTok, Snapchat und Co. – Zukunft des Lokaljournalismus?
Die richtigen Fragen stellen, beim Thema bleiben und sich nicht abwimmeln lassen – Volontärin Michelle Seidel gibt die entscheidenden Tipps. „Alles im Kasten“, heißt es schließlich. In einer Feedback-Runde gibt es anschließend viel Lob und ein bisschen Kritik. Wie im richtigen Redaktionsalltag, zumindest fast.
Auffallend während des gesamten Tages: Die Schüler zücken nicht einmal ihr eigenes Handy, sondern bleiben konzentriert bei der Sache. Den Lokalredakteuren geben sie auch noch eine Bitte mit auf den Weg. „Klar wollen wir wissen, was in unserer Stadt passiert. Vor allem, wenn es uns Jugendliche betrifft. Aber davon lese ich nichts bei TikTok oder Snapchat. Das ist schade“, meint die 15-jährige Setara Sidiqi.