Lauenburg. In allen gängigen Immobilienportalen wird ein neuer Eigentümer für das markante Gebäude in Lauenburg gesucht. Was es so besonders macht.

„Es ist das großartigste aller älteren Häuser in Lauenburg und müsste von Rechts wegen das Wahrzeichen der Stadt sein.“ Nein, das ist keine Floskel aus dem Exposé eines Immobilienmaklers, sondern stammt aus der Feder von Wilhelm Hadeler. Der Lauenburger Heimatforscher hatte im Jahre 1929 gleich einen ganzen Aufsatz dem markanten Gebäude an der Elbstraße 111 gewidmet.

Derzeit wird das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in allen gängigen Immobilienportalen zum Kauf angeboten. Für den stolzen Preis von fast 1,5 Millionen Euro könnte es den Eigentümer wechseln. Mit Baujahr 1811 ist es bei Weitem nicht das älteste Gebäude in der Lauenburger Altstadt, aber wohl das mit der spannendsten Historie.

Immobilien: Denkmalgeschütztes Lauenburger Haus mit bewegter Geschichte zu kaufen

Eigentlich muss man die Geschichte damit beginnen, dass es an der Stelle, an der das ehemalige Kaufmannshaus steht, es zuvor drei Gebäude gegeben hatte. Die waren nicht etwa Kriegshandlungen oder Neubauplänen zum Opfer gefallen, sondern dem schon zu allen Zeiten unberechenbaren Elbhang.

Das prägnaneste Haus der Lauenburger Altstadt (Elbstraße 111) steht zum Verkauf. Es hat eine bewegende Geschichte.
Das prägnaneste Haus der Lauenburger Altstadt (Elbstraße 111) steht zum Verkauf. Es hat eine bewegende Geschichte. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Im Jahre 1777 beschädigen vom Schlossberg stürzende Erdmassen die Gebäude schwer. Kaum wieder hergerichtet, rutscht der Hang sechs Jahre später erneut ab, diesmal mit fatalen Folgen. Aus alten Dokumenten geht hervor, dass der abrutschende Hang den „Kuhstall vernichtet und der Schweinestall zu einem Klumpen“ zusammengeschoben wird. Die drei Gebäude sind nicht mehr zu retten.

Das Jahr 1803: Lauenburger Kaufmann paktiert mit französischen Besatzern

Wir schreiben das Jahr 1803. Die Franzosen besetzen den Norden Deutschlands und auch die Stadt Lauenburg. Die Bevölkerung der Schifferstadt leidet unter den Besatzern. Kriegsanleihen, hohe Steuern und nicht zuletzt erzwungene Einquartierungen von Soldaten in den ohnehin kleinen Häusern machen den Lauenburgern das Leben schwer.

Aber es gibt auch Menschen, die verdienen sich eine goldene Nase an den Franzosen, indem sie mit Ihnen gemeinsame Sache machen. Der Kaufmann Johann Heinrich Gottfried Hillinger ist so einer. Er verschifft für die Besatzer Eisen über den Stecknitzkanal und verdient so gut daran, dass er sich 1811 mit dem großen Winkelhaus an der Elbstraße 111 selbst ein Denkmal setzt.

Das Jahr 1811: Eine eigene Wasserquelle im Haus – höchster Luxus in dieser Zeit

Als er 1825 stirbt, hinterlässt er seinen beiden Söhnen nicht nur ein gut gehendes Geschäft, sondern ein Vermögen in Höhe von 66.000 Talern. Das ist etwa so viel, wie alle Bewohner der Stadt zusammen während der Franzosenzeit verloren hatten. Niedergeschrieben hat das der Historiker Dr. Wichmann von Meding in seinem Buch „Stadt ohne Land am Fluss“

Historische Aufnahme des Hauses Elbstraße 111 aus dem Jahre 1929 von Wilhelm Hadeler.
Historische Aufnahme des Hauses Elbstraße 111 aus dem Jahre 1929 von Wilhelm Hadeler. © Heimatbund und Geschichtsverein | Heimatbund und Geschichtsverein

Aber zurück zu dem Gebäude selbst. Wer das Glück hat, einen Blick in das Fachwerkhaus zu werfen, dem wird im großzügigen Eingangsbereich der Brunnen auffallen. Heute ist dieser zwar nur noch Schmuckwerk, aber Anfang des 19. Jahrhunderts gilt es als ziemlich fortschrittlich, innerhalb des Hauses eine eigene Wasserstelle zu haben.

Das Jahr 1828: Lauenburger vergessen Pakt mit den Franzosen nicht

Andere Lauenburger bedienen sich an Wasserquellen, die aus heutiger Sicht als nicht sehr hygienisch zu bezeichnen sind: „Noch 1887 entnahm Hotelier Krafft sein ganzes Wasser aus dem Vorwerksteich. Kann das je als fortschrittlich gegolten haben?“, fragt von Meding in seinem Buch.

Der ehemalige Brunnen im Eingangsbereich des Hauses hat heute nur noch dekorativen Charakter.
Der ehemalige Brunnen im Eingangsbereich des Hauses hat heute nur noch dekorativen Charakter. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Ewig kann sich die Kaufmannsfamilie Hillinger jedoch nicht an ihrem Reichtum und Luxusleben erfreuen. Vergessen haben die Lauenburger den Verrat nämlich nicht. Drei Jahre nach dem Tod des Vaters im Jahre 1828 müssen die Söhne Konkurs anmelden. Von Meding schreibt: „Alte Akten deuten an, dass das Geschäft wegen Paktierens mit den Besatzern boykottiert wurde.“ Nach 22 Jahren im Besitz der Familie Hillinger erwirbt im Jahre 1833 der Kaufmann Ludwig Vogel das Gebäude.

Seitdem wird das verwinkelte Fachwerkhaus an der Elbstraße 111 innerhalb der Familien Vogel und Jagow von Generation zu Generation weitervererbt. Gravierende Veränderungen an der Bausubstanz gab es lange Zeit nicht. Eine entscheidende Wende der Hausgeschichte ergibt sich im Jahre 1937. Die neue Besitzerin Suse Jagow (geb. Vogel) wandelt das große Gebäude in ein Mietshaus mit sechs Wohnungen um.

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Im Jahre 1989 erbt Marianne Jagow das historische Gebäude. Sie lässt 1990 das Fachwerkhaus einschließlich der Fassade mithilfe von Städtebaufördermitteln sanieren. Seitdem ist das prägnante Winkelhaus gegenüber dem Rufer-Platz bei Touristen eines der beliebtesten Fotomotive. Wobei schon Wilhelm Hadeler vor 95 Jahren wusste: „Das Haus ist wegen der Enge der Elbstraße nicht gut im Lichtbilde wiederzugeben.“

Das Jahr 1990: Sanierung des Hauses, gefördert durch Städtebaumittel

„Fachwerkhaus mit Charme und Elbblick am Ruferplatz“ – so ist das Verkaufsexposé für das markante Gebäude an der Elbstraße 111 überschrieben. „Denkmalgeschützt“ sollte man vielleicht noch hinzufügen, was den neuen Eigentümern keinen unbegrenzten Spielraum lässt. Als „Klassizistischer Fachwerkbau mit Brunnen“ ist das Gebäude in die Denkmalliste des Landes eingetragen.