Geesthacht. Anders als der Held aus dem Sherwood Forest hat Wilddieb Hans Eidig wirklich gelebt. Heimatbund wandelt bei Radtour auf seinen Spuren.
Die Geschichte von Robin Hood, dem Rächer aus dem Sherwood Forest, der die Reichen bestiehlt und die Armen beschenkt, kennt so ziemlich jeder. Allerdings ist es auch nicht mehr als das: eine Sage. Belege dafür, dass ein echter Robin Hood existierte, gibt es nicht. Erwiesen ist dafür, dass am Anfang des 19. Jahrhunderts im Norden Deutschlands ein Wilddieb gelebt hat, der den Attributen ziemlich nahe kommt, die seinem englischen Pendant zugeschrieben werden. Die Rede ist von Hans Eidig, dem der Heimatbund und Geschichtsverein am Sonnabend, 21. September, eine Radtour widmet.
„Mit dem Fahrrad auf den Spuren des legendären Wilddiebes“ heißt der Ausflug, bei dem Vorsitzende Helmut Knust mit den Teilnehmern historisch belegte Stationen in Eidigs Leben besucht. Dazu gehören etwa das inzwischen leer stehende Traditionslokal Grüner Jäger an der heutigen B5 und einige Dörfer der Umgebung. „Der Grüne Jäger war die größte Räuberhöhle“, sagt Knust.
Wilddieb Hans Eidig: Was der Robin Hood des Nordens in Geesthacht trieb
Während Eidig im Sachsenwald sein Unwesen trieb, nutzte er Geesthacht als Rückzugsort und Umschlagsplatz für das erlegte Wild. „Unter der armen Landbevölkerung genoss er hohes Ansehen“, weiß Helmut Knust. Mehrfach gewährten ihm Bauern auf seiner Flucht Unterschlupf. Und manchmal wohl auch mehr als das, wie ein Eintrag in einem alten Kirchenbuch der Geesthachter St.-Salvatoris-Kirche beweist: Eidig hatte in Geesthacht ein uneheliches Kind.
In neunten Eintrag des Taufregisters aus dem Jahr 1834 heißt es: „Johann Franz Friedrich Eidig, außer der Ehe gebohren den 5ten Februar, getauft den 12. Februar. Vater: Johann Franz Eidig aus Amt Harburg. Mutter: Anna Elisabeth Brandt. Taufzeugen: 1. Johann Burmester aus Bergedorf. 2. Johann Nicolaus Kock aus Worth. 3. Anna Margaretha Brandt.“
Hans Eidig verkaufte das Fleisch günstig an Bauern
Eigentlich hieß der 1804 geborene Wilddieb zwar Johann Christoph mit Vornamen, gab sich aber später oft als Johann Franz Eidig aus oder verwendete den Decknamen Franz Meyer. Nach der Ausbildung bei einem Forstmeister wurde er auf Gut Borstel bei Winsen als Jäger angestellt. Damals war die Jagd nur dem Adel vorbehalten, der sich aber nicht um eine Eindämmung des Bestandes kümmerte.
Folge: Das Wild richtete auf Feldern und Äckern von Bauern erheblichen Schaden an, für die die Landbevölkerung nicht entschädigt wurde. Ob Eidig aus Ärger darüber zum Wildschützen wurde, ist nicht belegt. Jedenfalls kamen seine Taten bei der Landbevölkerung gut an. Der als guter Schütze geltende Mann verkaufte das Fleisch günstig an die Bauern und besserte so seinen Lebensunterhalt auf.
1834 wurde er für vogelfrei erklärt
Das blieb nicht unbemerkt. Nachdem er südlich der Elbe von zu vielen Gendarmen gejagt wurde, wich er auf die andere Elbseite aus und machte sich dabei die damaligen politischen Verhältnisse zunutze. Denn während der Sachsenwald damals zu Dänemark gehörte, war Geesthacht hamburgisch. Selbst wenn er doch mal verhaftet wurde, schaffte er es immer wieder, zu entkommen.
Ab 1834, dem Geburtsjahr des unehelichen Kindes, wurde Eidig steckbrieflich gesucht und wie die Sagengestalt Robin Hood für vogelfrei erklärt. Mit den Regierungen von Hannover und Dänemark einigte er sich schließlich auf einen Deal. Für je 100 Taler erklärte er sich bereit, mit seiner Frau Katharina Margaretha in die USA auszuwandern. Zuvor feierte er der Überlieferung nach ein großes Abschiedsfest, bei dem auch die 1835 entstandene Zeichnung von Otto Speckter entstanden sein soll.
„Eidig ist unser moderner Robin Hood“
Doch schon 1836 oder 1837 ist er in New York gewaltsam ums Leben gekommen. Die genauen Hintergründe sind nicht geklärt. Seine Frau kehrte jedenfalls im April 1837 mit dem in den USA geborenen Sohn Franz Werner nach Hamburg zurück. Was aus dem unehelichen Geesthachter Kind wurde, ist nicht überliefert. „Ein nachträglicher Eintrag im Taufregister deutet auf einen frühen Tod hin“, sagt Signe Schuster, die die Kirchenbücher von St. Salvatoris betreut.
Überliefert sind jedoch auch bei Hans Eidig allerlei Sagen. „Man hat ihm vieles angedichtet: So soll er jemandem mal einen Knopf weggeschossen haben“, weiß Helmut Knust. Über Eidig wurden Gedichte und Lieder geschrieben. Es gab Tassen und Pfeifenköpfe mit seinem Konterfei, das selbst einen Notgeldschein aus den 1920er-Jahren zierte. „Das Speckter-Bild von unserem modernen Robin Hood hing auch in fast allen Gaststätten der Umgebung“, ergänzt Knust.
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Für die Radtour mit dem Heimatbund und Geschichtsverein ist eine Anmeldung in der Geesthachter Tourist-Info unter der Nummer 04152/13 14 00 notwendig. Die Tour beginnt am 21. September um 11 Uhr auf dem Parkplatz vom Waldfriedhof. Die Rückkehr ist gegen 16 Uhr vorgesehen (Proviant mitbringen). Wer noch mehr erfahren möchte: J. F. Heinrich Müller hat ein Buch geschrieben. Es trägt den Titel „Hans Eidig – Der Wildschütz“.