Schwarzenbek. Sehr viele Menschen in der Stadt haben ein Handicap. Mit etwas Verspätung soll nun ein Aktionsplan aufstellt werden. Aber reicht das?
Von den 17.500 Menschen in Schwarzenbek haben 3200 in irgendeiner Form eine Behinderung. Diese Zahl hat der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte Klaus Gawlik den Politikern schon vor Jahren präsentiert und für eine bessere Inklusion gekämpft. Bislang mit mäßigem Erfolg. Aber nun kommt Bewegung in den Prozess, und die Stadt stellt gemeinsam mit vielen Akteuren aus dem öffentlichen Leben einen Aktionsplan Inklusion auf. SPD-Fraktionschef Rüdiger Jekubik ist nach der Auftaktveranstaltung sogar davon überzeugt, dass die Stadt ein Inklusionsbüro mit hauptamtlicher Führung benötigt, um diese Mammutaufgabe zu koordinieren.
Es fehlen Jobs und Wohnungen für Menschen mit Behinderungen
Denn es fehlen Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen, es gibt nicht ausreichend barrierearme Wohnungen, und auch der ÖPNV weist zumindest an den Haltestellen der Stadtbusse noch einige Stolpersteine auf, weil die Stationen bislang nur Provisorien sind. „Ein großes Problem sind aber auch im Bildungssystem die Übergänge von der Kita in die Grundschule und dann in die weiterführende Schule und später in die Ausbildung, wie mir Eltern von Kindern mit Behinderungen gespiegelt haben“, sagt Rüdiger Jekubik.
Anläufe und Ideen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder, die Situation der Menschen mit Behinderungen in der Europastadt zu verbessern. Sowohl der Seniorenbeirat als auch der Behindertenbeauftragte hat immer wieder in Kooperation mit dem Bauhof Stolperfallen beseitigt, die Schwarzenbeker Werkstätten und die Louisenhof gGmbH schaffen Arbeitsplätze und Wohnraum für Menschen mit Behinderungen. Aber der große Wurf blieb aus.
Die Idee für ein Inklusionsbüro ist nicht neu - aber im ersten Anlauf gescheitert
Denn Klaus Gawlik hatte gemeinsam mit mehreren Vereinen, Beratungsstellen und Inklusionsexperten bereits vor mehreren Jahren die Idee, ein Inklusionsbüro in der Stadt einzurichten. Eine kostengünstige Immobilie mit barrierefreiem Zugang an der Seestern-Pauly-Straße stand zur Verfügung, die Politiker konnten sich aber nicht dazu durchringen, die Mietkosten zu tragen. Damit war das Projekt tot.
„Wir haben als SPD im Jahr 2019 bereits eine Initiative für einen Inklusionsplan gestartet, weil wir auch über viele Jahre einen Rollstuhlfahrer in der Fraktion hatten. Deshalb sind uns die Probleme, die Menschen mit Behinderungen haben, immer wieder bewusst geworden. Das ging schon mit der Barrierefreiheit der Sitzungsräume los. Aber dann haben wir über Corona das Thema aus den Augen verloren“, sagte Rüdiger Jekubik.
Der Leistungsgedanke macht die Jobsucher für Menschen mit Behinderung schwer
„Wir wollen das wichtige Thema in das Bewusstsein der Gesellschaft rücken. Menschen werden ausgegrenzt, das gehört auf die Agenda. Es ist auch gut, dass wir für das Projekt externe Begleitung haben, weil wir selbst oft betriebsblind sind“, betonte Bürgermeister Norbert Lütjens. Denn auch in der Verwaltung geht es in erster Linie bei den Einstellungskriterien um Leistung und Effizienz der Mitarbeiter. „Dabei haben wir gute Erfahrungen mit Mitarbeitern mit Behinderungen gemacht. Wir müssen uns und auch andere Wirtschaftsbetriebe für dieses Thema sensibilisieren“, betonte der Verwaltungschef. In diese Richtung argumentierte auch Benedikt Kindermann von den Schwarzenbeker Werkstätten. Denn es fehlen Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen im sogenannten ersten Arbeitsmarkt.
„Wir müssen das Thema in die Breite tragen. In den Arbeitsgruppen, die im Laufe des kommenden Jahres einen Aktionsplan Inklusion erarbeiten werden, brauchen wir auch Vertreter aus der Wirtschaft und Wohnungsbaugenossenschaften sowie Verkehrsbetriebe. Wir allein als Politiker können die Probleme nicht lösen“, betonte Maja Bienwald, Vorsitzende des Sozialausschusses, der federführend beim Aktionsplan ist.
Alle politischen Gremien sollen beim Aktionsplan beteiligt sein
„Wichtig ist aber auch Transparenz, damit das Thema in alle Ausschüsse getragen wird und die Entscheidungen aufeinander abgestimmt werden können“, so der Erste Stadtrat Burkhard Franke. Klar ist aber erst einmal, dass der Aktionsplan die Stadt eine Menge Geld kosten wird. Das Büro „mehrwerte GmbH“, das bereits einen Inklusionsplan für den Kreis Herzogtum Lauenburg aufgestellt hat, hat den Auftrag bekommen. Kostenpunkt: 30.000 Euro.
Ein großes Problem ist allerdings, dass der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte Klaus Gawlik nach sechs Jahren das Handtuch geschmissen hat und zum Ende seiner Wahlzeit im November nicht weitermachen will. Zum Glück hat sich eine Nachfolgerin gefunden. Silke Jagusch will das Amt übernehmen. Sie steht am 24. September zur Wahl durch die Mitglieder des Sozialausschusses. Die Stadtvertreter müssen das Votum dann am 17. Oktober noch bestätigen, damit sie die Nachfolge von Gawlik zum November antreten kann. Damit kann die Schwarzenbekerin den weiteren Prozess des Inklusionsplans fast von Anfang an mit begleiten.
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Wer an dem Plan mitarbeiten möchte, kann sich an Petra Scheerer im Rathaus unter Telefon 04151/881121 wenden. „Wir haben bislang in erster Linie Experten von Vereinen und Institutionen im Boot. Uns fehlen noch ein paar betroffene Bürger. Denn Inklusion umfasst auch Mobilität, und das betrifft sehr viele Menschen“, wirbt Maja Bienwald um weitere Teilnehmer.