Glinde. Glinder wollen verhindern, dass in ihrer Nachbarschaft gebaut wird und sammeln Unterschriften. Was Politik und Verwaltung dazu sagen.

Am Ende schien die Stimmung dann doch einigermaßen versöhnlich zu sein. Da war Verständnis auf beiden Seiten. Politik und Stadtverwaltung fühlten, so der Eindruck, mit ihren Bürgerinnen und Bürgern. Und diese wiederum schienen erkannt zu haben, dass der Stadt in dieser Sache quasi die Hände gebunden sind.

Am Donnerstagabend war die Petition „Keine Wohnbebauung im Gewerbegebiet Am Alten Lokschuppen“ Thema in der Stadtvertretersitzung in Glinde. Wie berichtet, plant die Stadt auf einem bisher nicht bebauten Gewerbegrundstück Am Alten Lokschuppen, direkt angrenzend an eine Wohnbebauung, ein Flüchtlingsheim für 50 bis 80 Menschen zu errichten.

Mehr als 700 Bürger haben Petition gegen Flüchtlingsheim unterschrieben

Das Bekanntwerden dieser Nachricht hatte bei vielen Anwohnern Entsetzen ausgelöst. Viele fürchten einen starken Wertverlust ihrer Immobilien. Weil einige ihr Haus in den kommenden Jahren verkaufen müssen, bangen sie um ihre Existenz. Auch die Themen Sicherheit und Lärm treiben die Menschen um. Anwohner Jan Müller startete die Petition „Keine Wohnbebauung im Gewerbegebiet Am Alten Lokschuppen“. 736 Menschen, davon 574 aus Glinde, haben seit dem 12. Januar unterschrieben – und damit genug, um als Tagesordnungspunkt in der Stadtvertretersitzung zu landen.

420 Unterschriften sind nötig, damit die Stadt das Thema einer Petition im betreffenden städtischen Gremium behandeln muss. Bereits vor längerer Zeit hat die Stadt Glinde eine Onlineplattform bereitgestellt, damit Bürgerinnen und Bürger Petitionen erstellen und ihre Stadt demokratisch mitgestalten können. „In diesem Fall wurde das Quorum sehr schnell erreicht“, sagte Bürgermeister Rainhard Zug, der im Beisein von rund 50 Bürgern eine Stellungnahme abgab.

Bürgermeister: „Gesetzliche Vorgaben werden eingehalten“

Die Aufgabe, Geflüchtete unterzubringen, sei eine Weisung, der er sich nicht widersetzen könne, so Zug. Wie andere Kommunen auch ist Glinde zur Unterbringung von Flüchtlingen verpflichtet. Aktuell wohnen in der 18.500-Einwohner-Stadt rund 400 Flüchtlinge. In diesem Jahr werden bis zu 200 weitere erwartet. Zuletzt hatte die Stadt weniger Menschen untergebracht, als sie laut Quote eigentlich müsste. Etwa 65 Wohnungen und Häuser hat die Stadt aktuell gemietet, es wird dringend weiterer Wohnraum benötigt.

„Die gesetzlichen Vorgaben werden eingehalten“, so der Bürgermeister. Eine Sonderregelung erlaube es der Stadt, auf dem Grundstück eine Flüchtlingsunterkunft zu bauen. Aktuell dürfe diese für maximal sechs Jahre betrieben werden. Das rund 1500 Quadratmeter große Grundstück Am Alten Lokschuppen 11 hat die Stadt von einem privaten Eigentümer für zehn Jahre gepachtet. 4300 Euro zahlt die Stadt im Monat dafür. Der Vertrag gilt seit dem 1. Januar.

Bürgerinnen und Bürger sollen bei der baulichen Gestaltung mitreden

Bei der baulichen Gestaltung sollen, so der Bürgermeister weiter, Anwohnerinnen und Anwohner mitreden dürfen. Aber, auch das machte Zug deutlich: „Wir reden nicht über das Ob, sondern über das Wie.“ An dem Vorhaben führe kein Weg vorbei: „Wir benötigen dieses Grundstück, ich kann nicht davon Abstand nehmen.“

Von diesem Statement schien Jan Müller, der sich danach zu Wort meldete, nicht überrascht, hatte die Stadt dies doch schon im Vorfeld kommuniziert. „Wir wussten von vornherein, dass Sie nicht aufstehen und sagen: Wir machen es doch nicht“, so Müller. Gleichwohl gehe es ihm und seinen Mitstreitern nach wie vor um die Frage nach dem Ob. In der Vergangenheit hatte die Gruppe mitgeteilt, das Vorhaben rechtlich prüfen zu lassen. „Das Thema lässt uns nicht los, der Eingriff ist zu hoch“, so Müller.

Bürger und Politik bewerten den Austausch als positiv

Den bisherigen Austausch bewertete er als positiv und bedankte sich öffentlich bei den Fraktionen. „Sie haben sich viel Zeit für uns genommen“, so Müller. „Auch wir haben daraus viel mitgenommen.“ Das Verständnis sei gewachsen. So schienen es auch die Stadtvertreter zu sehen. „Großen Respekt für das, was Sie gemacht haben“, sagte SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach. „Das war ein gutes Beispiel für gelebte Demokratie.“

Man wolle, so Lauterbach weiter, gemeinsam an dem Wie arbeiten, um für alle eine verträgliche Lösung zu finden, beispielsweise beim Lärm- und Sichtschutz. „Schön, dass dieser Dialog stattgefunden hat“, sagte die CDU-Fraktionsvorsitzende Claudia Sahlmann. Wichtig sei, dass die Bürger künftig in den Prozess eingebunden werden.

Kinder der Flüchtlingsfamilien werden wohl einen weiten Schulweg haben

„Wir haben Verständnis, und es ist sicher nicht leicht“, sagte FDP-Fraktionschef Thomas Kopsch. „Aber von unserem Mitgefühl können Sie sich auch nichts kaufen.“ Dennoch, so Kopsch weiter: „Wir stehen zu unserer Verpflichtung, Geflüchtete unterzubringen.“ Er lud die Bürgerinnen und Bürger ein, sich einzubringen, wenn es um die Detailplanung geht. Spielraum scheint unter anderem noch in der Frage zu sein, wie viele Menschen in der Unterkunft Platz finden sollen. Kopsch: „80 scheint uns zu hoch.“ Laut Stefan Möhring (Grüne) wolle man versuchen, die Wünsche der Bürger zu berücksichtigen.

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Bürgerin Nicole Friedrich, die sich neben Jan Müller für die Petition engagierte, sagte in der Stadtvertretersitzung: „Ich habe mich nicht nur damit beschäftigt, wie es mir mit der Unterkunft geht, sondern auch, wie sich die Geflüchteten fühlen“, so Friedrich. Sie habe die Unterkunft am Schlehenweg besichtigt, wo Platz für gut 100 Menschen ist. Friedrich: „Da war eine angenehme Ruhe, mich hat nichts beängstigt.“

Aber: „Dort ist es auch sehr weitläufig. Das Grundstück bei uns ist so eingekesselt, da wird es sehr beengt.“ Wenn Familien kommen, müsse man sich fragen, wo die Kinder spielen sollen. Und, so Friedrich weiter: „Die Kinder werden in die DaZ-Klassen im Tannenweg gehen. Das heißt, sie werden einen wahnsinnig weiten Schulweg haben.“