Bad Oldesloe. Welche Städte in Stormarn im Vorjahr die meisten Schutzsuchenden untergebracht haben. Und wo gerade viele neue Plätze entstehen.
Der Zustrom von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine stellt die Städte und Gemeinden in Stormarn unvermindert vor große Herausforderungen. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht Asyl hervor, der gerade im Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreistags vorgestellt worden ist. „Durch die anhaltenden Angriffe Russlands auf die Ukraine und die damit einhergehende Vertreibung Tausender Menschen aus den von dem Krieg am meisten betroffenen Gebieten, hat sich die Lage bei der Aufnahme, Unterbringung, Beratung und Betreuung von Schutzsuchenden kaum entspannt“, sagt Edith Ulferts, Leiterin das Fachbereichs Soziales und Gesundheit der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe.
Migration: 2000 neue Flüchtlinge in diesem Jahr – schafft Stormarn das?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat im Vorjahr bundesweit 351.915 Asylanträge entgegengenommen. Davon entfielen 306.517 auf grenzüberschreitende Erstanträge und 22.603 auf Anträge von in Deutschland geborenen Kindern unter einem Jahr. Hinzu kamen 22.795 Folgeanträge. Die Gesamtzahl der Erstanträge stieg im Vergleich zu 2022 um 111.346, was einem Zuwachs um 51,1 Prozent entspricht.
42.525 Personen hat das BAMF den Status als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt, ein Anteil von 16,3 Prozent aller Entscheidungen. 71.290 Personen (27,3 %) erhielten subsidiären Schutz, 21.462 Personen (8,2 %) Abschiebungsschutz. 61.778 und damit 23,6 Prozent aller Anträge wurden abgelehnt.
2000 neue Flüchtlinge in diesem Jahr: Syrer stellen größte Gruppe der Asylbewerber
Mit 102.930 stellten Syrer das Gros aller Erstanträge, ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zu 2022. Den mit Abstand höchsten Zuwachs von 155,6 Prozent verzeichneten hingegen Anträge von Staatsbürgern aus der Türkei (61.181), die damit afghanische Antragsteller (51.275), ein Plus von 41 Prozent, auf Rang drei verdrängten. Die Gesamtschutzquote für alle Herkunftsländer belief sich auf 51,7 Prozent.
„Dem Kreis Stormarn sind im vergangenen Jahr insgesamt 714 Asylbewerber zugewiesen worden, hinzu kamen 562 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine“, berichtete Ulferts. Das sei die zweithöchste Zahl an Schutzsuchenden nach 2015, als im Zuge der Kriege im Nahen Osten 2336 Menschen vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak Zuflucht in Stormarn fanden.
Glinde hat die meisten Ukrainer aufgenommen
„Um die Lasten gleichmäßig zu verteilen und einer Ghettoisierung vorzubeugen, sind die Geflüchteten über das gesamte Kreisgebiet verteilt worden“, erklärt Ulferts. Die meisten Asylbewerber sind mit 112 in Ahrensburg untergekommen, gefolgt von Reinbek (89), Bad Oldesloe (65) und dem Amt Trittau (62). Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine hat hingegen mit 105 die Stadt Glinde aufgenommen, gefolgt von Bad Oldesloe (73), Ahrensburg (70) und Reinbek (66).
„Alle Kommunen haben sich bemüht, neue Unterkunftskapazitäten zu schaffen, aber auch die Beratung und Aufklärung der Schutzsuchenden zu forcieren“, so Ulferts. Trotz aller Anstrengungen erfolge deren Unterbringung aber nur noch vereinzelt durch Familien und Privatpersonen. In der Regel werde sie in kommunalen Unterkünften sichergestellt, wofür jedoch deutlich mehr Wohnraum angemietet werden müsse.
Belegung von Turnhallen konnte vermieden werden
„Zwar konnte eine erneute Belegung von Turnhallen im Vorjahr vermieden werden“, sagt Ulferts. Dennoch bleibe die Situation hinsichtlich der Unterbringungskapazitäten wegen der weiterhin hohen Fluchtbewegungen aus den Krisengebieten der Welt sehr angespannt. Dieser Tatsache Rechnung tragend, hat etwa die Stadt Bargteheide den Bau von zwei weiteren Unterkünften vorangetrieben, die nach Fertigstellung gegen Ende des ersten Quartals bis zu 80 neue Plätze bieten werden.
Die wird es wohl auch brauchen. Das Innenministerium in Kiel verzichtet zwar seit 2017 auf jegliche Prognosen. Der Kreis Stormarn geht für das laufende Jahr aber von erneut rund 800 Zuweisungen allein im Bereich Asyl aus, inklusive ehemaliger afghanischer Ortskräfte (im Vorjahr waren es 37) und Personen aus humanitären Aufnahmeprogrammen (im Vorjahr 9). Das Land Schleswig-Holstein rechnet zudem bis Dezember 2024 mit weiteren 15.000 aus der Ukraine Vertriebenen, von denen in Stormarn rund 1300 untergebracht werden müssten.
Ankündigungsfrist beträgt nun wieder vier Wochen
Die Prognosen stützen sich unter anderem auf die 272 Zuweisungen, die dem Kreis bereits für das erste Quartal avisiert worden sind. Davon sind 118 Asylbewerber, sieben afghanische Ortskräfte, zwei Personen aus humanitären Programmen, sowie 145 Geflüchtete aus der Ukraine. Die meisten befinden sich schon in den sechs Erstaufnahme-Unterkünften des Landes mit insgesamt 7000 Plätzen, von wo aus die Schutzsuchenden sukzessive auf die Kreise und kreisfreien Städte verteilt werden.
Positiv vermerkte Ulferts, dass sich die Ankündigungsfristen inzwischen wieder auf vier Wochen belaufen. Ende September 2023 hatte das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge eine Verkürzung auf drei Wochen beschlossen. Das zog in den Kreisen und Kommunen erhebliche organisatorische und logistische Probleme nach sich.
Asylsuchende sollen einheitliche Bezahlkarte erhalten
Unterdessen unterstützt der Kreis die Einführung einer einheitlichen Bezahlkarte für Asylsuchende, wie sie Ende Januar von den meisten Ländern mit der Bundesregierung vereinbart worden ist. Nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern planen eigene Systeme. Die guthabenbasierte Card soll bundesweit im Sommer dieses Jahres eingeführt werden.
„Überweisungen in die Herkunftsländer der Asylbewerber sind dann ebenso ausgeschlossen wie Überweisungen innerhalb des Kartensystems sowie im In- und Ausland“, erläutert Edith Ulferts. Bargeldabhebungen sollen zwar möglich sein, aber nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag (Taschengeld).
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Die Öffnung für andere Transferleistungen soll ebenso ermöglicht werden wie die Nutzung in anderen Kreisen oder gar Bundesländern, so sich der Aufenthaltsort des Karteninhabers ändert. Das hatte vor allem die AfD-Fraktion kritisch gesehen und forderte eine Beschränkung der Einsatzmöglichkeit ausschließlich im Kreisgebiet.
„Wir sehen absolut keine Notwendigkeit für einen eigenen Weg, weil das den Einsatz der Bezahlkarte nur unnötig erschweren und verkomplizieren würde“, hielt Torben Hermann von der SPD-Fraktion dagegen. Das beurteilten die anderen Ausschussmitglieder ebenso und lehnten den AfD-Antrag geschlossen ab.