Ahrensburg. Entwurf der Bahn sei „nicht akzeptabel“. Stadt legt lange Liste mit Kritikpunkten an dem Großprojekt vor. Darum geht es.

Die neue S-Bahnlinie 4 soll ab Ende 2029 den Hamburger Westen über den Hauptbahnhof und Ahrensburg mit Bad Oldesloe verbinden. Doch in der Schlossstadt gibt es bereits seit Jahren erhebliche Kritik an dem Vorhaben. Diese will Ahrensburg auch in dem aktuell laufenden Planfeststellungsverfahren für den dritten Bauabschnitt des 1,85-Milliarden-Euro-Projektes zum Ausdruck bringen.

Der finale Entwurf für den Text, den die Stadt in der kommenden Woche beim Planfeststellungsamt des Kieler Verkehrsministeriums einreichen wird, wurden am Mittwoch während einer gemeinsamen Sondersitzung des Bau- und Planungsausschusses und des Umweltausschusses erstmals vorgestellt. Anschließend segneten die Politiker das Dokument einstimmig ab und überwiesen es zur Beschlussfassung an die Stadtverordnetenversammlung, die am Montag, 6. November, tagt.

S4-Bahnhof: Stadt fordert komplette Neuplanung für Ahrensburg West

67 Seiten füllen die Einwendungen, welche die Verwaltung in den vergangenen Wochen gemeinsam mit Vertretern der Fraktionen und externen Sachverständigen formuliert hat. Kritisiert wird unter anderem, dass die Planungen der Bahn in zahlreichen Bereichen veraltet seien. Zwischenzeitlich neu errichtete Gebäude seien bei Voruntersuchungen etwa hinsichtlich des Lärmschutzes nicht berücksichtigt worden, zudem werde der Bedeutung von Naturräumen wie Mooren und Wäldern für das Klima nicht ausreichend Rechnung getragen.

„Wir haben in den vergangenen Monaten gemeinsam mit der Politik sehr konzentriert und konstruktiv gearbeitet“, sagte Ahrensburgs Bürgermeister Eckart Boege. Am Ende stehe „ein Ergebnis, das den Interessen der Stadt Ahrensburg gerecht wird.“ Auch aus der Politik gab es viel Lob. Die Ausarbeitung der Stellungnahme sei „ein Vorbild für die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Selbstverwaltung“, sagte der Stadtverordnete Detlef Steuer von der Wählergemeinschaft WAB.

Die Stellungnahme umfasst zehn Kapitel mit 64 Unterkapiteln

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Béla Randschau sprach von einem „Kraftakt“. Der Text sei „in letzter Sekunde“ fertiggestellt worden, so der Sozialdemokrat, der darauf hinwies, dass den Beteiligten nach der Veröffentlichung der Planunterlagen durch die Bahn gerade einmal vier Wochen geblieben seien, um 25 Aktenordner mit Tausenden Seiten durchzuarbeiten. „Wir alle sollten der Verwaltung und dem Bürgermeister für diesen Einsatz dankbar sein“, so Randschau. Die Frist für Einwendungen endet am 8. November.

Die Stellungnahme der Stadt gliedert sich in zehn Kapitel mit 64 Unterkapiteln. Nach einführenden Bemerkungen folgen Abschnitte zu den Bereichen Ingenieurbau, Gleisanlagen, Flucht- und Rettungskonzept, Stadtplanung und Bauaufsicht, Umwelt, Klima, Verkehrsaufsicht, ÖPNV und Flächenmanagement. Das sind die zentralen Kritikpunkte.

Ahrensburg kritisiert „erhebliche Unfallrisiken“ an neuem Bahnhof

Bahnhof Ahrensburg West: An der Hamburger Straße in Höhe des McDonald’s-Restaurants soll ein neuer Haltepunkt für die S4 mit Übergang zur gleichnamigen Haltestelle der U1 auf der anderen Straßenseite entstehen. Ahrensburg fordert von der Bahn nicht weniger als eine vollständige Neuplanung des Bahnhofs.

Die derzeitigen Pläne sehen einen 210 Meter langen Mittelbahnsteig parallel zur Hamburger Straße vor. Der Zugang soll von einer Personenunterführung aus per Treppe und Fahrstuhl von beiden Seiten der Gleise aus erfolgen. Die Schlossstadt moniert, dass Fahrgäste mit der Hamburger Straße und dem Waldemar-Bonsels-Weg zwei stark befahrene Straßen queren müssten, um von der U- zur S-Bahn zu gelangen und umgekehrt.

Stadt fordert teurere Variante mit einem Turmbahnhof

„Es wird durch die häufigen Querungsanforderungen zu Staus kommen und, wenn Fahrgäste verspätet kommen, werden sie durch den laufenden Verkehr rennen, um ihren Anschlusszug zu erreichen“, heißt es in der Stellungnahme. Das sei „nicht akzeptabel“ und berge „erhebliche Unfallrisiken“.

Neuartige, gläserne Lärmschutzwände sollen (hier an der Bahnhofstraße) in Ahrensburg zum Einsatz kommen.
Neuartige, gläserne Lärmschutzwände sollen (hier an der Bahnhofstraße) in Ahrensburg zum Einsatz kommen. © Deutsche Bahn | Deutsche Bahn

Die Stadt fordert stattdessen die Gestaltung der Station als sogenannter Turmbahnhof. Die Bahnsteige würden dann im Kreuzungsbereich der Trassen von U- und S-Bahn östlich der Hamburger Straße in zwei Etagen übereinander liegen und könnten durch Aufzüge und Treppen verbunden werden. Fahrgäste müssten keine Straße überqueren. Diese Lösung wäre wohl erheblich teurer: Die gesamte U-Bahnstation müsste verlegt und eine aufwendige Bahnhofskonstruktion neu errichtet werden.

Ahrensburg will eingleisigen Ausbau der S4 bis Bad Oldesloe

Die Stadt fordert außerdem: In Ahrensburg West müssen auch ein neuer Busbahnhof, ein Fahrradparkhaus und Park-and-ride-Parkhäuser errichtet werden. Es sei davon auszugehen, dass der neue Umsteigebahnhof aufgrund seiner Attraktivität dem Regionalbahnhof im Zentrum in seiner Bedeutung mindestens gleichkommen werde, so die Begründung.

Zusätzliches Gleis bis Bad Oldesloe: Eine weitere zentrale Forderung Ahrensburgs ist ebenfalls teuer: Die Stadt spricht sich dafür aus, die gesamte S4-Trasse bis Bad Oldesloe um ein zusätzliches Gleis auszubauen. Die Bahn will dieses in Ahrensburg-Gartenholz enden lassen. Zwischen Hamburg-Hasselbrook und dem Ahrensburger Regionalbahnhof sollen zwei zusätzliche Gleise verlegt werden.

Ahrensburg verlangt Nachbesserung beim Lärmschutz

Auf der restlichen Strecke bis Bad Oldesloe soll die S-Bahn die Bestandstrasse Hamburg – Lübeck nutzen, auf der auch die Güter-, Regional- und Fernverkehrszüge fahren. Bei dieser Variante erwartet die Schlossstadt jedoch „erhebliche Fahrplanstörungen“, besonders im Bereich Gartenholz, wo die S4 auf die bestehenden Gleise einfädelt.

Mehr zum Thema

Lärmschutz: Beim Streitthema Lärmschutz verlangt Ahrensburg „Änderungen in der Optik und damit Wahrnehmbarkeit der Schallschutzwände“ entlang der Bahntrasse. Im Stadtzentrum sollen die von der Bahn vorgestellten und bereits mündlich zugesagten, neuartigen Elemente eingesetzt werden, die zu 70 Prozent transparent sind und sich derzeit im Zulassungsverfahren befinden.

Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde im Stadtgebiet gefordert

Dadurch sollen die historischen Sichtachsen in der Innenstadt erhalten bleiben und die Entstehung von „Unorten“ mit geringer Aufenthaltsqualität verhindert werden. Außerdem pocht die Stadt auf eine verbindliche Vereinbarung mit der Bahn, dass diese die regelmäßige Pflege der Wände übernimmt.

Für Züge soll im Ahrensburger Stadtgebiet eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Kilometern pro Stunde gelten, außerdem sollen ergänzende Lärmschutzmaßnahmen wie das „Besonders überwachte Gleis“ (BüG) eingesetzt werden. Bei dem Verfahren werden die Schienen mittels spezieller Wagen regelmäßig abgeschliffen, um Fahrgeräusche zu minimieren.

Stadt will Rückbau des Bahndamms im Auetal zur Biotopvernetzung

Tiere und Natur: Die Stadt pocht auf eine bessere Biotopvernetzung durch zusätzliche Querungshilfen für Wildtiere und Amphibien, eine Minimierung der Baustelleneinrichtungsflächen und den Verzicht auf vermeidbare Baumfällungen. Eingriffe in das geschützte Tunneltal müssten so gering wie möglich gehalten werden. Zudem müssten Ausgleichsmaßnahmen in unmittelbarer Nähe erfolgen.

Ein Bahnübergang für ein einziges Haus: der Feldweg Grävinghorst in Ahrensburg.
Ein Bahnübergang für ein einziges Haus: der Feldweg Grävinghorst in Ahrensburg. © Harald Klix | Harald Klix

Im Bereich des Auetals biete sich im Zuge des Neubaus der Eisenbahnbrücke über den Ostring die Möglichkeit, den natürlichen Talraum durch einen Rückbau des Mitte des 19. Jahrhunderts aufgeschütteten Bahndamms wiederherzustellen. Dies diene der Biotopvernetzung und der Verbesserung des Stadtklimas. Das Tal könnte demnach die frische und kalte Luft aus den Wald- und Grünflächen in die Stadt ableiten, wenn Barrieren wie der Bahndamm beseitigt werden. Dazu fordert die Stadt den Einbau einer Brücke mit einer Spannweite von mindestens 120 Metern.

Bau einer Rundbogenbrücke am Braunen Hirsch wird abgelehnt

Danny Liew (FDP) kritisierte, dass die Stellungnahme zu wenig auf das Tunneltal und den Schutz der dortigen Natur eingehe. Bürgermeister Eckart Boege wies darauf hin, dass die Stadt als Trägerin öffentlicher Belange nur dort Einwendungen zu Umweltthemen geltend machen könne, wo sie Eigentümerin betroffener Flächen ist. Andernfalls sei die Untere Naturschutzbehörde zuständig, mit der Ahrensburg sich aber eng abgestimmt habe.

Brücken und Bahnübergänge: Ahrensburg lehnt den Bau einer sechs Meter hohen Rundbogenbrücke an der Stelle des Bahnübergangs Brauner Hirsch ab und pocht auf die Umsetzung der von der Bahn bereits vorgestellten, schlankeren Lösung ohne Bogen. Dadurch sänken die Unterhaltskosten für das Brückenbauwerk, welche im Anschluss die Stadt tragen müsse. Zudem dominiere ein derart hohes Bauwerk die Landschaft des geschützten Tunneltals in negativer Weise.

Querung für Fußgänger und Radfahrer am Weg zum Moor soll erhalten bleiben

Des Weiteren macht sich die Stadt dafür stark, die Querungsmöglichkeit für Fußgänger und Radfahrer im Bereich des Wanderwegs Weg zum Moor zwischen dem künftigen Bahnhof Ahrensburg West und der Brückenstraße zu erhalten. Die Bahn möchte den derzeitigen Bahnübergang ersatzlos streichen.

Abgelehnt wird der Bau einer Brücke im Bereich Grävinghorst am Ortseingang unweit der Hamburger Straße. Das bis zu acht Meter hohe Stahlbetonbauwerk soll der Erschließung eines Wohnhauses östlich der Bahngleise dienen, das derzeit nur über einen Bahnübergang erreichbar ist. Ahrensburg hält die Brücke für wirtschaftlich nicht verhältnismäßig. Das betreffende Haus sei stattdessen aufzukaufen und abzureißen.

Stadtverordnetenversammlung Mo 6.11., 19.30, Reithalle Marstall, Lübecker Straße 8