Ahrensburg. Ab 26. September sind Unterlagen für umstrittenes Projekt vier Wochen lang einsehbar. Wie das Planfeststellungsverfahren funktioniert.

Der Bau der S4 von Hamburg-Altona nach Bad Oldesloe zählt zu den größten Projekten, welche in den kommenden Jahren auf die Stadt Ahrensburg zukommen – und zu den umstrittensten. Befürworter verweisen auf die bessere Anbindung der Schlossstadt an das Hamburger Nahverkehrsnetz und die Bedeutung des Projektes für die Verkehrswende. Gegner kritisieren massive Auswirkungen auf das Stadtbild und die Natur.

Am Dienstag, 26. September, beginnt nach mehrfacher Verschiebung das sogenannte Planfeststellungsverfahren für den 8,3 Kilometer langen, dritten Bauabschnitt, welcher auf Ahrensburger Gebiet von der schleswig-holsteinischen Landesgrenze bis zum Stadtteil Gartenholz reicht. Für die Stadt, ihre Bürger und Organisationen bedeutet das die Möglichkeit, Einwände gegen die Planung der Deutschen Bahn geltend zu machen und gegebenenfalls Änderungen zu erwirken. Das Abendblatt erklärt, wie das Planfeststellungsverfahren abläuft und was es zu beachten gilt.

S4 nach Ahrensburg: Planfeststellungsverfahren für dritten Bauabschnitt beginnt

Warum gibt es das Planfeststellungsverfahren? Bei großen Infrastrukturvorhaben wie der S4 sieht das Gesetz ein Planfeststellungsverfahren vor. Es wird davon ausgegangen, dass Projekte dieser Dimension zwangsweise zu Interessenkonflikten führen. Dem Verfahren komme die Funktion zu, alle Interessen gründlich abzuwägen und Betroffenheiten bestmöglich zu berücksichtigen, so die Landesregierung.

Wie läuft das Planfeststellungsverfahren ab? Das Verfahren gliedert sich in mehrere Phasen. „Der erste Schritt besteht darin, dass die Vorhabenträgerin, hier die DB Netz AG, einen Antrag auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens bei der zuständigen Planfeststellungsbehörde, in diesem Fall das Eisenbahn-Bundesamt, einreicht“, erklärt Martin Hamm, Leiter des Landesamtes für Planfeststellung Verkehr (APV).

Der Antrag müsse alle Informationen und Unterlagen zu dem Projekt enthalten. Das APV gibt dann eine öffentliche Bekanntmachung über das geplante Vorhaben heraus und fordert Bürger, Träger öffentlicher Belange und Organisationen auf, Stellungnahmen abzugeben. Beides ist im Fall der S4 bereits geschehen.

In dem nun folgenden, dritten Schritt wird die Öffentlichkeit beteiligt. „Bürgerinnen und Bürger sowie betroffene Interessengruppen haben das Recht, Stellungnahmen, Äußerungen und Einwendungen gegen das Vorhaben abzugeben“, erklärt APV-Chef Hamm. Außerdem werden die Behörden um eine Stellungnahme gebeten.

Wenn es wesentliche Einwendungen gebe, werde anschließend ein Erörterungstermin abgehalten. „Dabei haben die betroffenen Bürger, Interessengruppen und Behörden die Möglichkeit, ihre Bedenken und Fragen direkt mit Vertretern der Vorhabenträgerin und der Anhörungsbehörde zu besprechen“, so Hamm. Das Eisenbahn-Bundesamt prüfe die eingegangenen Stellungnahmen, Gutachten und Erörterungsergebnisse und erlasse, sofern das Vorhaben genehmigt werden könne, den sogenannten Planfeststellungsbeschluss.

Die Unterlagen liegen in Ahrensburg, Bargteheide und Großhansdorf aus

Welche Unterlagen werden veröffentlicht? „Alle durch die DB Netz AG eingereichten Pläne, Berichte und Gutachten werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“, sagt Hamm. Dazu zählen unter anderem ein Erläuterungsbericht mit allgemeinverständlicher, nichttechnischer Zusammenfassung der Umweltauswirkungen, Übersichtskarten, Lagepläne, Baustelleneinrichtungs- und -erschließungspläne, Grunderwerbspläne sowie Gutachten zu Umweltverträglichkeit, Artenschutz, Schall, Archäologie und Bodenschutz.

Wann und wo können die Unterlagen eingesehen werden? Die Unterlagen liegen im Zeitraum von Dienstag, 26. September, bis einschließlich Mittwoch, 25. Oktober, aus. Die Dokumente sind sowohl im Internet unter der Adresse https://planfeststellung.bob-sh.de einsehbar als auch bei drei Auslegungsstellen vor Ort. Das sind in Ahrensburg das Peter-Rantzau-Haus (Manfred-Samusch-Straße 9, 1. Obergeschoss, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr), in Bargteheide das Amt Bargteheide-Land (Eckhorst 34, Zimmer 211, Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 8 bis 12 Uhr, Dienstag zusätzlich von 14 bis 18 Uhr) sowie in Großhansdorf das Rathaus (Barkholt 64, Foyer im 1. Obergeschoss, Montag von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, Dienstag von 9 bis 12 Uhr, Mittwoch von 7.30 bis 12 Uhr und Donnerstag von 15 bis 18 Uhr).

Wer kann Einwände einreichen? „Jeder, dessen Belange von dem Vorhaben berührt werden, kann eine Einwendung einreichen“, sagt APV-Leiter Hamm. „Es ist nicht erforderlich, dass jemand unmittelbar in seinen Rechten, etwa den Eigentumsrechten bei einer Inanspruchnahme des Grundstückes oder durch Lärm betroffen ist.“ Heißt: Nicht nur, wer direkt an der Trasse wohnt, kann sich beteiligen, sondern auch, wer sich darüber hinaus in seinen Belangen beeinträchtigt sieht. Solche könnten etwa Umweltschutz, Raumplanung, Verkehrsinfrastruktur, öffentliche Interessen und wirtschaftliche Auswirkungen sein.

Ein Schreiben mit einem Einwand ist nur mit Unterschrift gültig

Welche Formalia und Fristen gilt es zu beachten? Die Einwände müssen bis spätestens zwei Wochen nach dem Ende der Auslegungsfrist, also bis einschließlich Mittwoch, 8. November, erhoben werden. Einwendungen seien grundsätzlich gegen alle Teile der Planungen möglich, so Hamm.

Sie können schriftlich oder zur Niederschrift beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein – Amt für Planfeststellung Verkehr (Hopfenstraße 29, 24103 Kiel) sowie bei den drei genannten Auslegungsstellen eingereicht werden. Wichtig: Die Einwendung muss persönlich unterschrieben sein. „Eine einfache E-Mail genügt der Schriftform nicht und reicht somit nicht aus“, sagt Hamm. Es gibt keine Eingangsbestätigung.

Das Schreiben muss nachvollziehbar machen, welcher Belang des Absenders in welchem Maß beeinträchtigt wird. Außerdem muss der vollständige Name und die Anschrift enthalten sein. Kosten, die etwa durch Rechtsanwälte oder Gutachter entstehen, werden nicht ersetzt. Für das Einreichen eines Einwandes selbst werden keine Gebühren fällig.

Bei der Auftaktveranstaltung zum Planfeststellungsverfahren für den dritten Bauabschnitt im Peter-Rantzau-Haus in Ahrensburg Anfang September konnten Bürger bereits einen Blick auf die Pläne werfen.
Bei der Auftaktveranstaltung zum Planfeststellungsverfahren für den dritten Bauabschnitt im Peter-Rantzau-Haus in Ahrensburg Anfang September konnten Bürger bereits einen Blick auf die Pläne werfen. © HA | Filip Schwen

Wie geht es nach dem Ende der Einwendungsfrist weiter? Die Deutsche Bahn erhält die Äußerungen mit der Aufforderung, sich dazu zu positionieren. Das APV setzt sich inhaltlich mit den Argumenten und Gegenargumenten auseinander und bereitet gegebenenfalls einen Erörterungstermin vor. Das Eisenbahn-Bundesamt prüft abschließend alle Äußerungen sowie die Erörterungsergebnisse vor der Entscheidung über den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses.

Wann dieser vorliegt, vermag Hamm nicht zu prognostizieren. „Das ist abhängig vom Umfang und dem Verlauf des Verfahrens, der Anzahl und Relevanz der eingehenden Einwendungen und davon, ob der Plan noch einmal überarbeitet und neu ausgelegt werden muss“, sagt er.

Die Bahn muss sich als Vorhabenträgerin zu den Einwänden positionieren

Wie werden die eingereichten Einwände geprüft? „Es gibt keinen speziellen Kriterienkatalog“, sagt Hamm. Geprüft würden sämtliche Anmerkungen. „Sofern aus den Äußerungen und Stellungnahmen hervorgeht, dass das Vorhaben gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, kann dieses nicht genehmigt werden und das Eisenbahn-Bundesamt müsste den Planfeststellungsantrag ablehnen“, sagt er. Über alle weiteren Punkte, über die keine Einigung erzielt werde, entscheide die Behörde letztlich im Planfeststellungsbeschluss.

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„Wenn ein Argument stichhaltig ist, wird sie entweder durch eine geänderte Planung der Vorhabenträgerin, durch ihre Zusage, den Einwand bei der Ausführung zu berücksichtigen oder durch Nebenbestimmungen im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt“, so Hamm.

Welche Rolle spielt die Deutsche Bahn in dem Verfahren? Die Bahn ist in die Prüfung der Unterlagen nicht direkt eingebunden. „Die DB Netz AG als Vorhabenträgerin hat die Planunterlagen, wie sie ausgelegt werden, erstellt. Im Anhörungsverfahren wird sie prüfen, ob und gegebenenfalls wie die vorgetragenen Argumente in die Planung einfließen und beim Bau umgesetzt werden können“, so Hamm. Hierzu werde sie sich anschließend positionieren.

Bekomme ich eine Rückmeldung, wie über meinen Einwand entschieden wurde? Grundsätzlich ist der Planfeststellungsbeschluss allen Beteiligten zuzustellen. Eine Ausnahme gilt, wenn es besonders viele Einwendungen gibt. „Wenn mehr als 50 Zustellungen vorzunehmen wären, wovon bei diesem Verfahren auszugehen ist, wird die persönliche Zustellung durch die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses ersetzt“, sagt Hamm. Diese werde zuvor öffentlich bekannt gemacht.

Der Planfeststellungsbeschluss kann vor Gericht angefochten werden

Ist es möglich, gegen die Entscheidung des Bundesamtes vorzugehen? Beteiligte können gegen das Ergebnis vor Gericht ziehen. „Der Planfeststellungsbeschluss kann innerhalb der angegebenen Rechtsmittelfrist vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden“, sagt Hamm.

Wann können die Bauarbeiten für die S4 beginnen? In Hamburg haben die Bauarbeiten für die S4 bereits im Mai 2021 begonnen. Grund ist, dass das länderübergreifende Projekt in drei Bauabschnitte gegliedert ist, für die jeweils separate Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden.

„Grundsätzlich kann mit den Bauarbeiten nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden“, erklärt APV-Chef Hamm. Mit vorbereitenden oder Teil-Maßnahmen könne die Bahn aber im Ausnahmefall schon vorher beginnen. Dazu müsse das Unternehmen einen entsprechenden Antrag beim Eisenbahn-Bundesamt stellen.

Das Projekt: Ende 2029 soll die S4 nach Bad Oldesloe fahren

Die S4 soll ab Ende 2029 Hamburg-Altona über den Hauptbahnhof mit Bad Oldesloe verbinden. Bis Ahrensburg ist während der Hauptverkehrszeiten ein 10-Minuten-Takt vorgesehen. Zwischen Hasselbrook und Ahrensburg werden zwei zusätzliche Gleise verlegt, bis Gartenholz eines. Gebaut wird teilweise am Rand des Naturschutzgebietes Tunneltal. Außerdem sollen entlang der Trasse bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände errichtet werden. Beides stößt in Ahrensburg auf Kritik. Die Kosten für die S4 liegen bei rund 1,85 Milliarden Euro. Der Bund übernimmt mit circa 84 Prozent den Großteil.