Ahrensburg. Bei Einwohnerversammlung melden sich Befürworter und Gegner. Wie positioniert sich die Stadt im Planfeststellungsverfahren?

Großer Andrang bei der Einwohnerversammlung zur geplanten S4 in Ahrensburg: Einer Zählung der Verwaltung zufolge waren am Mittwochabend mehr als 170 Bürger in den Alfred-Rust-Saal gekommen, um den Ausführungen von Bürgermeister Eckart Boege, der Deutschen Bahn und des Nahverkehrsverbunds Nah.SH zu dem umstrittenen Großprojekt zuzuhören und anschließend darüber zu diskutieren. Viele neue Argumente gab es dabei nicht, leidenschaftlich geführt wurde die Debatte dennoch.

Die S-Bahnlinie von Hamburg-Altona über den Hauptbahnhof bis Bad Oldesloe soll Ahrensburg ab Ende 2029 eine enger getaktete, zuverlässigere und komfortablere Anbindung an das Nahverkehrsnetz in der Hansestadt bieten und die Züge der Regionalbahnlinie RB81 ersetzen. Zudem soll durch den Bau von zwei S-Bahngleisen zwischen Hasselbrook und Ahrensburg sowie eines Gleises bis Gartenholz die Strecke Hamburg – Lübeck entlastet werden, die nach der Fertigstellung des Fehmarnbelttunnels verstärkt durch den Güterverkehr in Anspruch genommen wird.

S4 nach Bad Oldesloe: Ahrensburger sind bei Großprojekt gespalten

In Ahrensburg gibt es scharfe Kritik an dem Projekt, insbesondere an den bis zu sechs Meter hohen Lärmschutzwänden, welche die Bahn entlang der Trasse errichten möchte. Diese zerstörten das Stadtbild, so die Befürchtung. Darüber hinaus kritisieren Umweltschützer, dass für die S-Bahn am Rand des Naturschutzgebietes Ahrensburger Tunneltal gebaut werden muss. Und auch die Zunahme des Güterverkehrs – eine Prognose geht von 88 Zügen am Tag im Jahr 2030 aus – wird abgelehnt.

Boege nutzte die Versammlung, um die Ahrensburger auf Einschränkungen einzustimmen. „Die Bauphase wird für die gesamte Stadt eine ganz wesentliche Herausforderung, vor allem durch die mit den Arbeiten an den Brückenbauwerken einhergehenden Straßensperrungen“, sagte er. Für Ahrensburg bedeute das, dass eigene Projekte in dieser Zeit möglicherweise nicht durchgeführt werden könnten, weil Straßen als Umleitungsstrecken benötigt werden. Der Bürgermeister versprach: „Wir als Verwaltung bemühen uns, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.“ Und es gelte, nicht zu vergessen, dass die S4 nach der Fertigstellung auch Chancen biete.

Bis zum 8. November können Bürger Einwände geltend machen

Die Einwohnerversammlung – die erste in Ahrensburg seit Juni 2019 – hatten die Stadtverordneten einberufen, um gemeinsam mit den Bürgern die Position der Schlossstadt in dem Planfeststellungsverfahren für den dritten Bauabschnitt der S4 auszuloten. Seit 26. September liegen die Unterlagen für den 8,3 Kilometer langen Trassenabschnitt von der schleswig-holsteinischen Landesgrenze bis zum Ahrensburger Stadtteil Gartenholz für vier Wochen öffentlich aus. Bis zum 8. November können Bürger, Organisationen und Träger öffentlicher Belange Einwände erheben, mit denen sich die Planer im weiteren Verlauf auseinandersetzen müssen.

In einer Einwohnerversammlung können Bürger Anträge an die Stadtverordneten einreichen. Damit ein Vorschlag an das Kommunalparlament geht, muss eine Mehrheit ihm zustimmen, die zugleich mindestens 30 Prozent der anwesenden Einwohner entspricht. Die Stadtverordnete können die Anträge dann beschließen oder ablehnen und damit entscheiden, ob die Anregungen Eingang in die städtische Stellungnahme zu den S4-Plänen finden.

Bürgermeister erläutert Zuständigkeiten der Stadt in dem Verfahren

Bürgermeister Eckart Boege warnte zu Beginn vor zu hohen Erwartungen. Anders als Privatpersonen, die in der Formulierung von Einwänden relativ frei seien, könne sich die Stadt als Träger öffentlicher Belange in dem Planfeststellungsverfahren nur zu Bereichen äußern, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, erklärte er.

Das Podium bei der Einwohnerversammlung zur S4 in Ahrensburg: Links sitzen die drei Vertreter der Bahn, in der Mitte Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg (5. v. l.) und Bürgermeister Eckart Boege (6. v. l.) mit den Vertretern der Verwaltung und rechts die beiden Experten des Nah.SH.
Das Podium bei der Einwohnerversammlung zur S4 in Ahrensburg: Links sitzen die drei Vertreter der Bahn, in der Mitte Bürgervorsteher Benjamin Stukenberg (5. v. l.) und Bürgermeister Eckart Boege (6. v. l.) mit den Vertretern der Verwaltung und rechts die beiden Experten des Nah.SH. © HA | Filip Schwen

Dazu zählten etwa die Verkehrssicherheit, städtebauliche Aspekte sowie die Inanspruchnahme von Flächen, solange städtische Grundstücke betroffen seien. Nicht in den Verantwortungsbereich der Stadt fielen hingegen die Trassenführung sowie der Natur- und der Landschaftsschutz. Gleichwohl stehe die Verwaltung in engem fachlichen Austausch mit den zuständigen Stellen, etwa der Unteren Naturschutzbehörde.

Anträge zu Alternativtrassen, Naturschutz und Lärmschutz

Das hielt anwesende Bürger nicht davon ab, dennoch Anträge zu diesen Bereichen zu stellen. Ein Vorstoß befasste sich etwa mit der Forderung, eine Umleitung von Teilen des Güterverkehrs über die Trasse Lübeck – Lüneburg – Büchen zu prüfen. Ein anderer forderte, die Stadtverordneten sollten sich für einen Vorrang des Naturschutzes gegenüber der Mobilität einsetzen.

Weitere Anträge befassten sich mit den Themen Lärmschutz, Verkehr im Ahrensburger Süden, der Forderung nach einem Tempolimit für Güter- und Fernzüge im Stadtgebiet und dem Erhalt des Bahnübergangs am Wanderweg Weg zum Moor, welcher den Plänen der Bahn zufolge ersatzlos wegfallen soll.

Anwohner im Süden Ahrensburgs befürchten mehr Verkehr

In der Debatte, die der Abstimmung über die Beschlussvorschläge vorausging, meldeten sich zahlreiche Bürger zu Wort. Eines der großen Themen des Abends war die Verkehrssituation im Ahrensburger Süden. Anwohner aus den Stadtteilen Ahrensfelde, Am Hagen und Waldgut Hagen befürchten eine drastische Zunahme des Durchgangsverkehrs, wenn der beschrankte Bahnübergang am Braunen Hirsch durch eine Brücke ersetzt wird.

Es entsteht eine Durchgangsstraße von Volksdorf zur Autobahn“, warnte Gabi Schwintzer, die in Ahrensfelde lebt. Auch gehe sie davon aus, dass während der zweijährigen Bauzeit von 2027 bis 2029 ein Großteil des Anlieferverkehrs durch den Stadtteil rollen werde. „Wir werden einen Wahnsinns-Verkehr vor unserer Haustür haben“, beklagte die Ahrensfelderin. Die Brücke verschandele zudem das Naturschutzgebiet. „Der S4 kann ich nichts Positives abgewinnen“, sagte Schwintzer und bekam dafür heftigen Applaus.

Ein Zug der S4 soll laut Bahn 1200 Autos von der Straße nehmen

Michael Kukulenz, Sprecher der Bürgerinitiative „Ahrensburg gegen Gütertrasse“, erneuerte seine Grundsatzkritik. „Es ist unlauter, wenn Sie sagen, die S4 sei eine schnelle Verbindung und insgesamt eine Verbesserung für Ahrensburg“, sagte der Naturfotograf in Richtung der Bahn-Vertreter. Die S-Bahn werde durch die zusätzlichen Haltestellen auf Hamburger Gebiet länger brauchen als aktuell die Züge der RB81. Kukulenz bezweifelte auch den ökologischen Nutzen des Projektes. Schließlich werde durch den Bau Natur zerstört und es würden Unmengen an Ressourcen verbraucht.

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Er könne diese Sichtweise nachvollziehen, doch es gebe auch eine andere Perspektive auf das Vorhaben, erwiderte Bahn-Sprecher Peter Mantik. „Erhebungen sagen uns, dass ein S4-Zug rund 1200 Autos von der Straße nehmen wird, weil diese Menschen dann mit der S-Bahn fahren“, sagte er.

Befürworter betonen verkehrliche Vorteile der neuen S-Bahn

Dass sich die Fahrtzeit verlängern wird, räumten die Vertreter von Bahn und Nah.SH ein. Beide präsentierten dazu aber unterschiedliche Zahlen. Mantik argumentierte, die längere Fahrtzeit gleiche sich unter anderem durch die engere Taktung – während der Hauptverkehrszeiten soll die S4 alle zehn Minuten fahren – und durch die Möglichkeit, ohne Umsteigen vom Hauptbahnhof weiter in die Hamburger Innenstadt zu fahren, aus.

Das Dauerthema Lärmschutz wurde nur am Rande diskutiert. Die Bahn erneuerte ihre Zusage, auf sensiblen Abschnitten die im vergangenen Oktober erstmals vorgestellten, zu 70 Prozent transparenten Lärmschutzwände einzusetzen. In der Debatte wurde auch deutlich, dass die S4 in Ahrensburg nicht nur kritisch gesehen wird. Es meldeten sich zahlreiche Befürworter zu Wort und ernteten für ihre Aussagen Applaus. „Wir sollten auch die Vorteile sehen, die uns die S4 bringt“, argumentierte etwa Olaf Koch, der im Westen der Stadt lebt. „Wir bekommen mit dem Bahnhof Ahrensburg West endlich eine Umsteigemöglichkeit zwischen U- und S-Bahn“, sagte er.

Stadtverordnete wollen Stellungnahme am 6. November beschließen

Am Ende beschlossen die anwesenden Einwohner mit großer Mehrheit alle fünf vorgebrachten Anträge. Ein von der Stadt beauftragter Fachanwalt werde sie auf ihre Rechtsgültigkeit prüfen, kündigte Boege an. Auch den weiteren Zeitplan skizzierte er. Demnach soll der Bau- und Planungsausschuss erstmals am 25. Oktober über die Ergebnisse beraten, anschließend folgt am 30. Oktober die Stadtverordnetenversammlung.

Am 1. November sollen der Bau- und Planungs- und der Umweltausschuss bei einer gemeinsamen Sitzung einen Textvorschlag formulieren, den die Stadt in das Planfeststellungsverfahren einreicht. Beschließen sollen diesen die Stadtverordneten auf einer Sondersitzung am 6. November, zwei Tage, bevor die Einwendungsfrist am 8. November endet. Die Bauarbeiten für die S4 sollen auf Ahrensburger Gebiet Ende 2027 starten und zwei Jahre dauern. Die Gesamtkosten für die neue S-Bahn liegen bei rund 1,85 Milliarden Euro. Der Bund übernimmt mit circa 84 Prozent den Großteil.