Ahrensburg. Bald können Bürger Planungsunterlagen für Mega-Projekt einsehen. Ein Überblick über wichtige Akteure und Positionen.
In einer Woche, am 26. September, beginnt das Planfeststellungsverfahren für den dritten Bauabschnitt der S4. Einen Monat lang haben Bürger, Behörden und Organisationen dann die Möglichkeit, die Unterlagen der Deutschen Bahn für den 8,3 Kilometer langen Trassenabschnitt von der schleswig-holsteinischen Landesgrenze bis zum Ahrensburger Stadtteil Gartenholz einzusehen. Danach gibt es eine zweiwöchige Frist, in der Einwendungen geltend gemacht werden können.
Die neue S-Bahn soll ab Ende 2029 Hamburg-Altona über den Hauptbahnhof mit Bad Oldesloe verbinden und in Stormarn die Regionalbahnen der Linie RB81 ersetzen. Bis Ahrensburg soll es zu den Hauptverkehrszeiten einen Zehn-Minuten-Takt geben, bis Bargteheide einen 20-Minuten-Takt.
S4 nach Ahrensburg: Überblick über die Befürworter und Kritiker
Für die S4 möchte die Bahn zwischen den Stationen Hasselbrook und Ahrensburg zwei zusätzliche Gleise verlegen. Bis Gartenholz ist ein weiteres Gleis vorgesehen. Die Bestandstrasse Hamburg – Lübeck dient als Hinterlandanbindung für den derzeit im Bau befindlichen Fehmarnbelttunnel und soll ab 2029 verstärkt für den Güterverkehr genutzt werden.
Die Schlossstadt wird durch das Großprojekt zwischen 2027 und 2029 für zwei Jahre zur Dauerbaustelle. Doch nicht nur deshalb gibt es in Ahrensburg von verschiedener Seite Kritik an dem Großprojekt. Vor der Auslegung der Planunterlagen gibt das Abendblatt einen Überblick über die Akteure und Positionen.
Deutsche Bahn: Die Bahn betont die verkehrlichen Vorteile. „Wir schaffen erstmals Kontinuität in direkter Linie bis Hamburg-Altona. Wer mit der S4 von Osten kommend in das Hamburger Zentrum fährt, kann ohne Umsteigen am Hauptbahnhof in den Westen der Stadt weiterreisen“, sagt Gesamtprojektleiterin Amina Karam. Die S-Bahn fahre regelmäßiger und zuverlässiger als die störungsanfälligen Regionalbahnen und sei vollständig barrierefrei. Hinzu komme die direkte Umsteigemöglichkeit in die U1 am neuen Bahnhof Ahrensburg West.
Außerdem ermögliche die S4 die Umsetzung umfangreicher Lärmschutzmaßnahmen in Ahrensburg – ein Vorteil mit Blick auf die absehbare Zunahme des Güterverkehrs. Nur durch den Neubau der zwei Gleise für die S-Bahn habe die Stadt einen Anspruch auf zusätzliche Maßnahmen. Mehr Verkehr auf einer Bestandsstrecke sei laut Gesetz hingegen kein Grund.
Um die Auswirkungen der Wände auf das Stadtbild so gering wie möglich zu halten, die den Berechnungen der Bahn bis zu sechs Meter hoch sein müssen, um die gesetzlichen Schallgrenzwerte einzuhalten, möchte das Unternehmen abschnittweise neuartige Elemente einsetzen, die zu 70 Prozent transparent sind. Die Mehrkosten liegen laut Bahn bei etwa 40 Prozent.
Länder Hamburg und Schleswig-Holstein: Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein stehen hinter dem Projekt S4. Im Kieler Landtag fiel der Beschluss, sich an dem rund 1,85 Milliarden Euro teuren Projekt zu beteiligen, im Oktober 2010 und erneut im März 2019 einstimmig aus. Beide Länder hoffen, durch die neue Linie mehr Pendler zum Umstieg vom Auto auf die Bahn bewegen zu können. Sie rechnen mit bis zu 250.000 Menschen, die von der S4 profitieren. Hamburg erhofft sich zudem eine Entlastung des Hauptbahnhofs.
Stadt Ahrensburg: In Ahrensburg hat sich die Position zur S4 gewandelt. Ursprünglich waren die Lokalpolitiker in der Schlossstadt für das Nahverkehrsprojekt, doch inzwischen sehen viele von ihnen die S-Bahn kritisch. „Stand heute sehe ich für uns mehr Nachteile“, sagt etwa der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Bellizzi.
Es gibt vor allem zwei Kritikpunkte: Die Lärmschutzwände und die Tatsache, dass für die neuen Gleise am Rand des Naturschutzgebietes Ahrensburger Tunneltal gebaut werden muss. Beides lehnen die Lokalpolitiker fraktionsübergreifend ab. Dabei ist man weniger gegen die S-Bahn selbst, als gegen die damit einhergehende Zunahme des Güterverkehrs.
Ahrensburgs Politiker haben mehrfach Appelle an die Bahn gerichtet und gefordert, Alternativtrassen zu prüfen, etwa eine Umleitung über die Strecke Lüneburg – Büchen. Das Unternehmen betont, sämtliche andere Varianten hätten in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit schlechter abgeschnitten, doch diese Darstellung wird in der Schlossstadt angezweifelt.
Mit Blick auf die Lärmschutzwände fordert Ahrensburg den Einsatz innovativer Technologien, um auf die Elemente verzichten zu können. Andernfalls würden historische Sichtachsen im Stadtzentrum zerschnitten und die Aufenthaltsqualität leide massiv.
Das sehen nicht nur die Politiker so, sondern auch der Fachdienst Stadtplanung im Rathaus. „Wir befürchten, dass es zu sogenannten Unorten im Schatten der Wände kommt, Plätze mit Hinterhofatmosphäre, die wenig einsehbar sind und sich dadurch der sozialen Kontrolle entziehen“, sagt Fachdienstleiterin Andrea Becker.
BI Ahrensburg gegen Gütertrasse: Die Bürgerinitiative um den Naturfotografen Michael Kukulenz lehnt eine S4 bis Ahrensburg ab. Die neue Linie solle in Rahlstedt enden, die restliche Trasse weiter von den Zügen der RB81 bedient werden.
Außerdem fordert das Bündnis eine Umleitung von Teilen des Güterverkehrs. Dadurch könne auf den Bau der zwei Gleise im Tunneltal und die Lärmschutzwände verzichtet werden. Ein solcher hätte nach Ansicht der Aktivisten katastrophale Auswirkungen auf das Schutzgebiet und dort beheimatete Arten, wie den streng geschützten Kammmolch.
Die Initiative sieht in der S-Bahn für Ahrensburg vor allem Nachteile: Durch zusätzliche Stationen verlängere sich die Fahrzeit zum Hauptbahnhof, außerdem falle Komfort wie die Toiletten in den Zügen weg. Die Bahn solle lieber darein investieren, die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Regionalbahn zu erhöhen.
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BI Lärmschutz Ahrensburg: In der Bürgerinitiative haben sich vor allem Anwohner organisiert, die unmittelbar an den Gleisen leben. Sie befürchten, dass es aus optischen Gründen Abstriche beim Lärmschutz geben könnte. „Es darf nicht sein, dass uns Anwohnern der aus gesundheitlichen Gründen dringend notwendige Schutz aus optischen Gründen vorenthalten wird“, sagt Sprecher Cord Brockmann.
IG Tunneltal: Der Verein hat sich der Bewahrung des Schutzgebietes verschrieben und lehnt eine Baustelle an dessen Rand ab. Kritik gibt es besonders an den Plänen, den beschrankten Bahnübergang Brauner Hirsch im Süden Ahrensburgs durch eine Brücke zu ersetzen. Eine solche zerstöre nicht nur die Sicht über die von eiszeitlichen Gletschern geformte Landschaft.
„Der Bereich ist eine international bedeutende Fundstätte“, sagt Umweltpädagogin Svenja Furken. In unmittelbarer Nähe hatte der Prähistoriker Alfred Rust in den 1930er-Jahren die Überreste steinzeitlicher Rentierjägerkulturen ausgegraben. Experten vermuten laut Furken bis zu 260.000 weitere archäologische Artefakte, die durch den Brückenbau geopfert würden.
Kreisjägerschaft und BUND: Die Kreisjägerschaft Stormarn und die Naturschutzorganisation BUND kritisieren, dass die Pläne der Bahn keine Querungshilfen für Wildtiere vorsehen. Sie befürchten Inzest, wenn die Wanderrouten von Rehen, Hirschen und Wildschweinen zwischen dem Fort Hagen, dem Tunneltal und dem Duvenstedter Brook zerschnitten werden.
„Nur wenn die Tiere sich bewegen können, ist ein genetischer Austausch zwischen unterschiedlichen Populationen möglich“, sagt Ahrensburgs Jagdvorsteher Heino Wriggers. Andernfalls komme es zu Missbildungen, die Tiere seien anfälliger für Krankheiten. Die Jäger und der BUND fordern, dass mehrere Wildbrücken oder -tunnel in die Planungen aufgenommen werden.
Zum Beginn des Planfeststellungsverfahrens ist in Ahrensburg für Mittwoch, 27. September, eine Einwohnerversammlung geplant. Beginn ist um 19 Uhr im Alfred-Rust-Saal (Wulfsdorfer Weg 71).