Barsbüttel. Bank-Geheimnisse: In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Pastor Dino Steinbrink aus Barsbüttel.

Dieser Pastor kann einstecken. Bei der Ausübung seines Hobbys während des Studiums hat Dino Steinbrink ordentlich auf die Socken bekommen, unter anderem einen Rippenbruch erlitten. Auch wäre da noch der lädierte Nerv am Hals trotz Schutzausrüstung. Als Runningback beim American Football war es seine Aufgabe, sich mit dem Ball in der Hand einen Weg durch die gegnerische Defensive zu bahnen. Das gelang nicht immer, wenn ihn zum Beispiel 120 Kilo schwere Kontrahenten packten und zu Boden warfen. Bis in die 2. Bundesliga hat es der Geistliche mit den Cadets, einem Verein aus seiner Heimatstadt Bochum, geschafft. Im Boxer-Jargon würde man sagen: Der Mann hat Nehmerqualitäten.

Das Gotteshaus wurde im Jahr 1953 eingeweiht

Der 43-Jährige erinnert sich gern an diese Zeit. Er sitzt auf seiner Lieblingsbank vor der Kirche in Barsbüttel am Stiefenhoferplatz und betont die Vorzüge dieser Sportart, die manch einer als brutal empfindet. „Es können alle mitmachen, egal ob dünn, dick, groß oder klein. Für jeden ist eine Position dabei. Der Teamgeist ist sehr ausgeprägt“, sagt der Seelsorger. Dann dreht er sich um 180 Grad und blickt auf das im März 1954 eingeweihte Gotteshaus. Allzu oft wird Steinbrink hier nicht mehr in sich gehen und die Gedanken schweifen lassen. Nach mehr als viereinhalb Jahren verlässt er die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Barsbüttel und wird Studienleiter am Pastoralkolleg Ratzeburg, kümmert sich ab 15. August um die Fortbildung junger Kollegen.

Aber zurück zum American Football. Denn eines will Steinbrink unbedingt noch erzählen, dass er nämlich nach dem Wechsel vom Judo endlich wieder zu jeder Zeit essen durfte, was er mag. Bei seiner ersten Sportart tritt er in der Gewichtsklasse bis 65 Kilo an. „Manchmal musste ich vor Wettkämpfen von Mittwoch bis Sonnabend drei Kilo abkochen, war dann dementsprechend schlapp“, sagt er. Denn viel Nahrung nimmt er in diesen Intervallen nicht zu sich. Als Runningback kommt er schließlich auf 84 Kilogramm, trainiert hart für die zusätzliche Muskelmasse und darf dabei üppige Mahlzeiten verschlingen.

Kreislaufzusammenbruch während Bergwerk-Schicht

Mit dem Einstieg in das Berufsleben ist Schluss mit dem Sport für Steinbrink, der bereits in jungen Jahren Zugang zur Kirche findet. Dass sich seine Mutter im örtlichen Kirchengemeinderat engagiert hat, ist aber nicht der Grund seiner Begeisterung für das Thema. „Mein bester Kumpel im Kindergarten war Enkel eines Pastors. Dort war ich oft zu Besuch. Der Mann war eine beeindruckende Person“, erzählt Steinbrink. Er arbeitet schließlich ehrenamtlich für den Kirchenverband, organisiert Ausflüge. Eine Reise mit dem Kirchenkreis nach Tansania und der Kontakt mit dem dortigen Pastor festigen seinen Berufswunsch. Also studiert er Theologie – in Bochum, Kiel und Münster.

Daneben arbeitet er auch in Zechen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können, zum Beispiel in Duisburg, geht bis in 900 Meter Tiefe. Bei seiner letzten Schicht in einem Bergwerk in Marl passiert es: „Ich hatte meinen Drei-Liter-Wasser-Vorrat verbraucht, die Luft war stickig. Dann bin ich abgeklappt.“ Ein Kreislaufzusammenbruch, die Grubenwehr eilt zur Rettung herbei. Der damals 26-Jährige bleibt unverletzt.

Steinbrink hätte auch in Barsbüttel bleiben können

Nehmerqualitäten sind auch bei seiner ersten Pastorenstelle in Boizenburg gefragt. Es gibt Stress mit der NPD wegen der Flüchtlingsarbeit. Steinbrink wird bedroht. Es sind Zustände, die er in Barsbüttel nicht erlebt. Dort, wo die Mitgliederzahl der Kirchengemeinde während seiner Amtszeit von rund 2500 auf etwa 2250 geschrumpft ist – ein allgemeiner Trend. Dafür hat es Steinbrink geschafft, Jungen und Mädchen zu begeistern. Im Jugendteam waren bei seinem Antritt im Dezember 2015 drei Personen aktiv, jetzt sind es 13. Beliebt sind vor allem seine Paddeltouren auf der Müritz inklusive Zeltlager. 2018 wird die Reise abgebrochen, Starkregen spült die Zelte weg. Auch in solchen Momenten zieht er Positives aus der Situation, sagt im Nachgang: „Je widriger die Umstände sind, umso mehr wächst die Gruppe zusammen.“

Steinbrink hätte auch in Barsbüttel bleiben können, das 180-Quadratmeter-Pfarrhaus bietet reichlich Platz für ihn und seine Frau (39), die Lehrerin an einem Gymnasium in Boizenburg ist. Kinder hat das Paar nicht, obwohl der Wunsch dagewesen ist. Er lässt sich jedoch nicht erfüllen. Damit haben sich die Steinbrinks abgefunden. Natürlich werde er die Kerngemeinde vermissen, der Umgang sei sehr herzlich, sagt der Pastor. Er gehört aber nicht zu jenen, die Jahrzehnte an einem Ort bleiben. Und die neue Aufgabe reizt ihn natürlich. „Wir stehen vor großen Herausforderungen, das Pastorenbild ändert sich gerade“, sagt er. Das Feld für die Nachfolge in Barsbüttel sei gut bestellt.

Vor seinem Wechsel hält er noch einige Gottesdienste ab

Künftig wird er viel unterwegs sein, von Flensburg bis Usedom den Nachwuchs beraten. Es geht nicht nur um Gottesdienste, andere Handlungsfelder des Pfarrberufs wie Öffentlichkeitsarbeit und Religionspädagogik spielen ebenfalls eine Rolle. Auch die Kirche muss sparen und schließt mancherorts Gotteshäuser. Kritik daran von betroffenen Personen in den Gemeinden kann Steinbrink nachvollziehen: „Viele Menschen verbinden mit dem Gebäude etwas ganz Besonderes. Aber das Angebot der Kirche als solches wird nicht schlechter.“

Er selbst hat Jazzgottesdienste besucht, kennt einen Kollegen, der einen Stuhl auf dem Marktplatz installiert und dort offene Gesprächsrunden anbietet. Nach dem Motto: Wenn ihr nicht in die Kirche kommt, dann komme ich zu euch. „Es gibt nicht das Format, mit dem wir alle erreichen. Die Vielfalt ist wichtig“, sagt Steinbrink. Er findet es gut, neue Ideen umzusetzen und somit zu versuchen, die Kirche attraktiver zu machen.

Der Pastor veröffentlichte Andachten auf YouTube

In den kommenden Wochen wird Steinbrink noch einige Gottesdienste in Barsbüttel abhalten. Nach weiteren Corona-Lockerungen dürfen jetzt 26 Personen aus unterschiedlichen Haushalten dabei sein. Als das Gebäude geschlossen war, veröffentlichte der Pastor Andachten auf YouTube. Schon im September wird er zu einem Blitzbesuch in der Stormarner Gemeinde zurück sein, konfirmiert Jungen und Mädchen, die er ein Jahr lang betreut hat. Womöglich befindet sich darunter ja eine Person, die er für die Kirche begeistert hat und in einigen Jahren fit für den Pastorenberuf macht.