Reinbek. Bank-Geheimnisse: In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Schwester (Sr.) Maria Barbara Hellmann.
„Gibt es Gott?“ – eine essenzielle Frage, die sich Schwester (Sr.) Maria Barbara Hellmann im Alter von 17 Jahren immer und immer wieder stellte. Eine Frage, die die junge Frau damals sehr beschäftigte. Und heute? Heute ist die 90 Jahre alte Ordensschwester aus Reinbek dankbar dafür, einst die Antwort gefunden zu haben, die ihr Leben komplett veränderte.
Schwester Barbara erhielt höchste Auszeichnung des Erzbistums Hamburgs
Für längere Wege greift Sr. Barbara gern zu ihrem Rollator. Oder wie sie selbst scherzhaft sagt, zu ihrem Mercedes. „Da fühle ich mich einfach sicherer und bin schneller“, sagt sie und düst los. Langsam ist sie damit tatsächlich nicht, im Gegenteil, sie wurschtelt sich flinken Fußes durch die „Geheimgänge“ vom Schwesternhaus zum St. Adolf-Stift hinüber. „Dort, wo jetzt weitere Krankenhausräume sind, hatte früher die ,Katholische Wohltätigkeitsanstalt zur heiligen Elisabeth’, die Trägerin unserer sozialen Einrichtungen in Deutschland, ihren Sitz“, erzählt sie, lächelt und wirft einen schnellen Blick hinein. In den vergangenen Jahren habe sich das Krankenhaus sehr stark verändert, aber das sei auch gut so. „Nur wenn ein Krankenhaus umbaut und investiert, ist es doch gesund“, sagt sie. Dann geht es nach draußen in den Park des St. Adolf-Stifts. Auf eine Bank, die sie besonders gern mag. Warum? „Hier sitze ich vor allem an warmen Sommerabenden gern, wenn die Vögel ihr Abendkonzert geben, eine leichte Brise mich erfrischt, und die Abendstille die Menschen zur Ruhe kommen lässt.
Im Februar hat Schwester Barbara die höchste Auszeichnung des Erzbistums Hamburgs erhalten. Erzbischof Stefan Heße überreichte der Ordensschwester die Sankt-Ansgar-Medaille, die an besonders verdiente Menschen für ihren vorbildlichen Einsatz durch ehrenamtliches Engagement auf überpfarreilicher Ebene vergeben wird. Die Medaille ist aus Silber gefertigt und teilvergoldet. Sie zeigt den Heiligen (Hl.) Ansgar (801–865), der erster Bischof von Hamburg war und Patron des Erzbistums Hamburg ist. Sr. Barbara wurde für ihr großes Engagement im Krankenhausbereich und für Obdachlose geehrt. „Das war ein toller Moment“, sagt die Ordensschwester, „aber ich habe sie nicht allein verdient.“ Was sie damit genau meint, klärt sich im weiteren Gespräch.
Im März 1951 trat Sr. Barbara in die Ordensgemeinschaft ein
Aufgewachsen ist Sr. Barbara in Sachsen-Anhalt. Ihr Vater war katholisch, ihre Mutter evangelisch. „Über Gott gesprochen wurde bei uns nicht. Auch hatte ich keinen Religionsunterricht an der Schule“, erzählt sie. Manchmal kam sie aber mit Menschen ins Gespräch, die an Gott glaubten. „Die Frage nach ihm wurde mir immer wichtiger. Ich begann zu beten: ,Wenn du da bist, hilf mir, dass ich an dich glauben kann!’ Diese wenigen Worte – oft wiederholt – führten mich langsam zu ihm. Eines Tages wusste ich, dass er da ist und mich erwartet.“ Aber wie konnte sie ihn kennenlernen? Eine Mitarbeiterin aus dem Kinderheim, in dem sie damals arbeitete, lud sie ein, mit ihr zusammen den katholischen Gottesdienst zu besuchen. Aber die Unsicherheit blieb. War das der Weg? Schließlich kam eines zum anderen. „Eines Tages begab ich mich in das katholische Pfarramt, um mit einem Priester über den Glauben zu sprechen“, sagt sie und schaut auf die noch kahlen Bäume im Krankenhaus-Park. „Als ich mit ihm sprach, wusste ich plötzlich: Hier bist du richtig.“
Sie meldete sich zum Konvertiten-Unterricht an und wurde am 1. Oktober 1949 in die Kirche aufgenommen. Die Vorbereitung auf die Konversion war eine sehr glückliche Zeit. Sie kam ihr vor wie eine Verlobungszeit. Sie war so glücklich, Gott kennengelernt zu haben. Von jetzt an wollte sie ganz für ihn und mit ihm leben. Der Weg, in eine Ordensgemeinschaft einzutreten, erschien ihr als gute Möglichkeit dazu. Natürlich konnte sie diesen Wunsch nicht sofort verwirklichen, aber im März 1951 trat sie in die Gemeinschaft der „Schwestern von der hl. Elisabeth“ ein.
Die 90-Jährige pendelte zwischen Kopenhagen und Reinbek
Sr. Barbara macht eine Pause, sie wird ruhig und es hat den Anschein, als würden sich ihre Augen mit kleinen Tränen füllen. „Ich denke gerade an meine Mutter“, sagt sie, „eine wunderbare Frau.“ Als sie sich damals für ein Leben im Orden entschieden hätte, stieß sie bei ihrer Familie auf keine große Begeisterung. Keiner verstand diesen Schritt. „Aber meine Mutter sagte zu mir: ,Wenn du glaubst, dass es dein Weg ist, musst du es tun.’“
Bevor Schwester Barbara von 1984 bis 1996 als Provinzoberin der Norddeutschen Provinz der Elisabethschwestern in Reinbek tätig und zugleich von 1984 bis 2007 Vorsitzende des Vorstands der Katholischen Wohltätigkeitsanstalt zur heiligen Elisabeth (KWA) war, lebte sie 30 Jahre in Dänemark – in Kopenhagen. „Ich habe sogar noch die dänische Staatsbürgerschaft“, erzählt die 90-Jährige. Und fließend dänisch sprechen könne sie auch noch. „Nur diese neumodischen Wörter aus der digitalen Welt kenne ich nicht“, scherzt sie. In Kopenhagen hat Sr. Barbara fast 30 Jahre als Lehrerin gearbeitet, nebenbei den Kirchenchor geleitet und in der Pfarrgemeinde mitgearbeitet. Als sie in den Provinzrat gewählt worden war, pendelte sie manchmal zwischen Kopenhagen und Reinbek.
Ehrenamtliches Engagement auf Hamburg-St. Pauli
Am 2. Januar 1985 hieß es dann aber endgültig Abschied nehmen und ein neues Leben in Reinbek beginnen. „Ich wurde zur Provinzoberin gewählt und gleichzeitig war ich Vorstandsvorsitzende der KWA.“ Bis dahin hatte Schwester Barbara kaum Einblick in die Leitung von Krankenhäusern, aber trotzdem musste sie diese führen. „Es gehörte zum mir übertragenen Amt“, sagt sie. Rückblickend konnte sie auch sagen: „Es war dennoch eine gute Zeit. Ich hatte sehr gute Mitarbeiter, sowohl in der Zentralleitung der KWA als auch in den Einrichtungen. Wir haben immer vertrauensvoll miteinander gearbeitet. Deswegen haben auch meine Mitschwestern und meine früheren Kollegen Anteil an der Ansgar-Medaille.“ Die Jahre in der Doppelführung waren für Schwester Barbara eine große Herausforderung, denn auch die Zusammenführung der KWA-Krankenhäuser und weiterer sozialer Einrichtungen in Ost- und Westdeutschland fielen in ihre Amtszeit.
Obwohl die Ordensschwester schon genug Aufgaben mit Verantwortung hatte, engagiert sie sich seit 1993 ehrenamtlich in der sogenannten Alimaus auf Hamburg-St. Pauli. „Die Gemeindereferentin aus Niendorf, Gabriele Scheel, kam einst auf mich zu und fragte, ob wir nicht bei der Ausgabe warmer Mahlzeiten für Drogenabhängige helfen könnten“, sagt Sr. Barbara und lächelt, als sie an diese Zeit zurückdenkt. Zwölf Schwestern hätten sich damals gemeldet, und von da an haben die Elisabeth-Schwestern immer montags die warme Mahlzeit ausgeteilt. Für die Essensausgabe hatten Mitglieder der St. Ansgar-Gemeinde in Hamburg-Niendorf einen alten Zirkuswagen hergerichtet“, lacht sie herzhaft und ergänzt, dass es darin richtig gemütlich war. Bald kamen nicht nur Drogenabhängige, sondern auch andere Bedürftige, um in der Tagesstätte für Obdachlose zu essen. „Es war für alle, die an diesem Projekt mitarbeiteten, besonders wichtig, dass die Menschen, die zu uns in die Alimaus kamen, das Gefühl hatten, sie werden geachtet. Wir wollten ihnen nicht nur zu essen geben, sondern ihnen helfen, ihre menschliche Würde wieder zu erlangen.“ Nach dem Tod von Pfarrer Rothert und Gabriele Scheel wurde Pater Dr. Karl Meyer erster Vorsitzender des „Hilfsverein Sankt Ansgar e. V.“, der Träger der Alimaus ist. Sr. Barbara stand ihm 2001 bis 2014 als 2. Vorsitzende zur Seite.
Sr. Barbara engagiert sich immer noch für die Alimaus
Mittlerweile ist Schwester Barbara nicht mehr regelmäßig vor Ort, arbeitet aber hinter den Kulissen weiter. „Montags helfen neben unseren Schwestern auch Frauen aus Reinbek oder Barsbüttel in der Tagesstätte für Obdachlose Alimaus. Fünf Ordensschwestern sind noch aktiv. Ich kümmere mich um die Einsatzpläne“, sagt sie, „und um die Vorbereitung unserer ökumenischen Gottesdienste.“
Trotz ihrer 90 Jahre scheint Schwester Barbara noch nicht müde zu sein und hilft, wo sie kann. Aber manchmal nimmt sie sich auch Zeit für sich selbst, macht einen Spaziergang, liest ein gutes Buch, löst Kreuzworträtsel oder ein Sudoku. Kurz vor Ende des Gesprächs blickt Sr. Barbara noch einmal durch den Krankenhaus-Park und sagt mit ruhiger Stimme: „In Reinbek leben viele freundliche Menschen, deswegen lebe ich gern hier. Aber Kopenhagen fehlt mir doch immer noch.“