Reinbek. In der Serie Bank-Geheimnisse treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Jochen Sohrt, Polizist in Reinbek.
Architekt wäre nicht schlecht gewesen. Diesen Beruf hätte sich Jochen Sohrt als Jugendlicher gut vorstellen können. Doch seine Mutter war dagegen, wollte, dass der Junge nach der Schule einen Weg im öffentlichen Dienst einschlägt. Sicherheit im Job war die oberste Prämisse. Verhandlungsspielraum gleich Null. Der Grund für diese Haltung ist ein tragischer: Der Vater starb im Alter von 40 Jahren an Herzversagen. Er war Landwirt und hinterließ seine Frau mit einem verschuldeten Hof in Böel (Kreis Schleswig-Flensburg).
Allein konnte die Mutter den Betrieb nicht halten. Sie hatte zudem drei Kinder zu versorgen. Also ging Jochen Sohrt zur Polizei – und machte dort Karriere. Heute ist er stellvertretender Revierleiter in der Stadt Reinbek und damit auch verantwortlich für rund 70 Kollegen in den Stationen in Glinde, Barsbüttel, Wentorf sowie Aumühle.
„Ich habe meiner Mutter viel zu verdanken, von ihr immer Anerkennung bekommen“, sagt der 55-Jährige. Sohrt sitzt entspannt auf seiner Lieblingsbank vor dem Reinbeker Schloss, blickt auf den Mühlenteich. Als die Mutter für immer einschlief, war er bei ihr. Dass die resolute Dame damals Druck auf den Sohn gemacht hatte und dem Rat des Rektors nicht nachkam, der zum Abitur riet – Schwamm drüber. „Ich habe jetzt eine Berufszufriedenheit“, sagt Sohrt, obwohl er einige Dinge bereue. Zum Beispiel, in den vergangenen 25 Jahren nicht aus Stormarn herausgekommen zu sein. „Ich hätte auch Interesse gehabt, an der Polizeischule zu unterrichten.“
„Ich werde den Kollegen nicht gerecht, wenn ich behaupte, wir sind gut aufgestellt“
Mit jungen Menschen kann er umgehen. Womöglich liegt es auch daran, dass der Hauptkommissar selbst einen erfrischenden Eindruck macht. Wenn er spricht und bestimmte Satzteile betont, hört man automatisch zu. Die Aussagen sind klar formuliert und verständlich. Jochen Sohrt ist einer, der Tacheles redet und nicht um den heißen Brei herum.
Er sagt zum Beispiel: „Ich werde den Kollegen nicht gerecht, wenn ich behaupte, wir sind gut aufgestellt. Das Personal reicht nie.“ Allerdings mache das Land viel für die Attraktivität des Berufes, die Sachausstattung sei besser geworden. Und er schwärmt von der Ausbildung. Sohrt kann das gut beurteilen, schon wegen seiner Erfahrung.
Mit 17 Jahren geht er nach Eutin auf die Polizeischule, wechselt später nach Kiel und ist als Polizeimeister Gruppenführer. Unter anderem wird Sohrt zu den Großdemonstrationen beim Kernkraftwerk Brokdorf geschickt. Er bildet sich fort, studiert an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz und wird Diplom-Verwaltungsfachwirt – die Voraussetzung für den gehobenen Dienst. 1993 tritt er seinen Job in Glinde an, wohnt zu jener Zeit mit seiner Frau Christine in Hamburg-Eimsbüttel. Die Mietwohnung ist schön, aber sie wollen Eigentum, kaufen ein Haus in Poppenbüttel. Dort leben die Sohrts seit 20 Jahren. Tochter Johanna (22) hat ihren Bachelor-Abschluss in der Tasche, macht gerade eine Sprachausbildung in Argentinien.
Einsetzen musste er die Waffe noch nie
Zwei Jahrzehnte ist Sohrt in Glinde, wechselt dann nach Reinbek. Er beginnt in Stormarn im Ermittlungsdienst, Schwerpunkt Jugendkriminalität. „Das hat viel Spaß gemacht, wir haben etwa mit der Sönke-Nissen-Park-Stiftung Arbeitskreise mit dem Namen Jugend und Gewalt installiert.“ Seinerzeit bereiteten junge Menschen den Ordnungshütern vermehrt Probleme. „Schulische Veranstaltungen mussten von der Polizei begleitet werden“, sagt der Beamte. Inzwischen ist die Jugendkriminalität weniger geworden. Sohrt nennt als einen Grund, dass die Jugend durch die zunehmende Digitalisierung einen anderen Fokus habe.
Seine Waffe, die er im Dienst immer bei sich hat, ist nicht sichtbar und gut unter der Kleidung versteckt. Einsetzen musste Sohrt sie noch nie. Genauso verhält es sich andersherum. Verletzt oder angegangen wurde er im Dienst bisher nicht. Pöbeleien sind die Ausnahme. Vor dem früheren Thor-Steinar-Laden in Glinde mit seiner bei Rechtsextremisten beliebten Kleidung wurde er schon einmal verbal attackiert. Er sagt: „Ich bin aber nicht der klassische Polizist mit 20 Jahren Schichtdienst.“
Rechtsruck in Europa bereitet dem Ordnungshüter Sorgen
Bereits in Glinde war Sohrt stellvertretender Wachenleiter. Jetzt kümmert er sich vornehmlich ums Administrative, gestaltet etwa die Personalplanung und verbringt viel Zeit im Büro. Aber natürlich ist er auch dort, wo sich Schreckliches ereignet. Er erinnert an den Glinder Arzt, der seinen zwei Kindern das Leben nahm. Oder an einen jungen Dänen, der bei einem Verkehrsunfall auf der K 80 starb. Fälle, die ihn bewegen. Allerdings nimmt der Hauptkommissar diese nicht mit nach Hause. Er könne gut abschalten, Beruf und Privatleben trennen.
Sohrt entspannt beim Lesen, verbringt die Freizeit mit der Familie im Garten und zählt das Radfahren zu seinen Hobbys. Geschichte interessiert ihn genauso wie Politik. Was ihn derzeit bewegt? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Europa. Der Rechtsruck beschäftigt mich, dieses Nationalstaatengehabe etwa in Polen und Österreich. Ich blicke besorgt auf diese Entwicklung.“ Das Wort Angst vermeidet er bewusst. Getreu dem Motto diese sei ein schlechter Ratgeber.
Sohrt ist ein positiv denkender Mensch, der klare Kante zeigt. Dinge, die intern nicht gut laufen, spricht er sofort an: „Man muss immer authentisch sein.“ Das gelte auch für die Kommunikation mit den Bürgern beim Thema Sicherheit. „Ich mache den Leuten klar, was realistisch ist. Wir können natürlich nicht garantieren, alle zehn Minuten einen Streifenwagen in jede Straße zu schicken, um nach möglichen Einbrechern zu schauen.“ Er sage den Menschen auch klipp und klar, wie viele Autos der Polizei zur Verfügung stünden. So will er ein Vertrauensverhältnis aufbauen.
Themen wie Einbrüche, Enkel-Trick-Masche und Cyber-Kriminalität stehen bei der Polizei ganz oben
Dass die Spurensicherung auf neue Beine gestellt und die Zusammenarbeit mit Hamburg verstärkt wurde, findet der Polizist „wirklich gut“. Denn das spiegele sich in der Einbruchsstatistik wider. Die Zahl ist gesunken. Trotzdem stehe das Thema nach wie vor neben der Enkel-Trick-Masche und Cyber-Kriminalität ganz oben bei der Polizei. Über mangelnde Akzeptanz bei der Bevölkerung kann sich der Ordnungshüter nach eigenen Angaben nicht beschweren. „Ich glaube, dass wir wahrgenommen werden. Die Kollegen werden von den Bürgern jedenfalls mit Kuchen und Kaffee belohnt.“ Die Zahl der Belobigungen sei höher als jene von Dienstaufsichtsbeschwerden. Zum Thema Gewalt und Kriminalität in seinem Revier sagt er: „Ich glaube, dass die Menschen hier gut leben können, ohne große Angst haben zu müssen.“
Jochen Sohrt tritt für die Einhaltung von Regeln ein, doch hat er sich auch immer an diese gehalten? Nicht wirklich. Natürlich hat er Straftickets für zu schnelles Fahren kassiert und Bußgeld bezahlt, daraus macht er keinen Hehl. Eines ist ihm jedoch wichtig zu betonen: „Ich bin noch nie alkoholisiert im Straßenverkehr unterwegs gewesen.“ Die Art und Weise, wie er das mit dieser ganz speziellen Betonung sagt, klingt überzeugend.