Ammersbek/Barsbüttel. Stormarner Kommunen beklagen Steigerungen von mehr als 200 Prozent in der Kinderbetreuung und fordern weitere Zuschüsse. Die Details.
„Die Ausgaben für die Kinderbetreuung sind bei uns im vergangenen Jahr auf gut 3,2 Millionen Euro gestiegen. Das sind über 200 Prozent mehr als vor zehn Jahren“, sagt der Bürgermeister von Großhansdorf, Janhinnerk Voß. Für ihre Schulen musste die Waldgemeinde 168 Prozent mehr ausgeben. „Bezogen auf die wichtigsten Haushaltspositionen sind unsere Ausgaben um knapp 53 Prozent gewachsen, während unsere Einnahmen nur ein Plus von gut 36 Prozent aufweisen. Die Differenz müssen wir anders finanzieren“, so Voß.
Die Gemeinde steht damit beispielhaft für eine Entwicklung, die viele Kommunen im Kreis und im Land trifft: Die Aufgaben wachsen, die dazu nötigen Mittel jedoch nicht in vergleichbarer Höhe. Das Abendblatt zeigt anhand der vier amtsfreien Kommunen im Kreis auf, wie sich die Kosten bei ihnen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben. Thomas Schreitmüller, Bürgermeister von Barsbüttel, ist Landes- und Kreisvorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages. Er sagt: „Wir brauchen mehr Geld vom Land oder Bund, um diese Aufgaben bewältigen zu können.“
Geringerer Zuwachs für Kinder in Elementargruppe
Wie berichtet, war erst Anfang dieses Jahres ein Entlastungspaket zwischen Land und Kommunen für die Jahre 2018 bis 2020 verabschiedet worden. Dadurch erhöht sich der Landeszuschuss sofort von 222 auf 265 und im nächsten Jahr auf 275 Millionen Euro. Für Krippen steigt der Zuschuss damit von 50 auf 80 Millionen, im kommenden Jahr sogar auf 95 Millionen Euro. Für den Elementarbereich gibt es in diesem Jahr 15 Millionen zusätzlich, in den nächsten beiden Jahren sind es jeweils 20 Millionen mehr. Dazu bekommen die Kommunen 15 Millionen Euro für Investitionen, weitere 50 Millionen fließen in die Sanierung und den Neubau von Schulen, 7,5 Millionen in Sportstätten. Thomas Schreitmüller hat die Kommunen als Vorsitzender des Gemeindetages bei den Verhandlungen vertreten.
Auf diese heruntergebrochen, bleibe von dem dreistelligen Millionenbetrag jedoch nicht viel übrig, sagt Schreitmüller und veranschaulicht: „Von der Förderung der Krippe (bis drei Jahre) die bisher 50 Millionen im Jahr betragen hat, landen nur knapp 450.000 Euro in Barsbüttel“, sagt er. Mit der Anhebung auf 80 Millionen würden es rechnerisch 713.000 Euro. „So viel wird es allerdings nicht, da ja auch die Zahl der Betreuungsplätze im Land wächst“, so Schreitmüller. In Barsbüttel werde bereits heute für rund 90 Prozent der Kinder eine Betreuungsmöglichkeit nachgefragt. Geringer fällt der Zuwachs für die Kinder in einer Elementargruppe (drei bis sechs Jahre) aus. Selbst bei gleicher Platzzahl dürfte er in Barsbüttel nur von 913.000 auf 972.000 Euro steigen.
Anspruch auf Nachmittagsbetreuung an Grundschulen
Bürgermeister Schreitmüller sagt: „Die Kinderbetreuungskosten sind landesweit allein von 2016 auf 2017 um 90 Millionen Euro gestiegen.“ Ersetzen würde das Land den Kommunen davon nun jedoch nur rund die Hälfte. Dabei rühre die Kostensteigerung sowohl aus einer Erhöhung der Platzzahl als auch einer Verlängerung der Betreuungszeiten. „Das durchschnittliche Kind wird bei uns in Barsbüttel mindestens sechs Stunden am Tag betreut“, sagt er.
Für Janhinnerk Voß ist außerdem absehbar, dass weitere Kosten auf die Kommunen zukommen: „Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin ist gerade beschlossen worden, künftig einen Anspruch auf Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen einzuführen“, so Voß. Selbst wenn es eine Anschubfinanzierung gebe, so vermutet er, dass ein Teil der Kosten wieder an den Städten und Gemeinden hängen bleibt.
Ausgaben der Kommunen steigen stärker als Einnahmen
Dennoch bleibt festzuhalten, dass auch die Einnahmen der Gemeinden gestiegen sind: In der Waldgemeinde Großhansdorf zum Beispiel, die verhältnismäßig wenig Gewerbe hat, stieg allein die Gewerbesteuer um etwas mehr als 80 Prozent auf 1,55 Millionen Euro. Prozentual weniger spektakulär, in absoluten Zahlen für Großhansdorf jedoch viel wichtiger: Die anteilig der Gemeinde zukommende Einkommensteuer ist von gut 4,3 auf knapp 6,2 Millionen Euro im Vergleich zu vor zehn Jahren gestiegen und liegt damit um knapp 43 Prozent höher. Bezogen auf die wichtigsten Haushaltspositionen sind die Einnahmen der Gemeinde damit um gut 36 Prozent und somit von knapp neun Millionen auf gut zwölf Millionen Euro angewachsen. Dennoch reicht dieser Anstieg nicht, um die Kostendifferenz von etwa 16 Prozent zu decken.
Doch selbst Gemeinden mit deutlich höherem Gewerbesteuereinnahmen haben Probleme mit diesen Ausgaben. Denn ihre Steuerkraft ist so stark, dass sie hohe Abgaben an Land und Kreis leisten müssen: Schreitmüller: „Anders als Großhansdorf bleibt uns nur etwa ein Drittel von der Gewerbesteuer. In Oststeinbek ist es noch weniger. Die Gemeinde hat nach Verwaltungsangaben ihre Gewerbesteuereinnahmen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, hat im Jahr 2017 nach vorläufigen Zahlen gut 24 Millionen Euro eingenommen. Mit den Einnahmen gestiegen ist jedoch auch die Steuerkraft. Darum muss sie heute fast fünf Mal mehr Geld in die Finanzausgleichsumlage einzahlen, die finanzschwächeren Gemeinden im Land zugute kommt. Dadurch bleiben Oststeinbek von jeder eingenommenen Million nur etwas mehr als 200.000 Euro, wie Bürgermeister Jürgen Hettwer erklärt. Auch hier sind die Ausgaben die hauptsächlich in den Schulbereich fließen, in den vergangenen zehn Jahren um 73 Prozent gestiegen, für Kitas sind es sogar gut 118 Prozent. „Dabei haben wir schon davor erheblich in den Bereich investiert.“ Nach bisherigen Zahlen konnte die Gemeinde jedoch im vergangenen Jahr noch einen Überschuss von rund zwei Millionen Euro erwirtschaften.
Voß wünscht sich die Rückkehr zur Drittel-Regelung
„Allerdings bleiben die Kosten auf diesem Niveau – auch wenn Steuereinnahmen wieder sinken sollten“, sagt Hettwer. Viele Möglichkeiten, die höheren Kosten aufzufangen, sieht er nicht. „Steuern, die wir erhöhen, fließen wegen unserer Finanzkraft größtenteils an das Land oder den Kreis“, sagt Bürgermeister Jürgen Hettwer. Amtskollege Voß dazu: „Unsere Gemeindevertretung diskutiert Steuererhöhungen jedes Jahr.“ So sei zuletzt eine Erhöhung der Gewerbesteuer diskutiert, dann aber wieder verworfen worden. „Es ist eine politische Frage“, sagt Voß. Ob ein moderat höherer Satz Unternehmen im Zweifel zum Wegzug veranlasse, sei schwer abzusehen.
Er wünscht sich deswegen den Zustand aus den 1990er-Jahren zurück. „Damals haben Land, Kommunen und Eltern jeweils etwa ein Drittel der Beiträge bezahlt“, sagt er. Heute seien es eher 50 Prozent, die die Kommunen beisteuern müssten, von den Eltern kämen weiterhin rund 30 und vom Land nur noch etwa 20 Prozent.
Dabei unterstützen die Kommunen durchaus das politische Ziel, die Betreuung auszuweiten und die Elternbeiträge dabei möglichst gering zu halten. „Das Geld dafür muss jedoch vom Land oder Bund kommen“, sagt Schreitmüller. Unabhängig vom Geld bleibt den Kommunen jedoch ein weiteres Problem: „Gerade im Grenzgebiet zu Hamburg finden wir kaum noch Personal für unsere Kinderbetreuungseinrichtungen.“