Glinde. Stadtrundgang mit Rainhard Zug. Der Bürgermeister sagt, welchen Vorteil Olympische Spiele in Hamburg für seine Kommune hätten.

Neulich, an einem Nachmittag am Wochenende, besuchte Rainhard Zug den TSV Glinde. Die offizielle Einweihung des neuen Kunstrasenplatzes stand auf dem Programm. Für den Bürgermeister ein Pflichttermin. Er hat ihn gern wahrgenommen. „Weil das, was dort entstanden ist, nur durch das unermüdliche Engagement der Glinder möglich war. Die Sachen selbst in die Hand zu nehmen und dabei Kreativität zu zeigen, zeichnet die Bürger aus“, sagt der 44 Jahre alte Diplom-Verwaltungswirt. Der klamme Klub hatte mit findigen Ideen jede Menge Spenden gesammelt und so das nötige Geld zusammengekratzt, um das von der Stadt geförderte 590.000-Euro-Projekt zu realisieren.

Zug verbringt viel Zeit auf solchen Veranstaltungen in seiner Kommune. „Dort komme ich mit Bürgern ins Gespräch und erhalte ein Gespür dafür, ob man in der Spur ist.“ Seit seinem Amtsantritt am 1. April 2010 – die Periode endet 2018 – hat sich in Glinde einiges getan. Unter anderem der Bau einer 4,8 Millionen Euro teuren Feuerwache und zweier Kindertagesstätten. „Wir versuchen, die Stadt qualitativ voranzubringen“, sagt der Verwaltungschef. Einige Projekte sind in Arbeit, andere in Planung, weitere eine Vision. Zum Beispiel die Anbindung ans U-Bahnnetz. Bei einem Stadtspaziergang gab Zug dem Abendblatt tiefere Einblicke.

Stadtentwicklung

Die Ex-Kneipe Filou in der Stadtmitte soll einem Hochaus weichen.
Die Ex-Kneipe Filou in der Stadtmitte soll einem Hochaus weichen. © René Soukup | René Soukup

Bei der optischen Gestaltung des Glinder Stadtkerns gehen die Meinungen weit auseinander. Kritiker beklagen zu viele hohe Gebäude, die es auf bis zu neun Geschosse bringen. Zug kann dieser Tatsache Positives abgewinnen: „Hier kommen viele ältere Menschen unter. Sie haben kurze Wege zum Bus, zum Markt oder auch zur Volkshochschule.“ Er zeigt beim gemeinsamen Spaziergang durch die Kommune auf die ehemalige Gaststätte Filou an der Ecke Oher Weg/Avenue St. Sébastien. Das dort ansässige Friseurgeschäft zieht demnächst einige Meter weiter in ein Gebäude am Markt. Das Haus soll abgerissen und durch einen Wohnkomplex mit fünf Etagen plus Staffelgeschoss ersetzt werden. Gleiches ist auch mit der gelben Villa auf der gegenüberliegenden Straßenseite geplant. Sie steht seit Jahren leer. Zug sagt, man habe hier das Potenzial, verträglich in die Höhe zu wachsen. „Das gilt insbesondere für die Gebäude am Markt, die höchstens dreigeschossig sind.“ Die Außenbereiche seien flach, und daran werde sich im Wesentlichen auch nichts ändern.

Bevölkerung

Die Zahl der Einwohner ist in den vergangenen fünf Jahren kräftig gestiegen. 2010 zählte die Kommune im Süden Stormarns 16.500 Bürger, jetzt sind es 18.500 – dank des Neubaugebietes An der Alten Wache. „Die Menschen möchten in Glinde wohnen, sie sind bereit, viel Geld zu bezahlen“, sagt Zug. Zehn bis zwölf Euro Kaltmiete für den Quadratmeter seien inzwischen Normalität. Eine vom Kreis in Auftrag gegebene Studie bescheinigt der Kommune weiteres Wachstum. Demnach müssten bis 2030 aber rund 900 neue Wohnungen entstehen, um den Bedarf zu decken. Das ist laut Zug nicht zu schaffen. Die Stadt werde in den nächsten Jahren die 19.000-Einwohner-Marke erreichen, aber nicht über 20.000 kommen.

Baugebiete

„Wir haben beim Alten Bahnhof am Golfplatz und Am Sportplatz bei der Kiesgrube zwei Flächen, wo sich noch größere Projekte realisieren lassen“, sagt Zug. Das sei aber momentan kein Thema. Und an Grünflächen und Naherholungsgebiete wolle keiner rangehen. „Ein großes Baugebiet mit bis zu 300 Einheiten kann ich mir in fünf bis zehn Jahren vorstellen.“ Ansonsten werde die Stadt kleinteilig wachsen, denn Bebauung sei nur noch auf privaten Flächen möglich. Das passiere auch regelmäßig in Glinde. Alte Häuser würden abgerissen, Grundstücke teilweise dazugekauft.

Altes Gleisdreieck

Im Zentrum der Stadt am alten Gleisdreieck entstehen bald 153 Wohnungen verteilt auf sieben Häuser, 60 Prozent davon sind öffentlich gefördert. Das 2,1 Hektar große Areal, das vom Wohnungsunternehmen Semmelhaack mit Sitz in Elmshorn umgestaltet wird, ist die letzte bebaubare Fläche dieser Größenordnung, die der Stadt gehört. Das Investitionsvolumen beträgt rund 20 Millionen Euro. Baustart soll im Frühjahr des kommenden Jahres sein, die Fertigstellung ist für Ende 2017 angedacht. Zug will mit Semmelhaack beim Thema sozialer Wohnungsbau auch künftig zusammenarbeiten.

Golf-Hotel mit Wellnessanlage

Planungen, Skizzen für das Golf Gut Glinde Wellness Ressort
Planungen, Skizzen für das Golf Gut Glinde Wellness Ressort © Sezai Ilker Candan | Sezai Ilker Candan

Als eminent wichtiges Projekt für Glinde bezeichnet der Bürgermeister das geplante Hotel mit Wellnessanlage der Premiumklasse Am Golf Gut. Mehrere Investoren wollen hier einen Luxus-Tempel mit rund 130 Zimmern und Suiten für mindestens 40 Millionen Euro realisieren. In Norddeutschland gibt es nichts Vergleichbares. Der Projektentwickler Siegfried Reddel spricht von 250.000 Besuchern im zweiten Betriebsjahr und würde gern im Herbst 2017 eröffnen. Bevor der erste Spatenstich erfolgt, muss aber der Bebauungsplan verändert werden. Es gibt zwar einen für ein Hotel, allerdings hat sich das Baufenster vergrößert. Zug: „Das Golf-Hotel hebt das Image der Stadt und sorgt für mehr Tourismus.“

Geschäfte und Einkaufsmix

Auch über Veränderungen rund um den Marktplatz würde sich der Verwaltungschef freuen. Und mit ihm viele Glinder, sagt er. „Ein-Euro-Läden gehören heute auch dazu, aber davon haben wir zu viele. Der Mix bei den Geschäften stimmt nicht. Wir brauchen mehr Qualität.“ Bezeichnend: In der Stadt gibt es nur einen Schuhladen. Zug wünscht sich Unternehmen wie C&A oder Deichmann, um die Attraktivität zu steigern. In Sichtweite ist das sogenannte Westend, ein Teilbereich der zentralen Parkfläche mit 500 Stellplätzen und einem Mehrzweckpavillon, der eine Kneipe beheimatet. „Die Verwaltung hätte das Gebäude gern abgerissen und das Grundstück verkauft. Das wollte die Politik aber nicht“, sagt Zug. Sie strebt ein Stadtentwicklungskonzept für den Innenbereich an. Der Bürgermeister: „Irgendwann werden wir den Investor finden, der sich am Markt engagiert und Zusatznutzen bringt.“

Glinde in Zahlen

Glinde hat in den vergangenen Jahren rund 2000 Neubürger dazubekommen. Mit rund 18.500 Bewohnern gehört die Kommune, die im Süden Stormarns liegt und an das östliche Hamburg grenzt, immer noch zu den Kleinstädten und hat daher auch keine eigene Bauverwaltung. Die Stadt ist seit Kriegsende kontinuierlich gewachsen. 1937 lebten gerade mal 565 Menschen in Glinde, 1950 bereits rund 5600. Von 11,22 Quadratkilometern Stadtfläche entfallen rund 37 Prozent auf Wohn- und Gewerbeflächen. Fast 1200 Gewerbebetriebe sind in der Kleinstadt vertreten. Glinde hat auch viel Grün zu bieten.

Fast die Hälfte des Stadtgebietes, also 5,46 Quadratkilometer, sind landwirtschaftliche, Wald- und Parkflächen.

Mit Reinbek und Wentorf im Kreis Herzogtum Lauenburg bildet Glinde seit 2009 ein Mittelzentrum. Durch diesen landesplanerischen Status wird sichergestellt, dass überörtlich wichtige Einrichtungen wie zum Beispiel weiterführende Schulen, Theaterstätten, Sportanlagen, Behörden oder Krankenhäuser für die Einwohner möglichst gut erreichbar sind. ebe

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Gewerbe

Zwischen acht und zehn Millionen Euro an Gewerbesteuern nimmt Glinde pro Jahr ein. Großes Wachstumspotenzial sieht Zug aber nicht. „Weil wir keine Flächen mehr haben.“ Bitter: Vor Kurzem hat die DeLaval Services GmbH entschieden, ihr Lager von der Wilhelm-Bergner-Straße nach Mecklenburg-Vorpommern zu verlegen. Der Umzug ist für 2017 geplant. 190 Arbeitsplätze gehen in Glinde verloren. Es gibt aber schon Interessenten für die Fläche. „Auch wegen der Verkehrsanbindung ist der Standort attraktiv“, sagt Zug. Nur einen Steinwurf entfernt, östlich des Paketzentrums der Deutschen Post, baut der Hamburger Zulieferer für die Kfz-Industrie, die Jürgen Liebisch GmbH, derzeit ein Gebäude, um Verwaltung und Lager an einem Standort zu konzentrieren. Der Verwaltungschef: „Ende 2015 ist das Projekt fertig.“ Das Unternehmen schafft rund 100 neue Jobs in der Stadt.

Verkehr

Beim Thema Verkehr beschäftigt seit Jahren der Lärmschutz an der Kreisstraße 80 Verwaltung, Politik und Bürger. „Eine Lärmschutzwand zu bauen ist sehr teuer. Deshalb ist es auch keine kommunale Aufgabe“, sagt Rainhard Zug. So viel steht nach langem Hin und Her in der Frage der Finanzierung zumindest fest. Aber viele Fragen sind immer noch offen. So prüft die Verwaltung gerade, ob sich der Kreis freiwillig an einer Finanzierung beteiligen würde, inwieweit eine Geschwindigkeitsbegrenzung oder die Verlegung von Flüsterasphalt an der K 80 möglich sind. „Vor allem aber wollen wir gern wissen, ob es Pläne gibt, die K 80 in diesem Abschnitt demnächst vierspurig auszubauen. Denn dann müsste sowieso eine neue Lärmschutzwand gebaut werden.“ Auf diese Weise entfiele nämlich eine mögliche Beteiligung und damit verbundene hohe finanzielle Belastungen der Anwohner.

Öffentlicher Nahverkehr

Reporterin Ewelina Berger im Gespräch mit Bürgermeister Rainhard Zug
Reporterin Ewelina Berger im Gespräch mit Bürgermeister Rainhard Zug © René Soukup | René Soukup

Eher eine Vision ist das Thema U-Bahnanbindung. Eigentlich ist die Sache begraben, weil der Bau im Verhältnis zum Nutzen zu teuer ist. Doch der Bürgermeister sieht eine Chance, wie die Glinder doch noch in den Genuss einer U-Bahn oder zumindest einer Straßenbahn kommen könnten. „Sollte Olympia nach Hamburg kommen, hätten wir die Möglichkeit, solch ein Infrastrukturprojekt mit Finanzierungshilfe von EU und Bund voranzubringen.“ Zug schätzt die Kosten auf mehrere Hundert Millionen Euro.

Digitale Infrastruktur

Was die Netzversorgung angeht, gibt es kaum Klagen. Doch Zug möchte mehr als das für seine Stadt. Er will „High End“, wie er selbst sagt. „Die Stadtverwaltung bekommt ein Glasfasernetz, das ausgehend davon für die ganze Stadt aufgebaut werden soll.“ Seit zwei Jahren bereitet Zug alles dafür vor. Es gebe bereits einen Anbieter, der interessiert sei. „Jetzt muss die Politik noch ins Boot geholt werden. Bis Ende des Jahres müssen die Weichen gestellt werden.“ Teurer soll die neue Technologie nicht werden. „Wir bekommen bessere Qualität zum gleichen Preis.“

Schulen und Sporthallen

Für Neu- und Umbauten an der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld zahlt die Stadt rund zehn Millionen Euro. 2013 wurde mit den Arbeiten begonnen, 2017 ist der Abschluss geplant. Zum Schuljahr 2018/2019 soll die Bildungseinrichtung gegen ihren Willen ins Schulzentrum am Oher Weg ziehen und dort mit der Sönke-Nissen-Gemeinschaftsschule fusionieren. Das hat die Politik beschlossen. Im Gegenzug siedelt das Gymnasium an den Holstenkamp um. „Ich bin ein Befürworter des Umzugs“, sagt Zug. Auch am Oher Weg investiert die Stadt kräftig. 2016 wird die ehemalige Kneipe Jever Deel auf dem Schulgelände für 1,1 Millionen Euro zum Jugendzentrum umgebaut, danach bis 2018 die beiden Sporthallen saniert. Kosten: rund sieben Millionen Euro. „Auch soll noch eine Mensa für 2,5 Millionen Euro gebaut werden. Die neuen Biologieräume kosten zudem 800.000 Euro“, sagt der Verwaltungschef. 2020 sei man bei den öffentlichen Gebäuden energetisch auf Stand. Ob er dann noch Bürgermeister ist? Zug: „Eine zweite Amtszeit könnte ich mir gut vorstellen.“