Glinde. Die frühere Gaststätte Filou soll abgerissen werden. Eigentümerin will Wohnungen bauen. Pläne gibt es auch für andere Grundstücke.
Wer durch Glindes Innenstadt fährt, dem fällt die ehemalige Gaststätte Filou an der Ecke Oher Weg/Avenue St. Sebastien sofort ins Auge. Das kleine, dunkelrot gestrichene Haus, das Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, steht inmitten von Hochhäusern. Da wirkt wie aus der Zeit gefallen. Demnächst könnte es dem Erdboden gleichgemacht werden.
Ein von der Grundstückseigentümerin beauftragtes Architekturbüro hat der Politik bereits Pläne vorgestellt, die auf dem Areal den Bau eines Wohngebäudes mit fünf Etagen plus Staffelgeschoss und bis zu 14 Einheiten vorsieht. Im Erdgeschoss wäre eine Ladenzeile denkbar. Den Entscheidungsträgern sträuben sich die Nackenhaare. Doch sie sind machtlos, denn der Bebauungsplan ermöglicht diese Größe.
Das alte Haus wurde in der Vergangenheit mehrmals umgestaltet
Erst in der vergangenen Woche hatte der Abriss des 80 Jahre alten Wachgebäudes im Neubaugebiet An der Alten Wache (wir berichteten) für viel Unruhe gesorgt. Auch dort ist es möglich, Wohnraum auf mehreren Etagen zu schaffen. Die Verwaltung hatte in Gesprächen mit dem Eigentürmer bis zuletzt versucht, diesen Schritt zu verhindern. In Sachen früheres Filou wird Bürgermeister Rainhard Zug keine Rettungsversuche unternehmen. Er sagt: „Der Neubau kommt auf das Niveau der umliegenden Gebäude. Ich halte ihn für verträglich.“
Das alte Haus steht nicht unter Denkmalschutz, wurde in der Vergangenheit mehrfach umgestaltet. Derzeit wird es von Ricardo Spiegel genutzt. Er betreibt dort seit zwei Jahren einen Friseursalon. Sein Mietvertrag läuft Ende 2015 aus. Spiegel hat schon eine neue Bleibe gefunden, zieht demnächst ins Sonnenstudio am Marktplatz. „Am 1. Juli bekomme ich die Schlüssel, muss dann umbauen. Mein Ziel ist es, aus dem jetzigen Salon Ende September rauszugehen.“
Eigentümerin der Immobilie ist eine Geschäftsfrau, die in der Nähe von Buchholz (Landkreis Harburg) lebt. Ihr gehören auch mehrere Häuser an der Glinder Dorfstraße. Die Bauaufsichtsbehörde in Bad Oldesloe kennt ihre Pläne und hat laut Verwaltungschef Zug grünes Licht signalisiert.
Theoretisch könnte Glinde die Bebauungspläne ändern
Doch damit nicht genug der möglichen Neubauten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite könnte ebenfalls ein höheres Gebäude entstehen. Die sogenannte gelbe Villa, in der früher ein Tierarzt praktizierte, steht seit Jahren leer. Ein viergeschossiges Haus plus Staffelgeschoss ist an diesem Standort denkbar. „Der Eigentümer will bauen, und es deutet sich eine Lösung an“, sagt Bürgermeister Zug.
Noch mehr Hochhäuser im Zentrum – für den SPD-Vorsitzenden Frank Lauterbach ist das der falsche Weg. Der Politiker: „Ich finde es furchtbar. Das sind Planungssünden, die die Stadt vor vielen Jahren zusammen mit der Politik gemacht hat.“ So verliere Glinde sein Gesicht. „Mit Gebäuden dieser Größe verringert sich die Lebensqualität. Wir haben zu viele Eigentümer, die nur schnelle Kohle machen wollen.“
Theoretisch könnte Glinde die Bebauungspläne ändern. „Totschlagargument ist aber die Tatsache, dass die Grundstückseigentümer die Stadt dann verklagen können“, sagt Lauterbach. Auch Bürgervorsteher Rolf Budde (CDU) ist gegen einen Abriss des roten Hauses. „Als ich den Plan sah, musste ich erst einmal schlucken. Ich bin natürlich nicht begeistert.“ Es sei bedauerlich, dass die Stadtmitte in dieser Art und Weise zugebaut werde. „Leider können wir dabei nur zuschauen“, sagt der Christdemokrat.
Viele Bürger sind mit dem Erscheinungsbild der Stadt unzufrieden
Deutliche Worte findet Jan Schwartz, Ortsvorsitzender der Grünen: „Glinde ist zubetoniert. In den 70er-Jahren sind bei der Erstellung der Bebauungspläne Sünden begangen worden. Jetzt wird die Innenstadt weiter verschandelt.“ Aus Gesprächen mit Bürgern habe er erfahren, dass viele Glinder mit dem Erscheinungsbild der Stadt unzufrieden seien, sagt der Politiker. In diesem Zusammenhang nennt Schwartz auch den Bau des Einkaufszentrums Mühlencenter. „Ich bin dafür, dass wir die weitere Entwicklung in der Stadt zusammen mit den Bürgern vorantreiben.“
In Glindes Mitte wird derzeit viel gebaut. Ein Alten- und Pflegeheim mit Platz für 121 Bewohner sowie 37 Eigentums- und 53 Mietwohnungen für Senioren An der Alten Wache sind bald bezugsfertig. Der Startschuss für weitere 22 Eigentumswohnungen für ältere Menschen erfolgt im Herbst. Auch soll in diesem Jahr noch mit der Bebauung des Areals Gleisdreieck auf der gegenüberliegenden Straßenseite begonnen werden. Hier realisiert das Unternehmen Semmelhaack 153 Wohnungen.