Ahrensburg. Bahn möchte sechs Meter hohe Wände errichten, doch das stößt in Ahrensburg auf Ablehnung. Anrainer fühlen sich übergangen.

Über die im Zuge des Baus der S4 geplanten Lärmschutzwände wird in Ahrensburg bereits seit Jahren heftig diskutiert. Gegenstand der Debatte waren dabei vor allem die Auswirkungen der sechs Meter hohen Elemente auf das Stadtbild. Wenig Beachtung fand bislang die Meinung der Anwohner, deren Häuser und Grundstücke direkt an der Bahntrasse liegen.

Ein Bündnis Betroffener möchte das ändern. „Wir möchten den Anwohnern eine Stimme geben“, sagt Cord Brockmann, Sprecher der Initiative Lärmschutz Ahrensburg. Politik, Verwaltung und Verbände befassten sich vor allem mit der Optik, ohne auf die gesundheitlichen Auswirkungen des Zugverkehrs auf die direkten Nachbarn Rücksicht zu nehmen, kritisiert er.

Anwohner an S4-Trasse machen sich für Lärmschutzwände stark

Die Initiative fordert: Keine Abstriche beim Lärmschutz. „Es darf nicht sein, dass uns Anwohnern der aus gesundheitlichen Gründen dringend notwendige Schutz aus optischen Gründen vorenthalten wird“, sagt Brockmann, der mit seiner Frau Nicole und den beiden Söhnen Henri (21) und Paul (17) an der Bismarckallee lebt. Ihr Garten grenzt direkt an die Bahngleise.

„Viele hier in der Nachbarschaft haben die Debatte der vergangenen Monate mit Sorge verfolgt“, sagt der 57-Jährige. Es gebe die Befürchtung, dass die Stadt letztlich aus ästhetischen Gründen auf die Lärmschutzwände verzichten könnte.

Bahn möchte sechs Meter hohe Wände an den Gleisen aufstellen

Die Deutsche Bahn möchte für die neue S-Bahnlinie, die ab 2029 Hamburg-Altona mit Bad Oldesloe verbinden soll, von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg zwei zusätzliche Gleise parallel zur Bestandsstrecke Hamburg – Lübeck verlegen, bis Gartenholz ein Gleis. Dadurch soll in den Hauptverkehrszeiten ein Zehn-Minuten-Takt bis Ahrensburg ermöglicht werden.

Die alten Schienen werden zudem für den zusätzlichen Güterverkehr benötigt, der ab 2030 über die Trasse zum Fehmarnbelt-Tunnel rollen soll. Eine Prognose der Bahn geht von rund 80 mehr als 800 Meter langen Zügen am Tag und bei Nacht ab 2030 aus. Im Zuge des Baus der S4 soll Ahrensburg zusätzlichen Lärmschutz erhalten, geplant sind sechs Meter hohe Wände auf beiden Seiten der Gleise.

Initiative kann Argumentation mit Sichtachsen nicht nachvollziehen

Dagegen regt sich jedoch heftiger Widerstand. Die massiven Wände würden die historischen Sichtachsen im Zentrum zerschneiden und die Aufenthaltsqualität reduzieren, befürchten Kritiker. Dabei geht es besonders um das barocke Straßensystem mit Manhagener Allee, Hagener Allee und Hamburger Straße, die strahlenförmig vom zentralen Rondeel ausgehen. Die ersten beiden Straßen werden von der Bahntrasse gequert.

Die Visualisierung zeigt, wie die transparenten Lärmschutzelemente an der Bahnhofstraße in Ahrensburg aussehen könnten.
Die Visualisierung zeigt, wie die transparenten Lärmschutzelemente an der Bahnhofstraße in Ahrensburg aussehen könnten. © Deutsche Bahn

Die Anwohnerinitiative kann diesen Punkt nicht nachvollziehen. „Durch Baumbewuchs und Bebauung sind die Sichtachsen ohnehin kaum noch vorhanden“, sagt Nicole Brockmann. Schon jetzt sei es etwa an der Manhagener Allee nicht möglich, vom Rondeel aus auf die andere Seite der Gleise zu blicken. „Es gibt die Eingangsgebäude des Fußgängertunnels und auf der Ostseite eine Hecke“, sagt die 55-Jährige. Brockmann weist darauf hin, dass es bereits abschnittweise eine drei Meter hohe Lärmschutzwand gebe, die zum großen Teil hinter Gebüsch verschwinde und somit kaum sichtbar sei.

Mehr als 350 Menschen sind laut Initiative von Bahntrasse betroffen

In der Initiative haben sich laut Cord Brockmann bereits knapp 50 Anwohner zusammengeschlossen, der 57-Jährige geht davon aus, dass es bald noch mehr werden. „Mehr als 350 Menschen sind als direkte Anrainer betroffen“, sagt er.

Zwei von ihnen sind Rüdiger und Dorothea Schmidt. Auch sie leben an der Bismarckallee, direkt an den Gleisen. Die aktuelle Diskussion erinnert das Ehepaar an eine ähnliche Debatte vor 15 Jahren. „Damals hat die Stadt den Bau einer durchgezogenen Lärmschutzbarriere im Innenstadtbereich trotz Empfehlung von Bahn und Experten verhindert“, erzählt der 72-Jährige.

2008 hatte sich Ahrensburg bereits einmal gegen Lärmschutz ausgesprochen

2008 hatte die damalige Bürgermeisterin Ursula Pepper (SPD) in einem Schreiben an die Planer gebeten, dass Schallschutzwände in bestimmten Bereichen „keine Anwendung finden sollen“. 2013 wurden deshalb nur die noch vorhandenen, bis zu drei Meter hohen Elemente an der Bismarckallee und der Brückenstraße errichtet, der Bereich dazwischen ausgespart.

„Bevor es diese Wände gab, konnte man sich kaum unterhalten, wenn ein Zug vorbeifuhr“, sagt Dorothea Schmidt. Das Ehepaar ist überzeugt: „Wenn die Güterzüge ohne weiteren Lärmschutz kommen, ist der Bereich beiderseits der Gleise bald entvölkert.“ Und auch draußen vor den Restaurants und Cafés in der Innenstadt werde dann keiner mehr sitzen.

Alternativen entfalten nicht dieselbe schützende Wirkung

„Manchmal haben wir den Eindruck, den Politikern fehlt die Vorstellungskraft, wie es sein wird, wenn die Züge erstmal rollen“, sagt Nicole Brockmann. Alternative Maßnahmen zur Schallreduktion wie Flüsterbremsen oder besonders isolierte Fenster brächten nicht annähernd dieselbe Wirkung wie die Wände, darin seien sich Experten einig. Auch die Bahn habe das in Gesprächen bekräftigt.

„Wir wollen keinen Lärmschutz light, sondern einen Vollschutz, auf den es auch einen gesetzlichen Anspruch gibt“, sagt die Ahrensburgerin. Auch die von der Bahn als Kompromiss vorgeschlagenen, bis zu 70 Prozent transparenten Elemente, die sich derzeit noch in der Entwicklung befinden, sieht die Initiative skeptisch. Diese seien nur dann eine zufriedenstellende Lösung, wenn ihre Wirkung nicht hinter der der herkömmlichen Elemente zurückbleibe.

Politiker versprechen: Keine Abstriche zugunsten der Optik

Politiker mehrerer Fraktionen betonen indes, ein Verzicht auf Lärmschutz zugunsten der Optik stehe nicht zur Debatte. „Die Sichtachsen haben ihre Berechtigung, aber wenn wir uns entscheiden müssen, geht die Gesundheit der Anwohner vor“, bekräftigt Christian Schmidt (Grüne). Ziel sei, beides bestmöglich miteinander zu vereinen. Uwe Gaumann (CDU) zeigt sich „überrascht, dass es die Ansicht gibt, wir Politiker wollten den Lärmschutz reduzieren“.

Cord Brockmann und seine Mitstreiter bleiben trotzdem kritisch. „Wir werden die Entwicklungen weiter verfolgen und uns auch im Planfeststellungsverfahren Gehör verschaffen, wenn die Unterlagen im Herbst öffentlich ausgelegt werden“, sagt er. Außerdem hat die Initiative eine E-Mail-Adresse (laermschutz-ahrensburg@gmx.de) angelegt. Dort können sich Interessierte melden, die über den weiteren Planungsprozess auf dem Laufenden gehalten werden wollen.