Ahrensburg/Lübeck. 21-Jähriger hat nach Überzeugung des Landgerichts Lübeck in Ahrensburg ein Mädchen missbraucht. Entgeht er einem Teil der Haft?
Der 21 Jahre alte Siakoh T. (Name geändert) muss wegen des versuchten sexuellen Missbrauchs eines Kindes für dreieinhalb Jahre ins Jugendgefängnis. Das hat das Landgericht Lübeck am Donnerstag entschieden und damit das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg von Ende April bestätigt. Der Antrag auf Berufung des Angeklagten sei unbegründet, so die Vorsitzende der VIIa. Großen Strafkammer, Helga von Lukowicz.
Siakoh T. soll am 24. November 2022 ein elf Jahre altes Mädchen an einem Wanderweg überfallen und versucht haben, es zu vergewaltigen. Das Kind war gerade auf dem Weg zur Schule. Der 21-Jährige habe die Tat nur deshalb nicht vollenden können, weil die Mutter des Kindes wenig später vor Ort war, die am Telefon alles mitangehört hatte, so die Staatsanwaltschaft.
Sexueller Übergriff auf Mädchen in Ahrensburg: Gericht weist Berufung ab
Nur wenige Stunden später war T. in einer Flüchtlingsunterkunft unweit des Wanderwegs festgenommen worden. Seitdem sitzt der 21-Jährige in Untersuchungshaft. In Handschellen wird der hagere, klein gewachsene Mann am Donnerstag von einem Justizangestellten in den Gerichtssaal geführt. Wortlos und mit unsicherem Blick nimmt er auf der Anklagebank Platz.
Gekleidet ist T. in einen dunklen Kapuzenpullover und eine olivgrüne Bomberjacke. Zunächst gibt es Schwierigkeiten, die Personalien des 21-Jährigen festzustellen. Im Haftbefehl und im erstinstanzlichen Urteil fänden sich unterschiedlich Geburtsdaten, so von Lukowicz. Auf Nachfrage der Richterin nennt T. nun abermals einen anderen Tag.
Fehlender Ausweis und Verständigungsschwierigkeiten sorgen für Probleme
Über einen Ausweis verfüge er nicht, so der junge Mann, der 2019 aus dem westafrikanischen Guinea nach Deutschland kam. Auch einen festen Wohnsitz hat der 21-Jährige demnach nicht. Vor seiner Verhaftung lebte er seit Anfang 2022 in der Ahrensburger Flüchtlingsunterkunft am Kornkamp. Sein Asylantrag wurde Anfang des Jahres abgelehnt, die Abschiebung steht noch aus.
Fragen des Gerichts beantwortet T. äußerst knapp. Das mag auch an der Sprachbarriere gelegen haben. Deutsch versteht der 21-Jährige nicht, deshalb ist eine Dolmetscherin für Französisch an seiner Seite. Doch auch mit ihr scheint es teilweise Verständigungsschwierigkeiten zu geben.
Kammer schließt Öffentlichkeit von dem Verfahren aus
Noch vor der Verlesung der Anklage entscheidet die Kammer, die Öffentlichkeit von dem weiteren Verfahren auszuschließen. So war es bereits bei der ersten Verhandlung vor dem Ahrensburger Amtsgericht. Lediglich zur Verkündung des Urteils ließ das Gericht damals Zuschauer zu. Von Lukowicz begründet die Entscheidung mit dem „schutzwürdigen Interesse“ des Angeklagten.
Der war zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt und ist damit rechtlich als Heranwachsender einzustufen, für den noch Jugendstrafrecht angewendet werden kann. In Paragraf 48 des Jugendgerichtsgesetzes ist geregelt, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann, „wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist“.
Amtsgericht Ahrensburg sah keine Belege für verminderte Schuldfähigkeit
Im Raum steht auch eine psychische Beeinträchtigung des 21-Jährigen. Das Amtsgericht Ahrensburg hatte dafür allerdings zu wenige eindeutige Belege gefunden, sodass keine Verminderung der Schuldfähigkeit festgestellt werden konnte.
Der Sachverhalt ist aus Sicht der Lübecker Richter eindeutig. So eindeutig, dass auf eine erneute Beweisaufnahme samt Anhörung von Zeugen verzichtet wird. Schon nach weniger als zwei Stunden gibt es deshalb die Entscheidung: Die Berufung wird verworfen.
Das Mädchen telefonierte während der Tat mit seiner Mutter
Gericht und Staatsanwaltschaft sind von folgendem Geschehen überzeugt: Das spätere Opfer, die Elfjährige, verlässt am frühen Morgen des 24. November 2022 die Wohnung der Familie im Ahrensburger Stadtteil Gartenholz, um zur Schule zu gehen. Das Mädchen biegt in einen Waldweg an der Straße Syltring ein. Dort ist zu diesem Zeitpunkt auch Siakoh T. unterwegs.
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Weil die Schülerin Angst auf dem schwer einsehbaren Waldweg hat, telefoniert sie – wie jeden Morgen – mit ihrer Mutter. T. geht zunächst vor dem Mädchen. Als die Elfjährige den Angeklagten überholt, packt er das Kind, drückt ihm die Hand auf den Mund, damit es nicht um Hilfe rufen kann. Der 21-Jährige bringt die Kleine zu Boden, entblößt sie und berührt ihren Intimbereich mit den Fingern.
Großangelegte Spurensuche führte zur Verhaftung des 21-Jährigen
Zum Geschlechtsverkehr kommt es nicht – auch, weil sich die Elfjährige heftig mit Händen und Füßen zur Wehr setzt. Erst als die Mutter, die den Übergriff am Telefon mitgehört hat und sich sofort auf den Weg zu ihrer Tochter macht, an dem Wanderweg eintrifft, lässt T. von dem Kind ab und flüchtet.
Polizei und Rechtsmediziner untersuchen das Mädchen unmittelbar nach der Tat auf Spuren des Angreifers. Sowohl an der Kleidung als auch am Körper können die Ermittler DNA des 21-Jährigen sicherstellen. Gleichzeitig führt eine großangelegte Spurensuche, an der auch Hunde beteiligt sind, die Polizei zu der Flüchtlingsunterkunft am Kornkamp, wo T. am Nachmittag das 24. November festgenommen werden kann.
Ob Siakoh T. nach dem Urteil abgeschoben wird, ist unklar
Obwohl die Beweislage eindeutig ist, hat der Guineer die Tat bis zuletzt bestritten. Auch deshalb hatte das Amtsgericht Ahrensburg an den geistigen Fähigkeiten des 21-Jährigen gezweifelt. Gegen die Entscheidung des Landgerichts Lübeck sind keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich.
Offen ist, ob T. nach der Verurteilung als abgelehnter Asylbewerber abgeschoben wird. „Generell ist es möglich, Abschiebungen vorzunehmen, bevor die volle Haftzeit verbüßt wurde“, erklärt Marc Petit, stellvertretender Sprecher des Landgerichts Lübeck. Voraussetzung sei unter anderem, dass die Staatsanwaltschaft auf die Vollstreckung der restlichen Haftzeit verzichtet.
Einen Teil der Strafe muss T. allerdings in Deutschland verbüßen. „Ob dann die Abschiebung vollzogen werden kann, hängt aber auch noch an einer Reihe anderer, ausländerrechtlicher Fragen“, so Petit. Darüber entscheide dann die Ausländerbehörde.