Reinfeld. Millimeterarbeit in der Nacht: Kräne setzen Träger für neue Brücke bei Reinfeld ein. Wie es nach der Vollsperrung der A1 weitergeht.

14 Stunden hat es gedauert, bis das Grundgerüst für die neue Brücke über die Autobahn 1 an Ort und Stelle war: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch haben zwei gigantische Kräne die Trägerelemente an der Anschlussstelle Reinfeld eingesetzt. Nach gut viereinhalb Monaten endet damit die brückenlose Zeit an der Nordstormarnstraße, die die A1 mit der Karpfenstadt verbindet.

Die Anlieferung und das Einsetzen der Stahlträger, die das neue Brückenbauwerk halten sollen, stellte die Beteiligten vor eine logistische Herausforderung. Fünf Elemente, jedes 49 Meter lang und mehr als 60 Tonnen schwer, mussten zwischen den Widerlagern rechts und links der Autobahn platziert werden.

Vollsperrung A1: Mega-Brücke über Autobahn schwebt ein

Schon der Transport der Stahlkolosse zur Baustelle habe einiges an Geduld und Fingerspitzengefühl gefordert, sagt Jens Sommerburg, Leiter der Außenstelle Lübeck der Autobahn GmbH. „Die Elemente wurden auf einer Fläche im Gewerbegebiet Stubbendorf zusammengeschweißt, sodass sie vor Ort nur noch eingesetzt werden müssen.“

Mit Spezialfahrzeugen für den Transport von Schwerlasten wurden die Träger seit der Nacht auf Dienstag im Schritttempo zur wenige Hundert Meter entfernten Baustelle gebracht. Allein das Verladen habe zwei Stunden gedauert, die Fahrt auf die Autobahn weitere eineinhalb Stunden pro Element. Die Spezialtransporter selbst kommen ohne Fahrer aus. Gesteuert werden sie per Bauchkonsole von einem Piloten, der nebenhergeht.

Zwei riesengroße Kräne bringen die Brückenträger in Position

„Das ermöglicht eine bessere Übersicht und ist noch genauer“, sagt Sommerburg. Weil die Spezialfahrzeuge keine engen Kurven fahren können, war viel Feingefühl gefragt. Insbesondere der Kreisverkehr kurz vor der Zufahrt zur Autobahn stellte ein schwieriges Hindernis dar. Damit die Trägerelemente ihn passieren konnten, wurden mehrere Verkehrsschilder kurzerhand abgeflext.

Mit einem Spezialfahrzeug wird der tonnenschwere Stahlträger angeliefert.
Mit einem Spezialfahrzeug wird der tonnenschwere Stahlträger angeliefert. © HA | Filip Schwen

Die entscheidende Phase begann am Dienstagabend. Ab 19 Uhr wurde zunächst die Vollsperrung der A1 zwischen der Anschlussstelle Bad Oldesloe und dem Kreuz Lübeck eingerichtet. Anschließend wurden zwei Kräne in Position gebracht, der eine mit einer maximalen Traglast von 600, der andere von 300 Tonnen. Die beiden Kolosse sollten die Brückenträger später von den Transportfahrzeugen heben und in das Bauwerk einsetzen. Mit Flutlicht wurde die gesamte Baustelle taghell ausgeleuchtet.

Der schwierigste Teil: die Elemente müssen um 90 Grad gedreht werden

Noch weitere vier Stunden dauerte es, bis gegen kurz nach 23 Uhr der Transport mit dem ersten Element herangerollt und für den Einhub vorbereitet war. Mit riesigen Metallschakeln wurden die beiden Enden des Stahlträgers an den Kränen befestigt. Was dann folgte, war Millimeterarbeit.

Der schwierigste Teil: Das Element muss um 90 Grad gedreht werden.
Der schwierigste Teil: Das Element muss um 90 Grad gedreht werden. © HA | Filip Schwen

Ganz langsam, kaum zu erkennen, hob sich der tonnenschwere Träger von der Auflage des Spezialfahrzeugs. Einige Minuten später, das Stahlelement schwebte mehrere Meter hoch über dem Boden, begann der schwierigste Teil des Manövers: Die Drehung des Trägers um 90 Grad. Denn angeliefert wurden die Elemente längs zur Fahrbahn, mussten nun aber quer zur Autobahn in das Brückenbauwerk eingesetzt werden.

Gegen 23.30 Uhr ist der erste Träger an Ort und Stelle

„Es ist bei dem Gewicht unbedingt zu vermeiden, dass die Last ins Schwingen gerät“, sagt Jens Sommerburg. „Und die Kräne dürfen sich nicht gegenseitig in die Quere kommen.“ Beide Kranfahrer müssten deshalb perfekt aufeinander abgestimmt vorgehen. „Sie stehen in ständigem Funkkontakt miteinander, außerdem gibt es eine dritte Person, die den Überblick von außen hat und Anweisungen gibt“, erklärt er.

Jens Sommerburg, Leiter der Außenstelle Lübeck der Autobahn GmbH, steht an der Baustelle für die neue Brücke.
Jens Sommerburg, Leiter der Außenstelle Lübeck der Autobahn GmbH, steht an der Baustelle für die neue Brücke. © HA | Filip Schwen

Zentimeter um Zentimeter drehte sich der Stahlträger in die richtige Position. An den Widerlagern beiderseits der Autobahn bereiteten Arbeiter das Auflegen des Elements vor, während sich dieses langsam näherte. Etwa gegen 23.30 Uhr war es dann so weit: Mit einem metallenen Rumms setzten die Kräne den ersten Träger an der vorgesehenen Position ab.

Der gesamte Vorgang wird noch vier weitere Male wiederholt

Der ganze Vorgang wurde noch vier weitere Male wiederholt, ehe in den frühen Morgenstunden gegen 4.30 Uhr der letzte Träger an Ort und Stelle war. Anschließend wurden die Kräne wieder abgebaut und die Fahrbahn wieder freigeräumt.

Oben am Widerlager nehmen zwei Arbeiter den Stahlkoloss entgegen.
Oben am Widerlager nehmen zwei Arbeiter den Stahlkoloss entgegen. © HA | Filip Schwen

„Glücklicherweise hat alles ohne unvorhergesehene Probleme funktioniert, sodass wir die Sperrung der Autobahn schon eine Stunde früher wieder aufheben konnten als geplant“, sagt Susann Sommerburg, Sprecherin der Autobahn GmbH in Lübeck. Gegen 9 Uhr rollte der Verkehr zwischen Bad Oldesloe und Lübeck wieder. Die Autobahn GmbH hatte die Arbeiten bewusst in die Nacht gelegt, um die Auswirkungen auf den Verkehr möglichst gering zu halten.

Während der Einschalung ist je Richtung nur ein Fahrstreifen frei

Die Brückenträger werden nun mit einer Holzkonstruktion eingeschalt, um sie einzubetonieren. Auch das soll nachts geschehen. Während der Arbeiten steht von Mittwoch auf Donnerstag, 26. und 27. Juli, und von Donnerstag auf Freitag 27. und 28. Juli, jeweils von 19 bis 6 Uhr im Bereich der Baustelle nur ein Fahrstreifen je Richtung zur Verfügung.

Die Spur ist 3,75 Meter breit, sodass sie auch von Großraum- und Schwertransporten (GST) genutzt werden kann. Im Baustellenbereich sind ohnehin seit März nur zwei Fahrspuren je Richtung befahrbar. Die seit Montag für die Anlieferung der Stahlträger gesperrte A1-Anschlussstelle Reinfeld in Richtung Hamburg ist ab Donnerstag, 27. Juli, 19 Uhr wieder frei.

Zwischen Ende 2023 und Anfang 2024 soll die neue Brücke fertig sein

Ist die Unterkonstruktion fertig, wird der 30 Zentimeter dicke Fahrbahnbelag auf die neue Brücke aufgetragen. Die gute Nachricht für Autofahrer: Eine weitere Vollsperrung soll es laut Autobahn GmbH nach derzeitigem Planungsstand nicht geben. Zwischen Ende 2023 und Anfang 2024 soll die Brücke fertiggestellt sein.

Während Träger eins fixiert wird, ist Stahlelement Nummer zwei bereits auf dem Weg. Das Spezialfahrzeug ist fahrerlos und wird mit einer Bauchkonsole gesteuert.
Während Träger eins fixiert wird, ist Stahlelement Nummer zwei bereits auf dem Weg. Das Spezialfahrzeug ist fahrerlos und wird mit einer Bauchkonsole gesteuert. © HA | Filip Schwen

Für die Unternehmen in dem nahen Gewerbegebiet endet dann eine lange Durststrecke. Sie hatten bereits vor Beginn der Bauarbeiten die neun Monaten währende schlechte Erreichbarkeit wegen der Sperrung der A1-Zu- und Abfahrt in Richtung Lübeck kritisiert und vergeblich eine Behelfsausfahrt gefordert. Auch Rettungsdienst und Feuerwehr hatten sich der Forderung angeschlossen. Laut Autobahn GmbH hätte das Verfahren jedoch mindestens zwei Jahre Verzögerung bedeutet.

Die Gesamtkosten für den Neubau liegen bei 6,3 Millionen Euro

Auch in Reinfeld machen sich die allgemeinen Preissteigerungen im Bausektor bemerkbar: Die Kosten für die neue Brücke liegen bei 6,3 Millionen Euro, 1,1 Millionen Euro mehr als geplant. Die Stadt Reinfeld rechnete zuletzt mit einem Anteil von etwa 410.000 Euro. Den Großteil zahlt der Bund.

Der Neubau war notwendig geworden, nachdem an der aus dem Jahr 1978 stammenden alten Brücke bei Routineuntersuchungen schwere Schäden festgestellt worden waren. Andernfalls wäre laut Autobahn GmbH eine Sperrung für Lkw und andere schwere Fahrzeuge unumgänglich gewesen. Das Bauwerk wurde schließlich Mitte März abgerissen. Das neue Bauwerk soll deutlich länger halten als sein unter „Betonkrebs“ leidender Vorgänger: Die Verantwortlichen rechnen mit einer Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren.