Reinbek. Eine 28-Jährige soll junge, kranke Hundebabys verkauft haben. Laut Tierschützern ist die Frau Teil eines Hamburger Welpenhändler-Clans.

Etwas zusammengesunken sitzt die zierliche Angeklagte neben ihrem Anwalt vor dem Amtsgericht Reinbek, ihr langes, schwarzes Haar hat sie hinten in den Kragen ihrer weißen Bluse gesteckt, sie wirkt ein wenig verschnupft. Auf den ersten Blick ist kaum zu glauben, dass die 28 Jahre alte Hamburgerin Ebru A. (Name geändert) eine Tierquälerin und Betrügerin sein soll. Mindestens acht Taten werden ihr zur Last gelegt.

Sie soll zwischen Juni 2020 und Februar 2021 in Reinbek, Glinde, Barsbüttel und Geesthacht im illegalen Welpenhandel aktiv gewesen sein. Mindestens zwei der kranken, viel zu früh von der Mutter getrennten und von Parasiten befallenen Hundebabys sind wenige Tage später gestorben. Nicht nur die Jungtiere haben unnötig gelitten, sondern auch die Käufer, deren Welpen nicht mehr zu retten waren.

Illegaler Welpenhandel: 28-Jährige soll für die „Welpen-Mafia“ verkauft haben

Der Angeklagten wird vorgeworfen, über die Internetverkaufsplattform Ebay die Hundewelpen als geimpft, gechipt und gesund zum Kauf angeboten zu haben. Zudem soll Ebru A. das Alter der Tiere stets als mit mindestens acht Wochen angegeben haben. Dann soll die Pflegeassistentin die Welpen den Kaufinteressenten gebracht und an der Straße oder an der Haustür teilweise auch verkauft haben. Pro Welpe hat sie bis zu 800 Euro kassiert.

Von insgesamt zehn geladenen Zeugen wird zum Prozessauftakt am Dienstag zunächst nur Sina Hanke gehört. Die 34 Jahre alte Tierschützerin, erste Vorsitzende des Vereins Animal Care, schildert, wie sie und eine Mitstreiterin eine Festnahme der Beschuldigten erlebten, als sie sich als Kaufinteressentinnen ausgegeben hatten. „Nach unseren Recherchen war die Angeklagte an mindestens 18 Verkäufen beteiligt“, sagt Hanke. Sie sei eine Verkäuferin des verurteilten Welpendealers Manuel M., dem die Hundehaltung mittlerweile untersagt worden sei.

Sina Hanke, erste Vorsitzende von Animal Care, hat in einem Prozess in Sachen Illegaler Welpenhandel vor dem Amtsgericht Reinbek als Zeugin ausgesagt.
Sina Hanke, erste Vorsitzende von Animal Care, hat in einem Prozess in Sachen Illegaler Welpenhandel vor dem Amtsgericht Reinbek als Zeugin ausgesagt. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

„Wir wurden zuerst am 28. August 2020 zum Ehestorfer Weg bestellt“, berichtet Sina Hanke. „Eine Adresse, die wir bereits aus unseren Recherchen kennen. Dann hat die Angeklagte unter dem Namen Susanne Bauer und unter dem Vorwand, dort wohnten ihre Eltern, den Treffpunkt in einen Hinterhof an der Möllner Landstraße in Glinde geändert. Dort erschien die Angeklagte dann mit einem Hund unterm Arm.“

Tierschützerin von Animal Care gibt sich als Käuferin aus

Ebru A. habe alle Fragen, die die Tierschützer bei derartigen fingierten Käufen gewöhnlich stellen, falsch beantwortet: Der Welpe sei mindestens acht Wochen alt, die Elterntiere würden selbstverständlich bei ihr leben, seien zu Hause und das Jungtier sei gesund. Nichts davon habe gestimmt. „Sie hat behauptet, sie habe den Impfausweis versehentlich an eine andere Käuferin mitgegeben. Sie würde ihn uns später nachschicken. Wir haben sie hingehalten, bis die Polizei eintraf“, sagt Sina Hanke. Der Welpe habe einen matten und apathischen Eindruck gemacht. Schließlich seien die Stormarner Amtstierärztin und eine weitere Tierschützerin zu ihnen gestoßen.

„Darauf hat die Angeklagte versucht, uns den Welpen zu entreißen“, beschreibt Sina Hanke die Ereignisse. „Es gab ein wildes Handgemenge, bei dem ich getreten wurde. Da habe ich die Angeklagte an den Haaren gerissen und sie ist geflüchtet. Ich bin hinterher.“ Die Tierschützerin verfolgte die 28-Jährige durch Glindes Einkaufszentrum, bis diese in der Postfiliale verschwand. „Darauf habe ich die Polizei bei ihrem Eintreffen hingewiesen“, berichtet die Zeugin. Die Polizei habe die Angeklagte in Handschellen zur Wache geführt, der Hund musste im Tierheim untergebracht werden.

Mehr als 130 Illegale Welpenverkäufe dokumentiert

„Er war fünf bis sechs Wochen alt, er hat alles überlebt und ist vermittelt worden“, erzählt die Tierfreundin. Sie berichtete dem Gericht außerdem, dass die Angeklagte vor dem Tag in Glinde erst kurz zuvor auch in Hamburg festgenommen worden war. Das Gericht wirkt davon überrascht. Sina Hanke versichert dem Gericht in Reinbek, ihm dazu Unterlagen und ein Foto von der Festnahme auszuhändigen.

Animal Care ordnet dem Hamburger Welpenhändler-Clan mehr als 130 Fälle zu. Dieses kriminelle Netzwerk hinter der Welpenverkäuferin sei gut organisiert und erstrecke sich auch bis Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Tierschutzorganisation hat Verkäufe dokumentiert und Online-Anzeigen archiviert. Der frühere Anführer des Clans, Manuel M. habe seine Geschäfte während seiner dreijährigen Haftstrafe an seinen Bruder übergeben.

Angeklagte beruft sich auf Gedächtnislücken

Ebru A. zieht sich bei ihrer Befragung immer wieder auf Erinnerungslücken zurück: „Ich musste Medikamente nehmen, um schlafen zu können. Deshalb habe ich leider große Lücken.“ Deshalb kann sie sich angeblich nicht an den Namen des „Jungen“ erinnern, der sie „um einen Gefallen gebeten“ habe und für den sie die Welpenverkäufe abgewickelt habe. Sie will nicht mehr als 50 oder 100 Euro pro Verkauf bekommen haben, aber sie sei in dieser Zeit wohnungslos gewesen und habe dringend Geld gebraucht.

Doch als Sina Hanke in ihrer Zeugenaussage den Namen Manuel M. und seinen Bruder nennt, schreckt die Angeklagte hoch. Sie droht der Zeugin, greift zum Handy und tippt hektisch etwas hinein, sodass sogar ihr Anwalt Andreas Beurskens sie zur Ordnung ruft. Die Beschuldigte behauptet, die Familie M. nicht zu kennen. Doch Sina Hanke zeigt dem Gericht ein Foto einer Familienfeier – gepostet auf Instagram –, auf der Ebru A. offensichtlich zu Gast war.

Dringend benötigt: eine Soko „Welpenhandel“

„Warum machen Sie das eigentlich alles?“, will Anwalt Andreas Beurskens von Sina Hanke wissen. „Weil es sonst niemand macht“, sagt die Vorsitzende von Animal Care. „Wir sind gut vernetzt. Aber wir brauchen eine Soko ,Welpenhandel‘ auf Behördenebene, die bundesweit informiert ist. Es geht nicht mehr um Einzelfälle.“ Sie werde nicht nur im Gericht bedroht, im Internet wünsche man ihr ebenfalls den Tod.

„Uns schützt niemand“, mahnt sie. Es sei frustrierend, dass die Welpen-Mafia ihre Geschäfte einfach weiterführe. Trotzdem sei der Prozess ein wichtiger Schritt in diesem Kampf, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und das Bewusstsein für dieses grausame Geschäft zu schärfen. „Wir dürfen nicht nachlassen“, sagt sie. „Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.“

Der Prozess wird am 7. und am 18. August fortgesetzt.