Kampen / Sylt. Ein Video mit „Ausländer raus“ singenden Gästen löst Entsetzen aus. Mehrere Grölende sind nun ihre Jobs los. Genutztes Lied wird Chart-Stürmer.
- In einem Nobelclub in Kampen (Sylt) stimmen Partygäste zu Pfingsten ausländerfeindliche Gesänge an.
- Am Donnerstag wird ein Video bekannt, das bundesweit eine Welle der Empörung auslöst. Die Polizei ermittelt.
- Eine Hamburgerin, die das Video erstellt hat, und weitere Grölende sind inzwischen ihre Jobs los.
- Gigi D‘Agostinos „L‘Amour Toujours“ klettert unterdessen an die Spitze der deutschen iTunes-Charts.
Ein Skandal um rechtsextreme Gesänge im Rahmen einer Party Pfingsten auf Sylt erschüttert die Nordseeinsel: In den sozialen Medien kursiert seit Donnerstag ein Video, das überwiegend junge Gäste des Kultclubs Pony in Kampen in tanzender und singender Weise zeigt.
Zu hören ist dabei die Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ – zur Melodie des Dance-Klassikers „L‘Amour Toujours“ des italienischen DJ Gigi D‘Agostino aus dem Jahr 1999. Außerdem im Bild: ein Mann, der einen sogenannten Hitlerbart sowie einen verbotenen Hitlergruß andeutet.
Rassismus-Skandal im Pony auf Sylt – Polizei prüft Video
Die Polizei Flensburg hat inzwischen das Video mit rassistischem Gegröle geprüft. Die Staatsanwaltschaft Flensburg und die Kriminalpolizei haben die Ermittlungen aufgenommen. „Sie richten sich gegen die Personen, die auf dem Video offensichtlich die oben genannten Äußerungen mitsingen bzw. Kennzeichen tätigen“, teilte die Polizeidirektion Flensburg am Freitagmorgen mit. Es sei aber nicht auszuschließen, dass im Rahmen der Ermittlungen weitere Tatverdächtige hinzukämen, die auf diesem Video nicht abgebildet seien.
Die Ermittler gehen davon aus, dass der Videoclip echt ist, erklärte Polizeisprecher Dennis Bremer dem Abendblatt. Genau wie die Frage, wann die Aufnahme gemacht wurde, sei dies aber momentan noch „Gegenstand der Ermittlungen“. Weiter hieß es in der Mitteilung: „Ersten Hinweisen auf beteiligte Personen wird seitens der Polizei nachgegangen“. Die Ermittlungen des Fachkommissariats für Staatsschutz wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen dauerten an.
Trauriger Fakt: D‘Agostinos 90‘s Dance-Hymne hat seit Veröffentlichung des Videos es geschafft, sich gleich zweimal in den deutschen Charts zu platzieren. Bei iTunes sind sowohl der Small Mix als auch die Vollversion auf Platz 1 und 4 am Sonntag geklettert. Zeitgleich werden auch immer mehr Zwischenfälle aus ganz Deutschland bekannt, in denen das Lied in einem ähnlichen Kotext wie bei den Geschehnissen vor der Pony Bar genutzt werden. So ist in den Sozialen Medien ein Video aus dem Baden-Württembergischen Ort Nagold aufgetaucht, in dem anscheinend junge Leute in einem Partybus ebenfalls zu L‘Amours Toujour“ „Deutschland den Deutschen“ skandieren.
Rassismus-Eklat in Club Pony auf Sylt – offenbar Hamburger Studentin beteiligt
Das Video, in dem junge Menschen vor einem Lokal auf der Nordseeinsel Sylt rassistische Parolen grölen sollen, ist bundesweit auf große Empörung gestoßen. Das Lokal distanzierte sich in der Nacht zum Freitag von den Gästen und kündigte Konsequenzen an. Die Betreiber des Lokals erklärten auf Instagram zu dem Video, sie seien „tief schockiert“. „Wir distanzieren uns von jeder Art von Rassismus und Diskriminierung.“
Das Pony Kampen hat am Freitagmittag alle vorangegangenen Einträge von seiner Instagram-Seite entfernt und am Abend eine weitere Erklärung als Post veröffentlicht.
Eine der an dem Gegröle in dem Video beteiligten jungen Frauen mit Sonnenbrille im Haar und weißer Bluse hatte die Szene offenbar gefilmt. Die Umstehenden singen und wippen, haben Gläser mit Getränken in den Händen. An dem Gegröle scheint sich niemand zu stören.
Ausländerfeindliches Gegröle auf Sylt – HAW Hamburg distanziert sich
Bei der Frau, die das Video angefertigt hat, soll es sich um eine Studentin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg handeln. Zu konkreten Namen wollte sich die HAW auf Abendblatt-Anfrage nicht äußern, „um die Persönlichkeitsrechte zu wahren“.
Gleichzeitig distanzierte sich die Hochschule mit deutlichen Worten von dem Video. „Es ist erschreckend und abscheulich, wie ‚normal‘ die rechtsradikalen Gesänge in diesem Umfeld anmuten. Aber ein solches Verhalten ist ganz und gar nicht normal und nicht hinzunehmen – wir stehen als weltoffene Hochschule klar dagegen und tolerieren derartige menschenverachtende Äußerungen in keiner Form“, teilte die HAW mit.
Die filmende junge Frau war in der Vergangenheit bei einem kleinen Hamburger Unternehmen beschäftigt. Die Firma wird bei Instagram mit einem Shitstorm geflutet. Kunden wollen Bestellungen stornieren. „Gehört es zur Firmenkultur, rechtsextreme Parolen auf Sylt zu singen?“, fragt ein Mann.
Nazi-Gegröle auf Sylt: Influencerin wirft Filmerin raus
Die Firma hat inzwischen bei Instagram reagiert: „Wir möchten klarstellen, dass die Person, die in dem Video zu sehen ist, seit über 2 Jahren nicht mehr uns beschäftigt ist. Wir distanzieren uns ausdrücklich von den getätigten rassistischen Äußerungen und verurteilen jegliche Form von Rassismus. Diese Werte stehen in völligem Widerspruch zu den Prinzipien und der Kultur unseres Unternehmens.“
Und: Dank der Hinweise der Kommentatorinnen und Kommentatoren habe man festgestellt, dass die im Video zu sehende Person noch auf einigen Unterseiten der Website abgebildet war. Die Fotos wurden inzwischen von der Website entfernt. Die Influencerin Milena Karl, für die die filmende junge Frau aktuell arbeitete, hat sich nach Bekanntwerden des Vorfalls mit sofortiger Wirkung von der Mitarbeiterin getrennt.
Agentur kündigt Mitarbeiter – Deutsche Bank, Infineon und Vodafone prüfen noch
Ebenfalls reagiert hat die Werbeagentur Serviceplan, die offenbar einen Mitarbeiter in dem Video erkannt hat. In ihrer Instagram-Story heißt es: „Rassismus wird innerhalb der Agenturgruppe in keiner Form geduldet.“ In einer weiteren, international auf Englisch verfassten Stellungnahme sagt das Unternehmen, man habe „mit Entsetzen“ von den rassistischen Vorfällen erfahren. „Als der Vorfall bekannt wurde, hat die Serviceplan Group sofort gehandelt und eine fristlose Kündigung ausgesprochen.“
Auch einer Angestellten der Deutschen Bank, die unter den Grölenden war, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen. Man prüfe derzeit die Hinweise und werde „gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen“, schrieb die Bank am Freitagabend bei Instagram und stellte klar: „Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von Meinungen und Kommentaren, wie sie in dem aktuell kursierenden Video geäußert werden. Die Deutsche Bank steht als internationales Unternehmen für die Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexueller Identität.“
Auch Infineon und Vodafone sind offenbar betroffen. Infineon stehe für Vielfalt und Offenheit, schreibt das Technologieunternehmen in einem Instagram-Kommentar. Sollten diese Grundsätze verletzt worden sein, werde man entschlossen handeln: „Hass und Ausgrenzung haben in unserem Unternehmen keinen Platz.“ Ähnlich äußerte sich Vodafone: „Diversität, Toleranz und gegenseitiger Respekt sind in unseren Unternehmenswerten fest verankert. Wir distanzieren uns ausdrücklich von fremdenfeindlichen oder rassistischen Aussagen jeglicher Form. Die genannten Vorfälle prüfen wir intern vollumfänglich.“
Rassismus-Eklat: Pony Kampen auf Sylt zeigt Gäste an
Die Pony-Verantwortlichen sind bereits zur Tat geschritten. „Uns wurden nun die Namen von diesen Nazis zugespielt“, schrieben sie bei Instagram. „Wir werden dieses widerliche Verhalten anzeigen und alle strafrechtlichen Möglichkeiten nutzen!!!“ Und weiter: „Hätten wir von diesem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!“ Via Instagram erhielten all diejenigen, „die sich singend auf dem Video wiedererkennten, Hausverbot“ von den Betreibern des Clubs.
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Die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli schrieb in der Nacht zum Freitag auf der Plattform X: „Deutschland den Deutschen. Ausländer raus. Ausländer raus. Ort: Sylt. Und sie fühlen sich so sicher.“ Der TV-Moderator Jan Böhmermann fragte: „Wer und wo sind diese Leute?“ Und die Moderatorin Dunja Hayali twitterte: „Mit Hitlerbärtchen und Schampus, aber ohne „Ausländer. #Sylt. 2024.“
Fake-Video aus Sturmhaube auf Sylt: Betreiber „zutiefst schockiert“
Kein Platz für Rassismus! Dieser Vorsatz gilt im Übrigen auch für die Sturmhaube – auch aus der nur wenige Hundert Meter vom Pony entfernten Bar geht ein Video viral, in dem ausgelassen tanzende Menschen die schändlichen Parolen singen sollen. In diesem Fall handelt es sich allerdings eindeutig um ein Fake: Der Song aus dem Original-Video („Gimme! Gimme! Gimme!“ von ABBA) wurde durch eine Audiospur ersetzt, auf der die „Ausländer raus“-Parole zur Melodie von „L‘Amour Toujours“ läuft. Den abgewandelten Techno-Hit erhob die rechte Szene im vergangenen Jahr zum Trend, nachdem er auf einem Dorffest in Mecklenburg-Vorpommern intoniert wurde.
„Wir sind zutiefst schockiert über die kursierenden Videos und möchten an dieser Stelle klarstellen, dass wir uns von jeglicher Form von Rassismus und Diskriminierung distanzieren“, heißt es in einem Post der Sturmhaube auf Instagram von Freitag. „Solche Verhaltensweisen sind in keiner Weise mit unseren Werten und unserem Verständnis von Respekt und Toleranz vereinbar.“ Zudem betonen die Betreiber der Sturmhaube, dass das bei ihnen aufgenommene Bildmaterial nachträglich von aktuell unbekannt vertont wurde. Allerdings wurde jetzt bekannt, dass in dem Lokal eine Frau zu Pfingsten rassistisch beleidigt und körperlich attackiert worden sein soll.
Sylt reagiert auf rassistisches Gegröle: „Solche Gäste sind herzlich ausgeladen“
Inzwischen hat sich auch die Gemeinde Sylt zu dem Vorfall geäußert: „Wir haben für diese Gesänge null Toleranz. Dieses Verhalten ist für uns abstoßend und vollkommen inakzeptabel. Wir dulden das nicht. Wir wenden uns in jeder Form gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit. Insofern begrüßen wir, dass die Betreiber der Bar sehr deutlich Stellung genommen haben.“
Auf Sylt lebten Menschen aus 113 Nationen friedlich miteinander. „Wir begrüßen Touristinnen und Touristen aus vielen Ländern. In diesen Tagen, in denen das Grundgesetz 75 Jahre alt wird, während die liberale Demokratie unter Beschuss steht, möchten wir als Sylt ganz unmissverständlich klarmachen: Solche Gäste brauchen nicht noch einmal nach Sylt zu kommen. Sie sind herzlich ausgeladen. Denn wir sind eine weltoffene Insel.“
Landesregierung entsetzt über Nazi-Gegröle auf Sylt
Mitglieder der schleswig-holsteinischen Landesregierung haben sich entsetzt über ein Video aus einem Nachtclub in Kampen auf Sylt geäußert, in dem Naziparolen gegrölt werden. Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Das ist kein Dummejungenstreich, sondern schlimmstes Nazi-Gegröle erwachsener Leute auf offener Bühne. Widerwärtig und ekelhaft. Schämen sollten sie sich! Jetzt müssen strafrechtliche Ermittlungen folgen.“
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bewertet die auf Video festgehaltenen Szenen der Party auf Sylt mit rassistischen Parolen als schlimme Verfehlungen. „Was dort zu sehen ist, zeichnet ein Bild von einer schlimmen Wohlstandsverwahrlosung. Gegen solche Taten gehen wir konsequent und mit aller Härte vor, Rechtsextremismus bekämpfen wir mit aller Entschiedenheit“, teilte er am Freitag mit.
Bildungsministerin Prien: „Bilder dieser Party widern mich an“
In Schleswig-Holstein hätten solche widerlichen Gesänge, Parolen und rechtsextremistisches Gedankengut nichts zu suchen. „Deswegen begrüße ich es sehr, dass der Betreiber des Clubs, die Sylter Gemeinden, Tourismusbetriebe und -verbände sich bereits klar positioniert haben und die Ermittlungen nach Kräften unterstützen. Das sind genau die richtigen Signale, aber jetzt ist es natürlich wichtig, dass strafrechtlich relevante Delikte ermittelt werden und dann mit der ganzen Härte des Rechtsstaats dagegen vorgegangen wird“, so Günther.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte: „Die Bilder dieser Party, auf der ausländerfeindliche Parolen gegrölt wurden, widern mich an.“ Die Bilder seien „ein Zeichen von Wohlstandsverwahrlosung“. In Schleswig-Holstein sei kein Platz für Ausländerfeindlichkeit. „Ich freue mich, dass die Bar, in der diese Videos gemacht wurden, die Polizei bei den Ermittlungen unterstützt und den Grölenden Hausverbot erteilen will.“
Bundesbeauftragte verurteilt „blanken Rassismus“
Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat den Gesang mit rassistischem Gegröle vor einem Lokal auf Sylt scharf verurteilt. „Diese unverhohlene ,Ausländer-raus-Stimmung‘ erleben wir auch in unserer Beratung, Menschen werden diskriminiert und herabgewürdigt“, sagte sie am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
„Das ist blanker Rassismus, der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräst und offen ausgelebt wird“, erklärte Ataman. „Die Bilder stammen offenbar nicht aus einer Nazikneipe, sondern einer Nobelbar in Sylt. Rassismus darf aber in Deutschland nie wieder zum Normalfall werden.“ Sie begrüßte die Aufnahme polizeilicher Ermittlungen. „Das darf nicht folgenlos bleiben.“
Nach Rassismus-Eklat auf Sylt: Forderung nach Rückkehr der Punks wird laut
Während die Ermittlungen laufen, werden in den sozialen Medien Erinnerungen wach. An Juni 2022, als Punks mit dem Neun-Euro-Ticket im Gepäck nach Sylt fuhren. Die Insel-Ankömmlinge kosteten Anwohner und Urlauber viele Nerven und die Verwaltung am Ende satte 270.000 Euro. Von nationalsozialistischen Parolen waren sie allerdings weit entfernt. Auf X reihen sich am Freitag jetzt Kommentare wie „Ich glaube, die Leute auf Sylt wünschen sich jetzt die 9€-Punks zurück“, „Wo sind die Punks, wenn man sie braucht?“, oder „Als viele dachten, die Punks wären das größte Problem auf Sylt“ aneinander.
Auch Martin Sonneborn, Satiriker und Parteivorsitzender von Die PARTEI, äußert sich auf seinem Instagramkanal – mit einem Wahlplakat seiner Partei und dem Slogan „Schickt mehr Punks nach Sylt“. Lange dürfte es nicht dauern, bis die Punks dem Aufruf folgen. Schon im April teilte Hans-Martin Slopianka, Sprecher des Kreises Nordfriesland, mit, dass für den Zeitraum vom 22. Juli bis zum 1. September 2024 ein Protestcamp auf Sylt angemeldet wurde.
Bündnis ruft zu Demo gegen rechts auf Sylt auf
Bereits am Sonntag, 26. Mai, soll auf der sogenannten Whiskymeile in Kampen ab 15 Uhr eine „Mahnwache gegen Rechts“ abgehalten werden. In der Instagramstory von Sylt Lotsin, die Inselführungen anbietet, wird am Sonnabend darauf hingewiesen.
Eine Woche später, am 2. Juni, soll eine Demo unter dem Motto „Sylt bleibt bunt“ ein Zeichen setzen. „Das ist nicht eure Insel, das ist nicht euer Land“, heißt es in dem Aufruf von Zusammen gegen Rechts, einem „bundesweiten Netzwerk gegen AfD und Rechtsextremismus“.
Bereits am Freitag hatte es vor dem Pony eine Protestaktion gegeben.