Sylt. Elke Wenning kümmert sich um das Programm im kursaal3. Welche bekannten Künstler dort 2024 auftreten – und was ihr Sorge bereitet.
Wer am Strand von Wenningstedt auf Sylt spazieren geht und den Blick nach oben schweifen lässt, dem fällt an der Promenade ein futuristischer Neubau mit großer Glasfront und Holzfassade auf. Dahinter verbirgt sich der kursaal3 – ein Veranstaltungszentrum, das genauso vielseitig ist wie Elke Wenning.
Die Wahlinsulanerin ist sozusagen die Hausherrin und kümmert sich um sämtliche Veranstaltungen im kursaal3: Diese reichen von Lesungen über Cabaret, Comedy und Konzerte bis hin zu Kongressen und Messen. „Wir sind jetzt im zehnten Jahr, und ich habe die große Freiheit, dass ich völlig frei in der Programmgestaltung bin“, sagt die 69-Jährige beim Ortstermin mit dem Abendblatt.
Sylt: Christoph Maria Herbst und Gustav Peter Wöhler 2024 im kursaal3
In diesem Jahr treten unter anderem bekannte Musiker wie Klaus Hoffmann, Gustav Peter Wöhler oder die Band Godewind auf. Sie alle sind „Wiederholungstäter“, denn Wenning hegt und pflegt ihre Künstler.
Auch der gefragte Schauspieler und Kinostar Christoph Maria Herbst wird gemeinsam mit Kabarettist Moritz Netenjakob ein Gastspiel geben. „Wichtig ist der Programmmix, da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Und auch für jede Altersgruppe.“ In diesem Jahr sind rund 80 Veranstaltungen geplant.
Künstler sind manchmal nicht einfach – das reicht von Sonderwünschen bei der Getränkeausstattung in der Garderobe bis hin zu divenhaften Schüben. Diese Erfahrungen macht auch Wenning. Doch das kann sie nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe eine große Empathie für die Künstler. Ich stehe aber auch mit beiden Beinen im Leben, sodass ich die Leute wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen kann, sofern das notwendig ist.“
Wer die Veranstaltungsleiterin trifft, merkt sofort, dass die fröhliche Dame mit Herzblut dabei ist. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch: „Wir hatten hier vor der Pandemie bis zu 350 Zuschauer im kursaal3. Dann durfte erst mal lange Zeit gar nicht mehr gespielt werden. Und seit dem Neustart sind die Besucherzahlen zurückgegangen. Das Geld für den Urlaub ist zwar noch da, aber an der Kultur wird leider gespart.“
Elke Wenning ist als Vollwaise in sechs Pflegefamilien aufgewachsen
Der kursaal3, der vom Tourismusservice Wenningstedt-Braderup betrieben wird, steht wirtschaftlich trotzdem gut da. Denn das zweite Standbein sind Messen, Kongresse oder auch Events, wie im vergangenen Jahr die Busche Gala, auf der Holger Bodendorf vom Landhaus Stricker in Tinnum zum „Hotelier des Jahres“ gekürt wurde. „Diese Art der Veranstaltungen ist unser zweites Standbein, so können wir uns auch die Kultur leisten“, sagt Wenning.
Es gibt einen Satz von Wenning selbst, der viel über sie aussagt. „Mein Leben war nie geradeaus, aber fast immer war es gut zu mir.“ Ein Text reicht nicht aus, um den Werdegang der Norddeutschen zu beschreiben. Deshalb an dieser Stelle der Schnelldurchgang: Geboren wurde sie in Oldenburg. Der Start ins Leben war für sie alles andere als einfach: „Ich habe mit fünf Tagen meine Mutter verloren und mit drei Jahren meinen Vater. Bis zu meinem 17. Lebensjahr bin ich in sechs Pflegefamilien gewesen.“ Diese Zeit habe sie stark gemacht.
Sylt: Vor mehr als 40 Jahren kam Elke Wenning auf die Insel
Dass Kulturveranstaltungen zu ihrem Steckenpferd werden, dieser Weg zeichnete sich damals noch nicht ab. Zunächst folgte eine Ausbildung zur Krankenschwester in Westerstede und eine Weiterbildung zur Anästhesieschwester an der Uni-Klinik in Münster. „Später in Heidelberg an der Uni-Frauenklinik war ich mit 22 Jahren schon in einer leitenden Funktion.“
Nach einer gescheiterten Beziehung ging es zurück in den Norden. Sie landete 1977 auf Sylt, im Winter – Bonjour Tristesse. „Ich wollte den Dienst in der Nordseeklinik eigentlich gar nicht antreten“, erzählt Elke Wenning.
Doch das Pflichtbewusstsein siegte. Und es sollte sich auszahlen: Hier auf Sylt lernte sie ihren späteren Mann kennen. Zwei Söhne, die heute 43 und 40 Jahre alt sind, wurden auf der Insel geboren.
Von Sylt ging es zur Entwicklungshilfe ins südliche Afrika
Aber im Jahr 1985 tauschte die Familie die Nordsee gegen Lesotho aus. Das Land liegt im südlichen Afrika, ist von Armut geprägt und etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen, berichtet Wenning. Dort stand Entwicklungsarbeit auf dem Programm: „Mein Mann hat sich um ein Distriktkrankenhaus mit sechs Außenstationen gekümmert und ich mich um die Familie.“
Und um Haus und Hof. „Wir haben dort Ackerbau betrieben, hatten Hühner und ein Pferd. Das war ein anderes Leben. Wir sind von den Einheimischen gut aufgenommen worden, und es war eine spannende Zeit.“ Im Jahr 1989 folgte die Rückkehr auf die Insel. „Die Jungs haben zum ersten Mal eine Schule von innen gesehen. In Lesotho hatte ich versucht, die beiden zu unterrichten.“ Neben der Familie engagierte sich Wenning in der Aids-Hilfe Sylt, war eine der Gründerinnen des Vereins.
22 Jahre habe sie das gemacht, bis 2017. Legendär waren ihre jährlichen Galaveranstaltungen auf der Insel, mit denen sie und ihre Mitstreiter unermüdlich Spenden für die Aids-Hilfe sammelten. Für ihr Engagement wurde Wenning 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
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Sylt: Elke Wenning kümmerte sich um das Programm für das Meerkabarett
Neben der ehrenamtlichen Tätigkeit schlitterte das Nordlicht in die Kulturbranche. Zunächst nur als begeisterte Zuschauerin im legendären Sylter Meerkabarett, das wegen der Renovierung seiner Räume in Rantum aktuell auf das Congress Centrum Sylt in Westerland ausweichen muss, und dann als Mitarbeiterin. „Ich habe mich schon immer für Kultur interessiert und 2003 als Quereinsteigerin im Meerkabarett angefangen. Ich habe mich dort um die Veranstaltungen gekümmert.“
Zwölf Jahre lang hat sie sich diesem Job „mit viel Freude“ gewidmet. In einem Alter, in dem sich andere auf den wohlverdienten Ruhestand vorbereiten, ist Wenning noch mal durchgestartet. „Der kursaal3 hat mich angeworben“, berichtet die dreifache Großmutter und lächelt. Auch wenn die 70 nicht mehr weit ist, ans Aufhören denkt die Eventmacherin nicht.
So ganz „nebenbei“ ist Elke Wenning auch noch Präsidentin der Charity-Organisation Lions Club Sylt. Ihre zweite Amtszeit endet im Sommer – aber selbstverständlich wird sie sich dort weiter engagieren. Stillstand? Den kennt diese Frau nicht. Und ein tägliches Ritual darf nicht fehlen: Der Spaziergang mit ihrem Königspudel Chap am Strand von Hörnum an der Südspitze der Insel. Hier lebt Elke Wenning – es ist ihr persönlicher „Rückzugsort“.