Kiel. Hans-Joachim Grote und Ministerpräsident Daniel Günther liefern im Innenausschuss gegensätzliche Darstellungen.
Am Ende läuft es wie so oft auf die Frage hinaus, wem man glauben will: Dem eigenen Minister oder einem Gewerkschafter, gegen den die Staatsanwaltschaft Anklage erheben will, und seinem Kompagnon, einem Journalisten der Kieler Nachrichten (KN), der sich „an keinerlei journalistische Sorgfaltspflichten gehalten hat“. Dieses Zitat stammt von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) selbst. Insofern ist es schon überraschend, dass der Innenminister Hans-Joachim Grote die schlechteren Karten hatte – und am 28. April den von Günther erzwungenen Rücktritt einreichte. Seitdem ist die Opposition im Landtag, insbesondere die SPD, auf Zinne. Eine von ihr erzwungene Befragung der Landesregierung im Innen- und Rechtsausschuss erbrachte am Mittwoch keine grundstürzend neuen Erkenntnisse – aber ein paar interessante Details.
Minister-Rauswurf: WhatsApp-Nachrichten brachten den Stein ins Rollen
Der Sachverhalt selbst ist bekannt. Der mittlerweile wegen des Verdachts des Geheimnisverrats im Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft stehende DPolG-Gewerkschafter Thomas Nommensen und der KN-Journalist hatten eine rege WhatsApp-Kommunikation geführt. In dieser Kommunikation ist unter anderem angeblich die Rede davon, dass man den Innenminister aufgrund gewisser Äußerungen in der Hand habe. Über diese WhatsApp-Kommunikation hat die Staatsanwaltschaft einen sogenannten Bestra-Bericht verfasst und an das Justizministerium geschickt, und die hat ihn an den Ministerpräsidenten Günther weitergeleitet.
Grote, von Günther zur Rede gestellt, hat versichert, keinerlei persönliche oder vertrauliche Kommunikation mit Nommensen und dem Journalisten geführt zu haben. Aus einem zweiten Bestra-Bericht ging nun nach Ansicht von Günther hervor, dass es durchaus eine solche Kommunikation mit dem Journalisten gegeben habe. „Da war mir klar, dass Grote nicht Minister bleiben kann“, sagte Günther im Ausschuss.
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SPD vermutet andere Gründe für den Rauswurf von Hans-Joachim Grote
Die SPD vermutet, dass andere Gründe hinter dem Rauswurf stehen. Grote sei ein Opfer seines robusten Vorgehens im Zusammenhang mit der Rocker-Affäre. Unter anderem hatte er 2017 den Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium versetzt, ebenso den Chef der Landespolizei.
Bei der Befragung im Ausschuss griff Ministerpräsident Günther zunächst zum Mittel der Attacke. Dem SPD-Fraktionschef Ralf Stegner sei offenbar daran gelegen, den Ministerpräsidenten zu beschädigen. „Seit Wochen diskreditieren Sie, Herr Stegner, zudem Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Das waren ungeheuerliche Behauptungen“, sagte Günther – und spielte dabei offenbar auf Stegners Kritik an der Staatsanwaltschaft an. „Wenn es dafür heute kein Belege gibt, erwarte ich eine öffentliche Entschuldigung von Ihnen.“
Empörung über den Chat zwischen Gewerkschafter und einem Journalisten
Die Kieler Landesregierung unternahm gestern zugleich alles, um den Journalisten und den Gewerkschafter in möglichst schlechtem Licht dastehen zu lassen. Das seien „zum Teil sehr widerliche Chatverkehre“ gewesen, sagte Dirk Schrödter, der Leiter der Staatskanzlei. Die Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) beschrieb die beiden als „Menschen, die sich irgendwie hervortun wollen“. In den Chats habe sie „rassistische und frauenverachtende Bemerkungen“ entdeckt. Günther sprach von „einem Schriftwechsel zwischen Nommensen und dem Journalisten, der erschaudern lässt“.
Was ihn genau erschaudern ließ, bleibt unklar. Die Bestra-Berichte sind der Öffentlichkeit nach wie vor unbekannt. Das musste notgedrungen dazu führen, dass die Debatte im Ausschuss, geführt von Politikern und Abgeordneten, die allesamt Einblick in diese Berichte nehmen konnten, teilweise nur rudimentär verständlich war. Hinzu kamen Tonprobleme. Weil die Mikrofone im Landtagssitzungssaal zeitweise nicht funktionierten, musste die Sitzung unterbrochen werden.
Grote bestritt vertrauliche Nachrichten an den Journalisten
Grote bestritt auch gestern, vertrauliche oder persönliche Nachrichten mit dem Journalisten ausgetauscht zu haben. Der Ministerpräsident betonte, dass er vollkommen anderer Ansicht sei. Grote sei drei Jahre lang ein guter Innenminister gewesen, es habe keinen Dissens gegeben. „Aber nach dem zweiten Bericht“, so Günther, „muss ich doch keinem mehr erläutern, dass es da keine Zusammenarbeit im Kabinett mehr geben kann“. Sütterlin-Waack sagte: „Grote war Teil der Kommunikation zwischen Nommensen und dem Journalisten.“
Tatsache ist, dass sich der Ex-Minister nicht strafbar gemacht hat. Auch ist an dem zeitweilig erhobenen Vorwurf, er habe Daten auf seinem Handy gelöscht, offenbar nichts dran. Dass er sein Gerät auf Werkseinstellung zurückgesetzt hatte, war nicht untersagt. Offen bleibt, ob oder wie er sich in die Hände von Nommensen oder dem Journalisten begeben haben könnte. Durchaus möglich, dass sich die beiden in Sachen Grote nur etwas herbeifantasiert haben.
Gegen Nommensen wird wegen 56 Indiskretionsdelikten ermittelt
Auf Nommensen kommt noch einiges zu. Insgesamt wird wegen 56 Indiskretionsdelikten gegen ihn ermittelt. Immer wieder hatte er offenbar geheime Informationen an den Journalisten der Kieler Nachrichten weitergeleitet. Der wurde sogar mit einem Preis geehrt. Zwei Menschen, die sich „irgendwie hervortun“ wollen, haben die Politik ziemlich durcheinandergewirbelt.