Kiel. Oppositionspartei sucht weiter nach den wahren Gründen für den Rauswurf des Innenministers Hans-Joachim Grote.

Warum hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther Ende April, mitten in der Corona-Krise, seinen Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) zum Rücktritt gezwungen? Eine überzeugende Antwort darauf gibt es nach Ansicht des Oppositionsführers Ralf Stegner (SPD) weiterhin nicht. Daran hat auch der Versuch der Landesregierung, einen Fragenkatalog zu diesem Vorgang zu beantworten, nichts geändert – jedenfalls nicht aus Sicht der Fragestellers Stegner. Der SPD-Fraktionschef im Kieler Landtag sagte am Donnerstag: „Wesentliche Fragen wurden nicht beantwortet, andere teils bewusst irreführend.“

Die SPD will nun über den Innenausschuss für Aufklärung sorgen. Nach der Sommerpause sollen unter anderen Daniel Günther und mehrere Minister befragt werden, aber auch die Leitende Oberstaatsanwältin Birgit Heß. Stegner hofft, dort „die Antworten zu bekommen, die schriftlich nicht gegeben wurden“.

Die Vorgeschichte ist bekannt. Innenminister Grote, ehedem Norderstedter Bürgermeister und in Kiel nicht verankert, hatte schon bald nach Dienstantritt die wegen ihres Verhaltens in der sogenannten Rocker-Affäre umstrittene Führung der Landespolizei ausgetauscht. Ein Schritt, der sicher nicht allen gefallen hat – schon gar nicht allen in der sehr polizeiaffinen Nord-CDU.

Rein rechtlich ist weder Grote noch Günther etwas vorzuwerfen

Als der Kieler Staatsanwaltschaft im Rahmen von Ermittlungen gegen den DPolG-Gewerkschafter Thomas Nommensen WhatsApp-Nachrichten zwischen Grote und einem Reporter der „Kieler Nachrichten“ bekannt wurden, glaubte die Staatsanwaltschaft, darüber die Landesregierung informieren zu müssen. Ministerpräsident Günther stellte Grote zur Rede. Günther sagt, Grote habe ihn in diesem Gespräch nicht wahrheitsgemäß über die Kontakte informiert. Grote bestreitet das. Nach einem weiteren Bericht der Staatsanwaltschaft wurde der Minister zum Rücktritt gezwungen.

Klar ist: Rein rechtlich ist weder Grote noch Günther etwas vorzuwerfen. Grotes Kontakte zu dem Journalisten waren legal. Und ein Ministerpräsident kann jederzeit einen seinen Minister entlassen – auch ohne Angabe von Gründen. In der Staatskanzlei suchte man damals allerdings dennoch nach kommunizierbaren Gründen, um Grote loszuwerden. Einen Tag vor dem Rücktritt entwarf der Staatskanzlei-Chef Dirk Schrödter schon mal ein passendes Schreiben für die Öffentlichkeit. Darin hieß es unter anderem, dass Grote in Wahrnehmung seiner Aufgaben als Innenminister Grenzen überschritten habe und dass er bei seinen Personalentscheidungen zur Spitze der Landespolizei von 2017/18 bereits von solchen Grenzüberschreitungen negativ beeinflusst worden sei. Kurz und gut: Der Minister habe „Zwist“ in der Landespolizei ausgelöst.

Groteske Verdrehung der Tatsachen

Was Schrödter da formulierte, war eine reichlich groteske Verdrehung der Tatsachen. Denn den Zwist in der Landespolizei gab es schon lange vor Grotes Amtsantritt. Der Norderstedter hat versucht, den Zwist beizulegen. Ausgelöst haben ihn andere – unter anderem jene, die er damals entließ.

Warum der Staatskanzlei-Chef dennoch so formulierte, bleibt unklar. War das damals wirklich eine realistische Entlassungsbegründung – oder nur eine Fingerübung eines übereifrigen Beamten? Günther sagt, er kenne dieses Schreiben nicht. Am Ende wurde der Öffentlichkeit gegenüber ein anderer Grund genannt: Der Ministerpräsident habe wegen der angeblich unrichtigen Angaben zu Grotes WhatsApp-Kommunikation kein Vertrauen mehr zum Minister. Mit der Polizei habe dies alles nun wirklich gar nichts zu tun.

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Unklar ist auch die Rolle von Birgit Heß, Chefin der Kieler Staatsanwaltschaft. Sie war bei zwei Gesprächen in der Staatskanzlei dabei, bei denen es um Grotes Chats ging. Am Ende mailte ihr der Regierungspressesprecher Peter Höver gar die Pressemitteilung zum Grote-Rauswurf vorab zu – angeblich nur, um sie rechtlich prüfen zu lassen. Betreff: „wie besprochen“. Stegner spricht von einem verfassungsrechtlich bedenklichen „Nahverhältnis“ zwischen Regierung und Strafverfolgungsbehörde.

Regierungskoalition machte die Schotten dicht

Die Regierungskoalition aus CDU, Grünen und FDP machte am Donnerstag die Schotten dicht. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der drei innenpolitischen Sprecher im Landtag lässt sich Burkhard Peters (Grüne) so zitieren: „Ich habe nach der Durchsicht der Akten ergänzend zum Bericht des Ministerpräsidenten im Innen- und Rechtsausschuss keine weiteren Fragen an den Ministerpräsidenten“. Tim Brockmann (CDU) sagt: „Der Ministerpräsident hat seinem damaligen Innenminister zu Recht das Vertrauen entzogen.“ Jan Marcus Rossa (FDP) sagt: „Dem Ministerpräsidenten blieb nichts anderes übrig, als seinen Innenminister zum Rücktritt aufzufordern.“

Kein Wort zur Rolle der Staatsanwaltschaft, kein Wort zum Chef der Staatskanzlei.