Norderstedt. Wie die Politik im Kreis Segeberg den Rücktritt des Innenministers kommentiert – und was ein guter Freund darüber denkt.

Hans-Joachim Grote feiert heute Geburtstag. Es ist der 65. Zeit für die Rente, denkt man. Grote selbst dachte nie so.

Im Spätherbst seiner Karriere zog es ihn mit 62 Jahren von der kommunalen Ebene als Oberbürgermeister in Norderstedt auf den Sessel des Innenministers im Jamaika-Kabinett von Daniel Günther in Kiel. Statt weniger wollte Grote mehr Verantwortung. Knapp drei Jahre später ist seine Mission in der Landespolitik beendet. Ein jäher Rücktritt, eine angeschlagene Gesundheit. Und ein politisch vernichtender Nachruf seitens des Ministerpräsidenten Daniel Günther. Er habe Erkenntnisse, so Günther, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Grote ausschließen.

Während die Öffentlichkeit auf die vielzitierte rückhaltlose Aufklärung der Hintergründe des Rücktritts wartet, um das Ausmaß eines möglichen Fehlverhaltens Grotes einschätzen zu können, zeigen sich Landtagspolitiker aus dem Kreis Segeberg bestürzt über den Abgang eines geschätzten Innenministers. „Das war ein Schock. Ich wusste nichts von dem Sachverhalt“, sagt die Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann (CDU). „Ich bedauere, dass wir mit Hans-Joachim Grote einen sehr erfolgreichen Innenminister mit hervorragender Amtsführung verlieren“, betonte die Abgeordnete. „Ich habe ihn in Kiel immer als loyalen Partner erlebt, mit gutem Draht zur lokalen Basis.“

Fraktionskollege Ole-Christopher Plambeck findet es persönlich schade, dass „einer von uns“, also jemand aus dem Kreis Segeberg, nun in Kiel fehle. „Ich schätze ihn sehr. Seine ruhige Art, seine Autorität, seine Gelassenheit. Dazu die richtig gute Expertise bei vielen Themen, zuletzt beim kommunalen Finanzausgleich. Ein sehr kompetenter Minister geht.“

Weniger überrascht von der Affäre zeigt sich der FDP-Abgeordnete Stephan Holowaty. Die Spannungen innerhalb der Landes-CDU habe man in den vergangenen Wochen deutlich gespürt. „Das alles scheint eine parteiinterne Sache zu sein. Ob der Rücktritt Grotes nötig war, das muss der Ministerpräsident jetzt mit sich ausmachen.“ Holowaty bekommt sein Bild von Grote nicht mit dem Urteil Günthers zusammen, wonach eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. „Ohne die Vorwürfe im Detail zu kennen, schätze ich Grote als zuverlässigen Partner und kompetenten und ehrlichen Politiker. Vielleicht ist es ja auch so, dass in Kiel allzu vertrauensvolles Verhalten nicht honoriert wird.“

In seiner Heimatstadt Norderstedt ist die CDU-Basis massiv überrascht vom plötzlichen Rücktritt und seinen Gründen. „Es macht mich traurig“, sagt Peter Holle, Fraktionschef der CDU in der Stadtvertretung. „Er war es doch, der die fragile Regierungskoalition in Kiel mit seiner vermittelnden Art erst möglich gemacht hat.“ Holle erinnert sich gut an Grotes Worte, als dieser im Sommer 2017 nach Kiel aufbrach. „Er sagte, der Job des Innenministers sei ein Schleudersitz. Das hat sich jetzt ja wohl bewahrheitet.“ Die Art und Weise von Grotes Rücktritt und das Verhalten des Ministerpräsidenten dabei sieht Holle kritisch. „Diesen Abgang hat Grote nicht verdient!“

Wenn die Brise steif wird, zahlt es sich aus, gute Freunde zu haben. Hans-Joachim Grote hat mit Holger „Holli“ Schurbohm so einen Freund. Der Norderstedter Unternehmer und Gründer von Elektro Alster Nord (EAN) ist seit Jahrzehnten an Grotes Seite – politisch als eine Art Ziehvater innerhalb der CDU und privat, etwa als Golfpartner.

„Und beim Golfen unterhält man sich ja auch“, sagt Schurbohm am Mittwoch. „Aber ich erzähle Ihnen jetzt nicht all das, was mir Herr Grote zu der Sache gesagt hat.“ Was er in der Diskussion gerade für zu wenig beachtet hält, ist Grotes Hinweis auf seine angeschlagene Gesundheit. Er hatte erklärt, sich nach einem gesundheitlichen Rückschlag vor längerer Zeit nicht mehr vollständig erholt zu haben. „Es geht ihm wirklich nicht besonders gut. Der Job als Innenminister war wahnsinnig anstrengend für ihn. Der Mann war doch nur noch in seiner Limousine unterwegs. 80.000 Kilometer im Jahr, immer zwischen A und B, von Termin zu Termin, sieben Tage die Woche und dazwischen noch regelmäßig nach Berlin“, sagt Schurbohm.

Was den Rücktritt und die Gründe dafür angeht, so spricht Schurbohm dann doch noch Klartext. „Grote war ein Minister, der ganz oben in der Beliebtheitsskala stand. Er ist ehrlich, loyal, integer, geradlinig. Aber in Kiel, da gibt es keine Ehrlichkeit!“ Schurbohm kritisiert hingegen die Performance des Ministerpräsidenten Günther. „Der hat doch nun in den letzten Wochen und Monaten wirklich keine gute Figur gemacht. Grote hat ständig für ihn die Kohlen aus dem Feuer geholt. Und jetzt die Vorwürfe gegen Grote? Das ist doch Pillepalle.“

Schurbohm erinnert sich gut an 1998, als der Baudezernent Grote auch dank seiner Wahlkampfhilfe zum ersten Mal Bürgermeister in Norderstedt wurde. „Am Wahlabend war ich zuerst beim Rolling-Stones-Konzert in Hamburg. Dann hatte Hans-Joachim mit ein paar Stimmen Abstand gewonnen, und ich fuhr mit einer Flasche Rotwein zu ihm. So mache ich das jetzt auch an seinem Geburtstag.“