Mit 37 von 69 Stimmen hat der Kieler Landtag Torsten Albig zum Regierungschef gewählt. Nun hat der Ministerpräsident sein Kabinett offiziell ernannt.

Kiel. Schleswig-Holstein hat mit Torsten Albig nach sieben Jahren wieder einen Ministerpräsidenten von der SPD. Der Landtag wählte den früheren Kieler Oberbürgermeister am Dienstag mit 37 von 69 Stimmen zum Regierungschef. Das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) hat 35 Mandate, so dass Albig mindestens zwei Stimmen aus anderen Fraktionen bekommen haben muss. Er löst Peter Harry Carstensen von der CDU ab, der seit 2005 Ministerpräsident war – zunächst in einer Koalition mit der SPD und ab 2009 an der Spitze einer Regierung mit der FDP. Bei Albigs Wahl gab es 30 Nein-Stimmen, eine Enthaltung und eine ungültige Stimme.

Ob die beiden zusätzlichen Stimmen aus den Reihen der Piraten kamen, bleibt unklar. Die Piraten hatten sich am Vortag der Wahl darauf verständigt, ihr Stimmverhalten nicht offenzulegen. Bei ihnen gibt es keinen Fraktionszwang. Jeder Abgeordnete soll persönlich entscheiden, ob und in welchen Fragen er die „Dänen-Ampel“ unterstützt.

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Nach seiner Vereidigung durch Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) sagte Albig, es sei eine große Ehre für ihn, für das Land arbeiten zu dürfen. „Mir ist die Verantwortung für dieses Land sehr bewusst“, betonte er. „Ich freue mich, Ihr Ministerpräsident zu sein“, sagte er an das Parlament gewandt. Ausdrücklich und umfassend dankte Albig seinem Vorgänger Carstensen für dessen Leistungen für Schleswig-Holstein. Carstensen sei ein starker Ministerpräsident gewesen. Politischer Streit werde vergessen sein. „Die historische Leistung, für die Sie stehen, nicht.“

Mit seiner Wahl blieb Albig das Schicksal der früheren SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis erspart. Sie war 2005 nach fast zwölf Jahren an der Spitze des Landes in vier Wahlgängen spektakulär gescheitert, weil ihr eine Stimme aus dem eigenen Lager fehlte. Simonis wollte eine Minderheitsregierung mit den Grünen führen, toleriert vom SSW. Wer der „Heide-Mörder“ war, wurde bis heute nicht geklärt. Simonis war am Dienstag auch zur Ministerpräsidenten-Wahl ins Kieler Landeshaus gekommen.

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Statt Simonis hatte 2005 Carstensen das Ruder als Chef einer Koalition mit der SPD übernommen. Nach deren Scheitern 2009 blieb Carstensen nach einer Neuwahl an der Macht und regierte mit der FDP. Wegen eines verfassungswidrigen Wahlrechts musste der Norden aber erneut früher wählen als geplant – am 6. Mai dieses Jahres. Dabei wurde die CDU mit 30,8 Prozent knapp stärkste Kraft vor der SPD mit 30,4 Prozent. Es folgten die Grünen mit 13,2 Prozent, gefolgt von FDP und Piraten mit je 8,2 sowie SSW mit 4,6 Prozent.

Der als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Sperrklausel befreite SSW regiert nun zum ersten Mal mit im Norden. Die Grünen übernehmen erstmals in einem deutschen Flächenland das Schlüsselressort Finanzen, mit Haushaltsexpertin Monika Heinold (53) als Ministerin. Außerdem wird der bisherige Grünen-Fraktionschef Robert Habeck Energiewende-Minister. Der SSW führt mit seiner früheren Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Justizressort. Die SPD übernimmt außer der Staatskanzlei vier Ministerien (Bildung, Inneres, Soziales, Wirtschaft).

Politische Schwerpunkte sollen Bildung und die Energiewende sein. Mehrausgaben von 40 Millionen Euro im Haushalt 2013 – zum Beispiel für dänische Schulen oder Frauenhäuser – sollen in dem hoch verschuldeten Land über Mehreinnahmen oder Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Für die Verkehrspolitik erntete das Bündnis harsche Kritik aus der Wirtschaft, weil es die Autobahn 20 zunächst an der A 7 enden lassen will, statt ihren Weiterbau über die Elbe nach Niedersachsen ins Visier zu nehmen

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hat dem neuen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein zu dessen Wahl gratuliert. „Das ist ein guter Start“, sagte Scholz am Dienstagmorgen mit Blick auf Albigs Wahlergebnis. „Das Verhältnis zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein ist gut, und ich bin sicher, dass es zwischen beiden Ländern auch künftig gut weitergehen wird“, sagte Scholz. Schleswig-Holstein werde für Hamburg ein besonders wichtiger Partner bleiben, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister.

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Zwei Stunden nach seiner Wahl zum schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten hat der SPD-Politiker Torsten Albig am Dienstag sein Kabinett offiziell ernannt. Die Namen standen seit langem fest. Von den sieben Ministerien erhalten die Sozialdemokraten vier, die Grünen zwei und der SSW, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, als dritter Koalitionspartner eins.

Stellvertretender Ministerpräsident wird Robert Habeck (42) von den Grünen, der das neue Energiewendeministerium leitet; es ist auch für Umwelt und Landwirtschaft zuständig. Zweite Stellvertretende Ministerpräsidentin wird Anke Spoorendonk (64) vom SSW. Sie führt das Ministeriun für Justiz, Kultur und Europa. Finanzministerin wird Monika Heinold (53) von den Grünen.

Von der SPD bestimmt, entscheidet die parteilose Flensburger Uni-Präsidentin Waltraud Wende (54) künftig als Ministerin für Bildung und Wissenschaft. Reinhard Meyer (52, SPD), bisher Chef der Staatskanzlei in Schwerin, übernimmt das Wirtschaftsressort. Für Inneres ist künftig der bisherige Rendsburger Bürgermeister Andreas Breitner (45, SPD) verantwortlich. Die Pinneberger Bürgermeisterin Kristin Alheit (44, SPD) erhält das Sozialministerium.

Die erste Kabinettssitzung sollte nach der Ernennung am frühen Nachmittag stattfinden. An diesem Mittwoch werden die Ministerinnen und Minister im Landtag vereidigt.

(dpa/abendblatt.de)