Wedel. „Kleine Strolche“ musste Betrieb auf Regio-Klinik-Gelände aufgeben. Warum sich die Politik vom Wedeler Bürgermeister getäuscht sieht.

Im Kampf um das Abwahlverfahren gegen Wedels hart kritisierten BürgermeisterGernot Kaser geht es immer heftiger zu. Kasers Anwalt, Dr. Graf Kerssenbrock, möchte den Abwahltermin am 9. Juni vom Verwaltungsgericht Schleswig verschieben lassen, bis alle Vorwürfe gegen seinen Mandanten juristisch aufgeklärt sind.

Anschuldigungen gegen ihn gibt es von den eigenen Mitarbeitern, dem Personalrat der Stadt Wedel, von der Sparkasse und auch vom Stadtmarketing. Nun sehen einige Wedeler Politiker Kaser als Schuldigen für die Schließung der Kita Kleine Strolche, die Ende August des Vorjahres trotz zahlreicher Proteste ihren Betrieb einstellen musste.

Wedel: Umstrittener Bürgermeister Gernot Kaser – Abwahltermin soll verschoben werden

Strafrechtliche Anschuldigungen gegen den bis 2028 gewählten Bürgermeister gibt es ebenfalls: Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt gegen Kaser wegen des Verdachts der Untreue im Amt. Eine der beiden Anzeigen hatte die Stadt Wedel gestellt. Der Bürgermeister selbst hat Anzeige gegen die Stadt gestellt, etwa wegen Verleumdung. Gegen den Bürgermeister läuft unter anderem ein Disziplinarverfahren, weil er einen Mitarbeiter bedroht haben soll, Unterschriften unter Rechnungen zu leisten.

Kasers Anwalt hat nun ein Schriftstück beim Verwaltungsgericht eingereicht – das 17 Seiten umfassende Dokument ist auch auf der Homepage www.kaser-klare-kante.de hochgeladen worden. Ein genereller Vorwurf der Stadtpolitiker lautet: Kaser habe mehrfach gegen die Vertraulichkeit sowie den Datenschutz verstoßen.

Wedeler Politiker kritisieren Kaser in der Causa Kita „Kleine Strolche“

Eine mögliche Verfehlung Kasers im Vertrauensverhältnis zum Stadtrat soll nach Ansicht der Wedeler Politiker im Zuge der Schließung der Kita „Kleine Strolche“ entstanden sein, die Ende August 2023 ihren Betrieb auf dem Gelände der dort stillgelegten Regio-Kliniken an der Holmer Straße endgültig aufgeben musste.

Reepschlägerhaus in Wedel: Der umstrittene Bürgermeister Gernot Kaser (r.) sprach im Beisein seines Rechtsanwaltes Trutz Graf Kerssenbrock während einer Pressekonferenz über die vielen Vorwürfe. 
Reepschlägerhaus in Wedel: Der umstrittene Bürgermeister Gernot Kaser (r.) sprach im Beisein seines Rechtsanwaltes Trutz Graf Kerssenbrock während einer Pressekonferenz über die vielen Vorwürfe.  © Frederik Büll | Frederik Büll

Dazu heißt es als Erwiderung im Anwaltsschreiben: „Der Antragsteller (Gernot Kaser, Anm. d. Redaktion) hat stets die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen eingehalten. Die angeblichen Verstöße sind entweder falsch dargestellt oder wurden bereits intern geklärt. Beispielsweise wurde der Vorfall mit der Kita „Kleine Strolche“ durch Missverständnisse und Kommunikationsprobleme verursacht, die nicht allein dem Antragsteller zugeschrieben werden können.“

Zu dem Thema sind auf der Homepage www.wedel-politik.de nun Details veröffentlicht worden. Aus Sicht der Politiker habe ein „Vertrauensbruch zur Schließung der Kita“ geführt. Bürgermeister Kaser habe ohne Rücksprache vertrauliche Details aus einer nicht-öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Sport an Elternvertreter der Kita verraten.

Regio Klinik: Wedeler Kita „Kleine Strolche“ lief drei Jahre ohne Krankenhausbetrieb weiter

Zum Hintergrund: Anfang 2023 habe es bald drei Jahre nach der Schließung des Krankenhauses „immer noch keine wesentlichen Fortschritte bei der Entwicklung des Geländes“ gegeben. Der Fachbe­reichs­leiter „teilte deshalb im vertraulichen, nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Ausschus­ses für Bildung, Kultur und Sport (BKS) am 26.04.2023 mit, dass der Kita-Betrieb wohl zum 01.08.2023 aufgegeben werden müsse“. Darüber und über Lösungsmöglichkeiten würde die Verwaltung nun in den persönlichen Austausch mit der Kita-Trägerin, der Kita-Leitung und den betroffenen Eltern gehen.

Der Bürgermeister sei ebenfalls laut Politik Teilnehmer dieser Sitzung gewesen: „Noch bevor die Verwaltung mit irgendjemanden von den Verantwortlichen hierüber sprechen konnte, informierte Herr Kaser nur drei Tage später, am Samstag, den 29.04.2023, die beiden Elternvertreterinnen der Kita Kleine Strolche persönlich über die Schließung.“

Kita-Schließung: Wedeler Politiker kritisieren Vertrauensbruch mit Gernot Kaser

„Dieses geschah ohne Rücksprache mit den Verantwortlichen der Ver­wal­tung und bevor die Trägerin der Kita oder die Leitung und Mitarbeitenden informiert wa­ren. Mit diesem Verstoß gegen die Vertraulichkeit und der nicht abgesprochenen Informati­ons­weitergabe trat der Bürgermeister eine Welle der Empörung, aber auch Verzweiflung bei den betroffenen Eltern los“, heißt es auf der Homepage. Dieses sei in den folgenden BKS- und Ratssitzungen bis zum Sommer 2023 für alle Anwesenden spürbar gewesen.

Politik und Elternvertretung hätten sich anschließend mit der Verwaltung bemüht, eine Lösung zu finden, damit die Kita nicht so kurzfristig geschlossen werden muss, „sondern mindestens ein weiteres Jahr geduldet werden kann“. Es sollten Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen dauerhaften Betrieb gefunden werden, da für die Kindertagesstätte außerhalb der Stadtgrenzen bislang die Kopplung an einen Krankenhausbetrieb zwingend nötig war. Der Weiterbetrieb der Kita war zuvor geduldet.

Innenministerium hätte keine Widerstände für weitere Duldung gesehen

Die Zeit drängte, „es folgten Gespräche mit der Betreiberin, dem neuen Eigentümer und Vertretern des Innenmi­nisteriums. Aus Kiel erhielt die Grüne Politikerin, Frau Kärgel, schließlich die Zu­sage, dass es seitens des Ministeriums keine Widerstände gäbe, wenn die Stadt Wedel die Duldung der Kita für ein weiteres Jahr laufen ließe. Es solle einfach alles so weiterlaufen wie bisher“, schildern die Politiker ihre Sicht der Dinge.

Es sollte einen Termin mit allen Beteiligten geben, den die damalige BKS-Vorsitzende Julia Fisauli-Aalto (CDU) auf den Freitag, 16. Juni 2023, legen wollte. Einen Tag vorher habe der Bürgermeister gebeten, das Treffen abzusagen und versprochen, noch am selben Tag einen neuen Termin vorzuschlagen. Sie sagte den Termin ab, einen neuen Terminvorschlag seitens Kaser habe es „erst nach wiederholtem Nachfragen“ für Donnerstagabend, 22. Juni, des Vorabends gegeben.

Wedel Kita „Kleine Strolche“: Beschluss zur Nutzungsunterlassung erlangte Rechtsgültigkeit

Mit Ausnahme des Grundstückseigentümers Captiva, der den Termin nicht wahrnehmen konnte, kamen die Vertretungen der Politik und Verwaltung zusammen. „Völlig überraschend teilte dann jedoch eine Mitarbeiterin des Justiziariats den politischen Vertre­tungen gleich zu Beginn des Meetings mit, dass die Bauaufsicht vor einem Monat einen Bescheid zur Nutzungsunterlassung an die Betreiberin versandt hätte. Dieser sei mit Ablauf des 19.06.2023 rechtskräftig geworden, da die Regio-Kliniken keinen Einspruch eingelegt hatten. Man könne gerne über die Kita sprechen, aber die Schließung sei nun unabwendbar.“

Von diesem Bescheid habe weder die Politik noch der neue Grundeigentümer gewusst. Die Politiker fühlten sich vom Bürgermeister „hintergangen und ausgetrickst“, da er den Termin um knapp eine Wo­che verschoben habe, „sodass in der Zwischenzeit der Bescheid rechtskräftig werden konnte und es damit keinen Weg mehr gab, die Kita Kleine Strolche weiterhin zu dulden“.

Bürgermeister Gernot Kaser: Vertrauen der Politik „in Aussagen des Bürgermeisters“ nachhaltig beschädigt

Das Vertrauen der Politik „in Aussagen des Bürger­meisters“ sei nach diesem Erlebnis nachhaltig beschädigt worden. Bei der Regio-Klinik selbst sei der eingereichte Bescheid aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheiten untergegangen. Eine telefonische Anfrage von Dagmar Süß, Grünen-Fraktionsvorsitzende, Anfang Juni zuvor bei der Bauaufsicht, wie der Sachstand bezüglich des bereits angedrohten Bescheides zur Nutzungsuntersagung für den Kita-Betrieb sei, gelang zuvor ebenfalls nicht.

„Niemand aus der Verwaltung durfte mit den politischen Vertretern sprechen, ohne sich vorher die Erlaubnis des Bürgermeisters bzw. der entsprechenden Fachbereichsleitung einzuholen. Ein Rückruf der Bauaufsicht bei Frau Süß erfolgte trotz mehrfacher Anfrage nicht, und sie erhielt somit keine Informationen zum Sachstand“, heißt es.

Wedel: Grundstücksbesitzer wollte „mittelfristig in einen neuen krankenhausähnlichen Betrieb gehen“

Der neue Grundstücksbesitzer habe laut Wedeler Stadtpolitik geplant, „dort mittelfristig in einen neuen krankenhausähnlichen Betrieb zu gehen. In dem Kaufvertrag war geregelt, dass die Kita (gerade frisch renoviert nach einem Wasserschaden) weiterhin betrieben werden soll und tatsächlich hatte auch der neue Eigentümer ein großes Interesse an dem Fortbestand der Kita“, meinen die Politiker.

Etwa 30 Kinder waren zuletzt dort in der Kindertagesstätte. Es sei laut Wedeler Politik die einzige Kita im Kreis mit „Betreuung mit besonderer Flexibilität und erweiterten Öffnungszeiten. Kinder konnten bereits ab 6 Uhr morgens abgegeben werden, viele Eltern seien im Gesundheitswesen oder bei der Polizei beschäftigt gewesen und schätzten das Angebot. Gerade auch, weil bei unvorhersehbaren beruflichen Ereignissen stets eine Erzieherin beim Kind blieb, ehe es abgeholt werden konnte.

Schließung der Kita: Gernot Kaser verweist auf Protokolle der Sitzungen

Auf konkrete Abendblatt-Fragen, etwa inwiefern es aus Kasers Sicht zutreffend sei, dass er den ersten Gesprächstermin bewusst verschoben habe oder wie sich die finale Phase des Vorgangs der Kita-Schließung aus seiner Sicht darstellen würde, antwortete Gernot Kaser nicht. „Zum Thema Kita ,Kleine Strolche‘ gab es eine Vielzahl von Ausschuss- und Ratssitzungen. Entsprechend auch die dazugehörigen Protokolle im Bürgerinformationssystem Allris“, so der Amtsinhaber.

Die Inhalte dieser Protokolle beschrieben laut Kaser einerseits den Prozess der Aufarbeitung und die weitere Vorgehensweise, sowie „anderseits die Gründe für die Schließung der Kita“. Deshalb verweise er auf diese Protokolle. Dabei seien „auch Fragen von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern beantwortet“ worden.

Verwaltung: „Betriebsgenehmigung der Kita wird durch den Kreis erteilt“

Am 28. Juni – also nachdem die Kita-Schließung feststand – waren Fragen der Grünen im Bildungsausschuss beantwortet worden, die der Verwaltung in der Ratssitzung am 6. Juni gestellt wurden. Dort heißt es beispielsweise auf die Frage, ob die Verwaltung Kontakt zum Sozialministerium beziehungsweise Landesregierung für eine Verlängerung des Betriebs aufgenommen habe: „Es bestand kein Bedarf, mit dem Sozialministerium Kontakt aufzunehmen. Die Betriebsgenehmigung der Kita wird durch den Kreis erteilt und war durch die Baulast an den Betrieb des Krankenhauses gekoppelt. Ohne diese Baulasterklärung wäre die Nutzung der Betriebskita schon 2008 nicht genehmigungsfähig gewesen. Überdies ist das Sozialministerium nicht für baurechtliche Verfahren zuständig.“

Im Wortprotokoll wird Kaser, der die Vorwürfe einer Verzögerung zurückweist, so zitiert: „Da bis heute kein Konzept für die Weiternutzung des alten Krankenhauses durch Captiva als Gesundheitszentrum vorliegt, hat man eine finale Entscheidung treffen müssen. Diese Entscheidung hat man sich nicht leichtgemacht, da auch die Verwaltung kein Interesse an einer Schließung der Kita hatte.“

Abwahlverfahren Gernot Kaser: Anwaltskanzlei möchte Termin in Wedel verschieben

Unterdessen bemüht sich die Anwaltskanzlei des Bürgermeisters, den Abwahltermin zu verschieben, da es keinerlei Beweise für schuldhaftes Verhalten Gernot Kasers gebe. Im Fazit des Schreibens an das Verwaltungsgericht Schleswig heißt es: „Die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe sind unbegründet und beruhen auf subjektiven Wahrnehmungen sowie unzureichend belegten Behauptungen. Das Abwahlverfahren basiert auf fehlerhaften Annahmen und Verfahrensmängeln.“

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Ebenfalls wird angezweifelt, dass die Prinzipien einer freien Wahl gelten, da Bürgermeister Kaser sich beispielsweise in den offiziellen Abwahlunterlagen, die den Wedeler Wählern zugingen, nicht äußern durfte. „Die Wählerinnen und Wähler müssen in ihrer Entscheidung frei sein und dürfen weder von staatlichen noch von privaten Stellen beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden. Es ist sicherzustellen, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Entscheidung ohne Zwang, Druck oder unzulässige Beeinflussung treffen können.“

Jede Form der Beeinflussung „könnte die Rechtmäßigkeit der Abwahl infrage stellen“

Jede Form der Beeinflussung, sei es durch einseitige öffentliche Kampagnen, Druck von politischen Akteuren oder andere unzulässige Mittel, würde laut Kerssenbrock die Wahlfreiheit verletzen und könnte die Rechtmäßigkeit der Abwahl infrage stellen.

Zudem sei aus seiner Sicht eine „aktive Wählertäuschung“ vorhanden, da für den „unbeteiligten Dritten“ der Anschein erweckt werde, dass die Homepage www.wedel-politik.de offiziell von den Ratsherren und -frauen in ihrer politischen Funktion betrieben werde.

„Bis heute ist nicht erkennbar, dass sich der Rat der Stadt Wedel gegen diesen Anschein gewehrt hätte oder Maßnahmen eingeleitet hätte, die dem Wahlbürger eine Differenzierung zwischen offiziell und privat ermöglicht hätte“, so der Anwalt. Im Impressum der Homepage sind die „Sprecher der Fraktionen und Gruppen im Rat der Stadt Wedel“ namentlich aufgeführt, die über die Rechtsanwaltskanzlei Medires von Wedels aktuell zweitem stellvertretenden Bürgermeister Tobias Kiwitt erreichbar seien.