Wedel. Einige Bürgermeister in Schleswig-Holstein sind von Bürgern abgewählt worden. Was das Pro- und das Contra-Kaser-Lager in Wedel eint.
Nach gut zwei Jahren im Amt könnte Bürgermeister Gernot Kaser (parteilos) seinen Job an der Verwaltungsspitze in Wedel vorzeitig verlieren. Am Mittwoch, 20. März, war bekannt geworden, dass die Wedeler Politik einen interfraktionellen Antrag zu Abwahl Kasers gestellt hat, über den am Gründonnerstag, 28. März, in der Ratsversammlung abgestimmt wird.
Gründe dafür sind unter anderem die aus Sicht der Politik nicht konstruktive, unprofessionelle Zusammenarbeit mit ihm – oder auch Rathaus-Mitarbeiter, die sich vehement über das Verhalten des Österreichers beklagen. Auch das Verhältnis zum eigenen Stadtmarketing gilt als zerrüttet. Schon Ende 2022 versuchte Kaser, die Politik von einer Vertragsauflösung mit Wedel Marketing zu überzeugen.
Abwahl Gernot Kaser: Fraktionen sind sich einig – WSI berät noch
Damit der Beschluss zur Abwahl des Wedeler Bürgermeisters gefasst werden kann, ist eine Zweidrittelmehrheit der Politik nötig. Dies gilt als Formsache. Mit Ausnahme der Fraktion der Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Initiative (WSI) wird der Abwahlantrag von allen anderen Fraktionen getragen – CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP und die beiden Ratsherren der Linken kommen auf insgesamt 35 Stimmen.
Die WSI stellt fünf Ratsfrauen und -herren. Die Vorsitzende Angela Drewes sagt: „Wir werden noch in der Gesamtfraktion darüber diskutieren, wie wir mit den Anträgen zur Bürgermeisterabwahl umgehen.“ Gibt es das Votum der Wedeler Politik, ruhen bereits ab dem Zeitpunkt der Entscheidung dieser vorläufigen Freistellung bis zur Verkündung des Ergebnisses des Abwahlverfahrens Kasers Amtsgeschäfte.
Kaltenkirchens ehemaliger Bürgermeister wurde 2011 abgewählt
In Schleswig-Holstein gab es bislang bereits Bürgermeister, die vorzeitig ihr Amt im Zuge eines Abwahlverfahrens abgeben mussten. Etwa Robert Wagner in Timmendorfer Strand im November 2020 oder Gunnar Koech (Ratzeburg, Kreis Herzogtum Lauenburg) im August 2021.
Bei Arno Kowalski, ehemaliger Bürgermeister von Barsbüttel (Kreis Stormarn), scheiterte 2005 die Abwahl. Die Bürger stimmten für dessen Verbleib im Amt. 2013 wurde Martina Denecke in Oststeinbek (Kreis Stormarn) durch 91,8 Prozent der Wählerstimmen ihres Amtes enthoben. 2011 wurde in Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) Stefan Sünwoldt (SPD) von 64,8 der Bürger, die sich beteiligten, abgewählt. Die Gründe damals: Jahrelange öffentliche Querelen.
Auch die dortigen Politiker hatten dessen Amtsführung erheblich kritisiert – unter anderem habe er Beschlüsse der Politik verspätet umgesetzt. Und es gab ähnliche Kritikpunkte wie nun in Wedel: Sünwoldt sei der Aufgabe fachlich nicht gewachsen. Mit einer Zweidrittelmehrheit in der Stadtvertretung war die Entscheidung zur Abwahl dann den Bürgern übertragen worden.
St. Peter-Ording: Bürgermeister kam der Entscheidung durch Rücktritt bevor
St.-Peter-Ordings Bürgermeister Jürgen Ritter gab im November 2023 seinen Rücktritt zum 1. März 2024 bekannt, nachdem er keinen Rückhalt mehr innerhalb der Gemeinde verspürte – so kam er einem Abwahlverfahren zuvor, das auf einer Einwohnerversammlung initiiert worden war. Auch die Politik hatte bereits intensive Überlegungen in diese Richtung angestellt.
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In Wedel soll – im Falle der Beschlussfassung – nach Abendblatt-Informationen der Gang an die Wahlurne mit der Europa-Wahl am Sonntag, 9. Juni, kombiniert werden. Auch, um die ohnehin angespannte Finanzlage der Stadt – es drückt ein Schuldenberg von mehr als 90 Millionen Euro – nicht doppelt durch die Durchführung von jeweils einer Wahl zu strapazieren.
Generell muss solch ein Abwahlverfahren innerhalb von drei Monaten nach der politischen Entscheidung durchgeführt werden. Zuletzt war in Wedel im Oktober 2023 über einen Bürgerentscheid ein zweijähriger Planungsstopp für das Baugebiet Wedel Nord erwirkt worden.
Beweislage sei unklar: Wedeler wollen die genauen Gründe erfahren
Dass die Wedeler Politiker die detaillierten Gründe, die eine Abwahl rechtfertigten, erst mündlich in der Ratsversammlung vortragen möchten – und jene nicht bereits im Antrag geschildert werden –, ruft ein geteiltes Echo hervor. In einer Wedeler Facebook-Gruppe wird bereits fleißig diskutiert. So ist unter anderem zu lesen: „Wie selbstsicher sich dieser Rat doch anscheinend ist, dass die Bürger ebenfalls so wählen werden.“
Auch von einer „orchestrierten Kampagne“ gegen den Bürgermeister ist die Rede. Man hätte die Ergebnisse des laufenden Disziplinarverfahrens gegen Gernot Kaser, das Kiel nach Beschwerde eines Rathausmitarbeiters eingeleitet hat, abwarten müssen.
Wedel: Wegen Kaser – steigende Kosten durch kündigende Mitarbeitende?
Zum Thema Kosten für Wedel gibt es auch eine abweichende Meinung, dass es richtig teuer für Wedel werde, und zwar, „wenn aufgrund des Gebarens des BM immer mehr Mitarbeitende kündigen und die Arbeit deshalb nicht gemacht werden kann. Schon jetzt sind die Mitarbeitenden in der Verwaltung mehr als deutlich an ihren Grenzen und teilweise darüber hinaus. So dass zu den bisherigen Kündigungen auch ein erhöhter Krankenstand dazukäme.“ Die Abkürzung BM wird für Bürgermeister verwendet.
Generell gesehen scheint – bei einem ersten Blick auf die Diskussionen im Internet – ein klares Stimmungsbild in Wedel nur schwer erkennbar zu sein. Gefühlt sind in diesem Diskurs diejenigen in der Überzahl, die eine Verschwörung gegen Wedels Bürgermeister sehen.
Abwahl Gernot Kaser: Wedeler hoffen auf Beweise
Die beiden Lager, Pro- und Contra-Kaser, hoffen nun im weiteren Verlauf auf glasklare Beweise, um eine faktenbasierte Entscheidungsgrundlage zu haben. Nach der Ratsversammlung am Gründonnerstag folgt im Anschluss auch eine vom Ältestenrat der Stadt Wedel initiierte Presserunde zur Begründung des Antrags.
Um Kaser abzuwählen, reicht eine Mehrheit bei der Abstimmung nicht unbedingt: Nur wenn mindestens 20 Prozent der Wedeler Wahlberechtigten – das sind gut 5600 Stimmen – die Fragestellung „Soll Bürgermeister Gernot Karl Kaser abgewählt werden?“ auf ihrem Wahlzettel mit „Ja“ ankreuzen (und es weniger Nein-Stimmen gibt), ist der Nachfolger von Niels Schmidt, der nach 18 Jahren im Bürgermeisteramt abgelöst worden war, als Chef der Wedeler Verwaltung abgesetzt. Eine Abendblatt-Anfrage an Gernot Kaser vom gestrigen Mittwoch, 20. März, wollte jener nicht beantworten.
Wie ist Ihre Meinung zum Abwahlverfahren von Gernot Kaser? Schreiben Sie uns gern eine E-Mail an pinneberg@abendblatt.de