Elmshorn. Nach Zoll-Razzia und TV-Bashing beim ZDF: Verbraucherschützer von Foodwatch reichen Klage gegen The Quality Group ein. Die Vorwürfe.
- Jan Böhmermann hatte in seiner ZDF-Show den Stein ins Rollen gebracht, jetzt reichte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch Klage gegen More Nutrition ein
- Nach der Verbreitung irreführender Werbung, hatte sich das Unternehmen geweigert, die betroffenen Videos zu entfernen
- Foodwatch sieht hier einen Fall von falschen Versprechen
Böhmermann-Kritik, eine Zoll-Razzia auf dem Firmengelände und ein verlorener Gerichtsprozess: Bei der Elmshorner Hype-Marke More Nutrition kehrt keine Ruhe ein. Gerade erst hat The Quality Group, Inhaberin der Marke, vor Gericht eine Niederlage wegen falscher Werbeversprechen einstecken müssen. Jetzt droht schon das nächste Ungemach.
The Quality Group beziehungsweise deren Tochterfirma Quality First, die vor allem für zuckerfreie Lebensmittel, Proteinpulver und Nahrungsergänzungsmittel bekannt ist, muss sich bald erneut vor Gericht verantworten. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat Klage gegen More Nutrition bzw. die Inhaberinnen der Marke eingereicht, wie das Abendblatt exklusiv erfuhr.
Nach Böhmermann-Kritik und Zoll-Razzia: Klage gegen More Nutrition eingereicht
Foodwatch hatte das Unternehmen Quality First als Inhaberin der Marke More Nutrition Ende Januar wegen irreführender Werbung und Verstößen gegen die Health-Claims-Verordnung abgemahnt. Weil sich das Unternehmen geweigert habe, die beanstandeten Videos zu entfernen und eine Unterlassungserklärung abzugeben, haben die Verbraucherschützer am Montag beim Landgericht Itzehoe Klage eingereicht.
Foodwatch hatte exemplarisch zwei Videos abgemahnt, die auf dem Instagram-Kanal von More Nutrition veröffentlicht wurden. Mittlerweile sind beide Videos nicht mehr auf dem Instagram-Account der Marke zu finden. Allerdings existieren zahlreiche weitere Videos ähnlicher Machart, in denen Kundinnen ihre „Erfolgsgeschichten“ erzählen. Ein Blick auf die Profile der Frauen, die seit Anfang Januar in den Videos auftreten, zeigt: allesamt sind Partnerinnen von More Nutrition, haben eigene Rabattcodes für den Online-Shop.
Verbraucherschützer sehen Verstöße gegen die europäische Health-Claims-Verordnung
In den beanstandeten Clips hatte etwa eine junge Frau von berichtet, wie sie mit den More-Produkten „Chunky Flavour“, „Zerup“ und „Total Protein“ Gewicht verloren habe. In einem zweiten Video werde durch einen persönlichen Erfahrungsbericht der Eindruck vermittelt, dass der Konsum des Produktes „Cycle Balance“ zum Wiedereinsetzen der Periode und letztlich zur Schwangerschaft geführt habe, kritisierten die Verbraucherschützer.
Laut Foodwatch stehen weder die Aussage, dass Süßstoffe bei der Gewichtsabnahme helfen, noch das Versprechen, dass die im Produkt „Cycle Balance“ enthaltenen Mikronährstoffe den weiblichen Menstruationszyklus förderten, auf der EU-weiten Liste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben.
Jan Böhmermann kritisierte More Nutrition zuerst im „ZDF Magazin Royal“
Diese Liste ist Teil der europäischen Health-Claims-Verordnung, die Verbraucher vor falschen gesundheitsbezogenen Versprechen schützen soll. Darin ist geregelt, mit welchen Aussagen Lebensmittelhersteller werben dürfen. Diese Aussagen müssen ein Zulassungsverfahren bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit durchlaufen.
More Nutrition findet vor allem in sozialen Netzwerken statt, wirbt auf Instagram und TikTok um eine junge, gesundheits- und fitnessaffine Zielgruppe. Genau das wird aber immer wieder kritisiert, etwa auch von Jan Böhmermann, der sich die Marke in seinem „ZDF Magazin Royal“ vorgenommen hatte.
Verbraucherschützer: Irreführende Werbung und falsche Gesundheitsversprechen
„More Nutrition gaukelt vor allem jungen Frauen vor, ihre Produkte helfen beim Abnehmen oder Schwangerwerden und beruft sich dabei auf persönliche Erfahrungen und ausgewählte Studien, die größtenteils von der Industrie finanziert werden. Die Heilversprechen von More Nutrition sind irreführend und illegal“, sagt Laura Knauf von Foodwatch.
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Irreführende Werbeversprechen hatte auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beanstandet und 2022 gegen More Nutrition bzw. Quality First geklagt. Stein des Anstoßes war die Werbung in sozialen Netzwerken für eine Brownie-Backmischung. Die beanstandeten Aussagen: „95 Prozent weniger Zucker“ und „70 Prozent weniger Fett“ sowie „Perfekt für jede Diät.“
More-Nutrition-Firma verliert Prozess vor dem Hamburger Landgericht
Ende Februar gab das Landgericht Hamburg den Verbraucherschützern recht. Die Werbeclaims seien irreführend, weil bei den Angaben zu Zucker und Fett eine Bezugsgröße fehle und nicht ersichtlich sei, worauf sich der Vergleich beziehe.
Auch die Aussage „Perfekt für jede Diät“ sei irreführend. Das Versprechen schreibe der Protein-Brownie-Backmischung Wirkungen und Eigenschaften zu, die sie nicht besitze, urteilten die Richter. So sei das Produkt jedenfalls nicht „perfekt“ für jede Art von Diät, beispielsweise werde bei einigen Diäten auf Gluten oder Protein verzichtet, heißt es in der Urteilsbegründung.
Nach Böhmerann-Kritik: Elmshorner Hype-Marke More Nutrition wird verklagt
Im November 2023 war More Nutrition erstmals einer größeren öffentlichen Kritik ausgesetzt, nachdem Jan Böhmermann im „ZDF Magazin Royal“ die Werbestrategie der Marke thematisiert hatte. Wenig später folgte dann die nächste Hiobsbotschaft für das Unternehmen The Quality Group, dem neben More Nutrition auch die Marken ESN und Foodist gehören.
Der Zoll führt aufgrund eines anonymen Hinweises eine Durchsuchung in den Räumen der Firma in Elmshorn und Kaltenkirchen durch. Anlass war der Verdacht auf Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Dieser Verdacht bestätigte sich bei den Kontrollen, es gab mehrere Festnahmen. Allerdings betonte The Quality Group, dass die Aktion sich gegen Zeitarbeitsfirmen gerichtet habe.