Elmshorn. An der US-Westküste hat ein Duo aus dem Kreis Pinneberg sechs vegan lebende Menschen in Los Angeles porträtiert. Geplant war das nicht.
Diese Idee hatte schon lange im Kopf von Simon Heydorn herumgespuckt. Der in Elmshorn tätige Fotograf und Videoproduzent aus Kölln-Reisiek ist bekennender Veganer und freut sich, wenn er Gleichgesinnte kennenlernt. Und diese Lebensweise musste doch mit einem anderen Herzenswunsch kombinierbar sein?
„Ich war noch nie in Amerika; dahin wollte ich schon seit Jahren unbedingt“, sagt der 38-Jährige über das Motiv, seinem damaligen Azubi Aldan Rohlfs diesen Vorschlag zu unterbreiten: „Ich hab total Bock, mal was mit Film in den USA zu machen. Lass uns doch.“
Film über Veganer in LA: Erst nach dem Ticketkauf wurde über Inhalte nachgedacht
Aus dem simplen Wunsch entsprang ganz schnell eine gewisse Eigendynamik. „Ich glaube, da hat sich mein ADHS ein wenig herausgestellt, dadurch bin ich dann manchmal impulsiv“, erinnert sich Heydorn schmunzelnd an den Moment, als er auf einem Supermarktparkplatz kurzerhand Fakten schuf. „Da saß ich nach dem Einkauf im Auto und dachte nur noch ,So, ich buche jetzt Flüge‘. Ich habe Aldan angeschrieben, mir seine Reisepassnummer geben lassen und dann hatten wir die Tickets nach Los Angeles.“
Eine Buchung, die natürlich sofort ein Frage nach sich zog. „Und was machen wir dann in LA?“, wollte Rohlfs nachvollziehbar wissen. Und Heydorns unbekümmerte Antwort: „Das weiß ich noch nicht, das überlegen wir uns jetzt.“ Dieses Brainstorming kombiniert mit dem Durchstöbern der sozialen Netzwerke, der Videoplattform YouTube sowie bereits erschienenen Online-Artikeln aus den USA ergab schließlich einen Plan. Einen guten Plan, den das Duo nun in einen 40-minütigen Dokumentarfilm umgewandelt hat.
Heydorn und Rohlfs begleiten sechs Menschen in Los Angeles durch deren veganen Alltag
„Wir wollten versuchen, aus jedem möglichen Bereich des veganen Lebens einen Menschen beispielhaft zu zeigen“, fasst Aldan Rohlfs, der gerade aus der Kaltenweide nach Hamburg-Ottensen gezogen ist, die Zielsetzung des Projekts zusammen. „Da seien Bereiche wie Food, Sport, Influencing oder auch Aktivismus genannt.“
Sechs Menschen aus LA sind dabei herausgesprungen, erste Kontakte wurden noch aus der Ferne geknüpft, Verabredungen getroffen. Das war es dann aber auch mit genauerer Planung für Heydorn, der schon vorher zusätzlich zu seiner Foto- und Filmproduktion mit seiner Webseite vegans-worldwide.com eine Tür in die vegane Welt geöffnet hatte. „Alles Weitere sollte sich vor Ort ergeben“, sagt Heydorn. „Wir wollten nach dem Prinzip Run-and-Gun mit den Leuten mitlaufen und schauen, was in deren Leben passiert.“
Der erste Akteur bedeutet fast das vorzeitige Ende des Projekts
Und sehr viel ist passiert in diesen zehn Tagen. Ganz zu schweigen davon, dass der kreative LA-Trip mit ein wenig Pech für das Duo Heydorn/Rohlfs hätte ganz schnell vorüber sein können. Denn der erste Filmpartner „Le Fou“ führte die jungen Deutschen gleich an die Grenze des Legalen – und ein wenig darüber hinaus.
„Der Junge ist Künstler, er hat auch einen veganen Club gegründet, macht Musik und bringt seine veganen Motive als Street-Art in die Stadt, indem er an exponierten Stellen klebt“, beschreibt Heydorn den ersten Akteur, der sich selbst den Namen „der Verrückte“ gegeben hat. Downtown in LA, in ständiger Hörweite von Polizeisirenen, sollte mit ihm der Nervenkitzel beginnen.
Über Nato-Draht geht es auf verbotenes Terrain
„Der Junge hatte sich dann einen für ihn ,perfekten‘ Platz ausgesucht, von dem ich immer noch nicht genau weiß, was für ein Gebäude das war“, erinnert sich der Elmshorner Filmemacher. „Das war zwar schon abgesperrt, mit Nato-Draht versehen, aber auch mit Graffiti vollgeschmiert. Da hat er dann seine Leiter ausgepackt und wir sind über den Nato-Draht hinweg das Dach hoch. Ich hatte super Schiss; wäre da die Polizei gekommen, hätten sie uns vielleicht gleich wieder in den Flieger nach Hause gesetzt.“
Aber die Polizei kam nicht, und Heydorn/Rohlfs konnten auch ihre fünf anderen Akteure besuchen. Begegnungen, welche die beiden Deutschen als ungemeine Bereicherung empfinden. Aldan Rohlfs ist zum Beispiel immer noch von Chanel begeistert, eine junge Afroamerikanerin, die mit ihrem pinkfarbenen Foodtruck vielerorts in Los Angeles anzutreffen ist.
Tolle Begegnungen trösten über ein übles Hotelzimmer hinweg
„Was für eine tolle Energie diese Frau verströmt hat“, schwärmt der Neu-Ottensener immer noch und wurde so wie sein damaliger Lehrmeister Heydorn über Unwägbarkeiten wie ein übel riechendes Hotelzimmer mit Insektenbesuch hinweggetröstet.
So begleiteten die Deutschen mit dem veganen Käseschöpfer Youssef Vromage, der Streamerin und Influencerin Tricia Pain, dem wie Tricia beeindruckend tätowierten Ausdauerathleten Alex Buck und Kacy, die das vegane Catering-Unternehmen Junie&Sprout betreibt, vier weitere Menschen, die sich für das Leben ohne Tierprodukte entschieden haben.
Rund 150 Stunden lang sichten und schneiden die Filmemacher ihr Bildmaterial
Zurück in Deutschland begann die eigentliche Arbeit. Unmengen an Filmmaterial mussten am Schneidecomputer gesichtet und dann auf ein für das Endprodukt optimales Maß komprimiert werden. „Meine größte Hochachtung an Aldan“, sagt Heydorn, der mit seiner Firma in der Elmshorner Deichstraße ansässig ist. „Von den rund 150 Stunden Schneidearbeit hat er bestimmt 120 bestritten. Er hat da mit seinen 24 Jahren wohl doch die Jugend auf seiner Seite.“
Mit dem, was dabei herausgesprungen ist, sind Heydorn/Rohlfs sehr zufrieden. In den rund 40 Minuten zeigen sie den Zuschauern ihres Films auf YouTube eine weitere Facette der veganen Welt und hoffen dabei, nun einen Stein ins Rollen gebracht zu haben.
Wenn die Doku gut ankommt und sich Sponsoren finden, soll eine ganze Filmreihe folgen
„Wenn alles optimal läuft, dann ist diese Dokumentation die Pilotfolge zu einer ganzen Serie von Filmen über veganes Leben weltweit“, sagt Heydorn, der jedes Jahr ein eigenfinanziertes Projekt, zum ersten Mal nun im Videoformat. „Ich könnte mir als nächste Etappe erstmal Berlin vorstellen; aber dafür müssen wir nun auch Sponsoren finden.“
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Geldgeber müssen her, aber auch weitere Protagonisten, die ins rechte Licht gerückt werden sollen. „Auf jeden Fall dann wieder in diesem Run-and-Gun-Format, nicht zu wissen, was gleich passiert“, sagt der Elmshorner. „Wenn du mit den Leuten mitgehst, schafft es Authentizität, wie leben sie den Veganismus.“
Träumen ist erlaubt: Heydorn möchte mit Billie Eilish, Joaquin Phoenix und Schwarzenegger drehen
Gäbe es denn für zukünftige Folgen auch absolute Traum- und Wunschkandidaten aus der veganen Welt? Simon Heydorn erlaubt sich einige kleine Träumereien: „Also in den USA hätte ich gerne die Sängerin Billie Eilish und Schauspieler Joaquin Phoenix, das sind beide einfach wunderbare Menschen“, sagt der Filmemacher und traut sich auch, seinen größten Wunsch auszusprechen: „Arnold Schwarzenegger ernährt sich nun auch nahezu vegan, wenn wir den für unser Projekt bekommen könnten.“