Falsche Versprechen in Netzwerken: Verbraucherschützer von Foodwatch werfen umstrittener Lebensmittelfirma schwere Verstöße vor.
- Instagram-Video von Hype-Marke sorgt für Aufregung
- Verbraucherorganisation Foodwatch wird aktiv – More Nutrion bekommt Abmahnung
- Zuvor hatte Jan Böhmermann sich bereits kritisch zu dem Unternehmen aus Elmshorn geäußert
Elmshorn. Der Wirbel um die Elmshorner Firma The Quality Group reißt nicht ab. Nachdem ZDF-Entertainer Jan Böhmermann deren Hype-Marke More Nutrion aufs Korn genommen hatte, gab es heftige Kritik. Wenig später gab es eine Zoll-Kontrolle an den Firmenstandorten in Elmshorn und Kaltenkirchen. Der Verdacht: Schwarzarbeit.
Jetzt gibt es wieder Ärger. Die Verbraucherorganisation Foodwatch mahnt die The Quality Group GmbH als Inhaberin der Marke More Nutrion ab. Der Grund: Verstöße gegen die europäische Health-Claims-Verordnung. Stein des Anstoßes sind zwei exemplarische Videos auf dem Instagram-Kanal von More Nutrion, die nun durch Foodwatch abgemahnt wurden.
More Nutrition: Abmahnung für Hype-Marke aus Elmshorn
In einem der Posts berichtet eine Kundin davon, mit den Produkten „Chunky Flavor“, „Zerup“ und „Total Protein“ erfolgreich Gewicht verloren zu haben. Das Video stammt aus dem September 2023 und war am 22. Januar 2024 auf Instagram abrufbar. Die Kundin sagt, sie nutze 50 Prozent der Produkte täglich.
„Etliche Kilogramm Körpergewicht verlieren, ganz ohne lästige Diäten und Heißhunger-Attacken – More Nutrition gaukelt vor allem jungen Frauen durch vermeintliche Erfahrungsberichte vor, dass ihre Produkte Wunder bewirken“, sagt Laura Knauf von Foodwatch. „Tatsächlich handelt es sich lediglich um süßstoffgesüßtes, hochverarbeitetes Pulver, dessen wissenschaftliche Wirksamkeit nicht belegt ist.“
Erwecken die Erfahrungsberichte zu More Nutrition einen falschen Eindruck?
In einem weiteren Post berichtet eine Kundin von einem großen Gewichtsverlust. In der Beschreibung des Videos steht: „17 Kilo abgenommen dank More“. Außerdem berichtet die junge Frau davon, dass ein More-Produkt ihr dabei geholfen habe, schwanger zu werden – wenn auch indirekt. Konkret benannt wird hier das Produkt „Cycle Balance“.
Nach Ansicht von Foodwatch werde in diesem Erfahrungsbericht der Eindruck vermittelt, dass der Konsum des Produkts zum Wiedereinsetzen einer zuvor ausgebliebenen Periode und letztlich zur Schwangerschaft geführt habe. Das Video stammt aus dem August 2023 und war ebenfalls am 22. Januar 2024 auf dem Instagram Account von More Nutrition abrufbar.
Foodwatch mahnt: Aussagen zu More Nutrition verstoßen gegen Health-Claims-Verordnung
Foodwatch kritisiert, dass weder die Aussage, dass Süßstoffe bei der Gewichtsabnahme helfen, noch das Versprechen, dass die im Produkt „Cycle Balance“ enthaltenen Mikronährstoffe den weiblichen Menstruationszyklus förderten, auf der EU-weiten Gemeinschaftsliste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben stehen.
Daher verstießen die Aussagen in den Posts auf den Social-Media-Kanälen der Marke More Nutrition gegen die europäische Health-Claims-Verordnung, so die Einschätzung von Foodwatch. Diese Regelung soll Verbraucherinnen und Verbraucher vor falschen gesundheitsbezogenen Versprechen schützen. Gesundheitsbezogene Angaben sind laut Verordnung nur nach einem erfolgreichen Durchlaufen eines Zulassungsverfahrens zulässig.
More Nutrition: Mutterkonzern wurde schon einmal abgemahnt
Laut Foodwatch würden in beiden Videos unzulässige Werbeversprechen getätigt, die auch gegen die Vorgaben der Lebensmittelwerbung verstießen. Die Abmahnung liegt dem Abendblatt vor. Die Verbraucherorganisation fordert darin eine Unterlassungserklärung sowie die Einhaltung von Verbraucherschutzvorschriften. Sonst drohe ein gerichtliches Unterlassungsverfahren. Außerdem fordern die Verbraucherschützerinnen und -schützer, dass die Videos offline genommen werden.
Schon vor zwei Jahren war The Quality Group als Markeninhaberin von More Nutrition vom Bundesverband der Verbraucherzentralen abgemahnt worden. Auch damals ging es um irreführende Gesundheitsversprechen. In der Folge wurden einzelne Werbeaussagen von der Webseite entfernt.
Abmahnungen von Foodwatch zeigten bereits Wirkung
Abmahnung der Verbraucherorganisation haben in der Vergangenheit bereits dazu geführt, dass Firmen ihre Werbung stoppten. So gab das Start-up Hye, an dessen Gründung auch Influencerin Cathy Hummels beteiligt war, nach einer Abmahnung von Foodwatch wegen irreführender Gesundheitswerbung eine Unterlassungserklärung ab.
Auch der Getränkehersteller Eckes-Granini hörte nach einer Abmahnung durch Foodwatch auf, mit dem Logo „CO₂-Neutral“ auf seinen Produkten zu werben. Das Unternehmen gab ebenfalls eine Unterlassungserklärung ab, wies aber darauf hin, sich schon zuvor dazu entschieden zu haben, die Kommunikation der CO₂-Neutralität auf seinen Produkten nicht mehr fortzuführen.
More Nutrition: Marketing mit Influencern in sozialen Netzwerken
More Nutrition setzt beim Marketing voll auf Influencerinnen und Influencer sowie auf Erfahrungsberichte von Kundinnen und Kunden. Diese werden in sozialen Netzwerken verbreitet. 715.000 Followerinnen und Follower hat die Marke More Nutrition auf Instagram.
„Unsere Marketingstrategie basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit Influencerinnen und Influencern, die für die Erstellung und das Design ihrer Inhalte selbst verantwortlich sind“, hieß es auf Abendblatt-Nachfrage im November von The Quality Group. In den Videos müsse immer deutlich werden, dass es sich um eigene Erfahrungsberichte handele. „Und diese grundsätzlichen Aussagen haben auch heute noch Gültigkeit“, betont eine Sprecherin von The Quality Group.
The Quality Group: Auch ESN und Foodist gehören zur Firma
Die Partnerinnen und Partner würden entsprechend gecoacht, über Inhaltsstoffe, Studien und Produkte informiert. Schon während der Recherchen des „ZDF Magazins Royal“ von Jan Böhmermann wurden einige Postings gelöscht. Laut The Quality Group, da diese nicht im Einklang mit ihren Richtlinien gestanden hätten. In so einem Fall reagiere das Unternehmen sofort und ergreife „die geeigneten Maßnahmen.“
Das Unternehmen legt Wert darauf, dass die Produkte von More Nutrition kein Gesundheitsrisiko darstellten. Die verwendeten Süßstoffe seien von der European Food Agency genehmigt und würden regelmäßigen Kontrollen unterliegen. The Quality Group, der auch die Marken ESN und Foodist gehören, macht nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von rund 450 Millionen Euro.
Zoll kontrolliert zahlreiche Beschäftigte bei The Quality Group
Rund einen Monat nach dem Beitrag in der Böhmermann-Sendung „ZDF Magazin Royal“ stand The Quality Group erneut ungewollt im Fokus. Aufgrund eines anonymen Hinweises führte der Zoll eine groß angelegte Kontrolle an den Standorten in Elmshorn und Kaltenkirchen durch. Dabei ging es um mutmaßlich illegal Beschäftigte.
Die Zollfahnder wurden fündig, es gab zahlreiche Verstöße und sogar einige Festnahmen. Das Abendblatt hatte exklusiv über die Kontrollen berichtet, der Vorfall sorgte bundesweit für Aufsehen. The Quality Group wies darauf hin, dass es sich bei den illegal Beschäftigten um Angestellte von Zeitarbeitsfirmen gehandelt habe.
Im aktuellen Fall hat das Abendblatt More Nutrition um eine Stellungnahme gebeten. Bis zum Dienstagnachmittag sei nach Angaben von The Quality Group die schriftliche Abmahnung noch nicht zugestellt worden. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich The Quality Group zu laufenden Abmahnungsverfahren grundsätzlich nicht äußert“, erklärt deshalb eine Unternehmenssprecherin.