Kreis Pinneberg. Immer mehr Menschen leben im Kreis, nirgendwo im Land ist der Ausländeranteil höher. Das bringt auch Herausforderungen mit sich.

Die Bevölkerung im Kreis Pinneberg wächst und wächst. Am 30. September 2022 lebten 322.248 Menschen im bevölkerungsreichsten Landkreis Schleswig-Holsteins, fast 51.000 davon in Elmshorn, der einwohnerstärksten Stadt des Kreises.

Im krassen Gegensatz dazu steht, dass es im Kreis Pinneberg mehr Sterbefälle als Geburten gibt. Wie kann es da sein, dass die Bevölkerung trotzdem zunimmt? Die Antwort: Zuzug. Der Kreis Pinneberg ist offenbar äußerst beliebt, bei Deutschen wie bei Menschen aus dem Ausland.

Bevölkerung wächst: Warum immer mehr Menschen im Kreis leben

Nach Angaben des Kreises ziehen vor allem junge Familien aus Hamburg in den sogenannten Speckgürtel, zu dem auch der Kreis Pinneberg gehört. Aber sie sind nicht die einzigen Menschen, die im Kreis ihre neue Heimat finden wollen. Auch aus dem Ausland kommen viele Menschen in den Norden.

Wie dem aktuellen Fokusbericht der Sozialplanung des Kreises Pinneberg zu entnehmen ist, gibt es eine erhöhte Nachfrage nach Einbürgerungstests und auch die Einbürgerungsanträge haben stark zugenommen. Gleiches gilt für die Zuzugsanträge. Ohne diesen Zuzug würde die Bevölkerungszahl im Kreis Pinneberg sinken.

Bevölkerungsprognose für 2030 bereits im Herbst 2022 erreicht

Im Jahr 2017 wurde prognostiziert, dass die Bevölkerung im Kreis Pinneberg bis 2030 auf mehr als 322.000 Menschen steigen würde. Diese Zahl wurde bereits im September 2022 erreicht. Hauptgrund sind nach Angaben des Kreises vor allem die Fluchtbewegungen der Jahre 2015 und 2022.

Angesichts solcher Entwicklungen ließen sich belastbare Vorhersagen offensichtlich nicht oder nur schwer treffen. Gleiches gelte für die demografische Entwicklung. Verhaltene Geburtenraten, höhere Lebenserwartung und Renteneintritte der geburtenstarken Jahrgänge ließen aber darauf schließen, dass der Anteil alter und hochaltriger Menschen zunehmen werde.

Kommunen schlagen Alarm: Kein Platz für Geflüchtete

Dass immer mehr Menschen den Kreis Pinneberg mittlerweile ihre Heimat nennen, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Insbesondere die große Zahl an Geflüchteten, die hier untergebracht werden müssen, bereitet den Kommunen große Schwierigkeiten.

Die Bürgermeister und Amtsleitungen hatten Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) nach Wedel eingeladen, um ihr die Situation vor Ort zu schildern und konkret zu benennen, wo dringend Hilfe gefragt ist.
Die Bürgermeister und Amtsleitungen hatten Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) nach Wedel eingeladen, um ihr die Situation vor Ort zu schildern und konkret zu benennen, wo dringend Hilfe gefragt ist. © HA | Sven Kamin/ Stadt Wedel

Die Kommunen schlugen erst im Juli Alarm und protestierten gegen die Flüchtlingspolitik des Landes. Die Städte und Gemeinden seien am Ende ihrer Möglichkeiten, die vielen geflüchteten Menschen aufzunehmen. Von Integration könne keine Rede sein, Kindergärten, Schulen und Deutschkurse seien völlig überfüllt.

Tafeln im Kreis Pinneberg verhängen zeitweise Aufnahmestopp

Auch die Tafeln im Kreis hatten schon im Winter vergangenen Jahres von einer erheblichen Belastung berichtet, vor allem durch die vielen Menschen, die infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine in den Kreis Pinneberg gekommen waren. Hinzu kamen die massiv gestiegenen Kosten für Strom und Gas, die viele weitere Menschen bedürftig machten.

Die Pinneberger Tafel verhängte zeitweise sogar einen Aufnahmestopp für Neukunden, andernorts nahm die Zahl der Kunden nach Ausbruch des Krieges sprunghaft zu, in Elmshorn beispielsweise von anfangs 100 auf bis zu 250 Abholer pro Tag.

Kreis Pinneberg hat den höchsten Ausländeranteil aller Kreise im Land

3629 Menschen aus der Ukraine leben laut Fokusbericht im Kreis Pinneberg, der Großteil seit 2022. 47.100 Menschen im Kreis haben einen ausländischen Pass, das entspricht etwa 14,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Damit hat der Kreis den höchsten Ausländeranteil von allen Landkreisen Schleswig-Holsteins, nur die kreisfreien Städte weisen höhere Werte auf.

Was auffällt: Die Altersgruppen sind zwischen ausländischer und deutscher Bevölkerung sehr unterschiedlich verteilt. Während der Anteil der Altersgruppe der 18- bis 49-Jährigen bei der deutschen Bevölkerung bei nur 33,5 Prozent liegt, sind es bei der ausländischen Bevölkerung ganze 57,3 Prozent. Den größten Anteil bildet dabei die Altersgruppe zwischen 30 und 49 Jahren (39 Prozent).

Die meisten Ausländer im Kreis Pinneberg kommen aus EU-Staaten

Genau umgekehrt ist es in der Altersgruppe ab 50 Jahren. Diese bildet einen Anteil von 49,3 Prozent an der deutschen Bevölkerung im Kreis, in der ausländischen Bevölkerung sind es nur 24,5 Prozent. Das heißt: Neuankömmlinge und Menschen mit ausländischem Pass sorgen dafür, dass der Kreis jünger wird. Dennoch liegt der Altersdurchschnitt bei 45,1 Jahren.

Verändert haben sich die Verhältnisse bei den Herkunftsländern, vor allem infolge des Krieges in der Ukraine. Den größten Anteil der ausländischen Bevölkerung bilden Menschen aus EU-Staaten mit rund 30 Prozent. Es folgen die Türkei (12,3 Prozent), Syrien (8,5), die Ukraine (7,7) und Afghanistan (6,7). Mehr als die Hälfte der Menschen mit ausländischem Pass kamen vor weniger als acht Jahren in den Kreis Pinneberg.

Kreis Pinneberg muss die meisten Asylsuchenden unterbringen

Der Kreis Pinneberg hat von allen Landkreisen in Schleswig-Holstein die meisten Asylsuchenden und ukrainischen Flüchtlinge zugewiesen bekommen (1500 Menschen von Januar bis Ende Juni). Für diese Menschen braucht es Infrastruktur, Unterstützungsangebote und vor allem: Wohnraum.

Der ist im Kreis Pinneberg ohnehin knapp. Das zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass die Miet- und Wohnpreise in der Region gestiegen sind. Und das nicht zu wenig. Die durchschnittliche Neumiete im Kreis Pinneberg lag 2022 bei 9,51 Euro pro Quadratmeter. Im Vorjahr waren es noch 9,18 Euro.

Menschen brauchen Wohnraum: Mieten im Kreis steigen

Von den zehn großen Städten und Gemeinden sind die Mieten in Barmstedt am niedrigsten, gefolgt von Uetersen und Elmshorn. Hier liegt der Mietpreis bei Neuvermietungen jeweils unter neun Euro. Spitzenreiter ist laut Fokusbericht die Gemeinde Halstenbek, dort kostet die Miete durchschnittlich 10,95 Euro pro Quadratmeter.

Vielerorts – wie hier, auf dem Gelände der ehemaligen Post in Pinneberg – entstehen im Kreis Pinneberg Wohnungen. Dennoch ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware.
Vielerorts – wie hier, auf dem Gelände der ehemaligen Post in Pinneberg – entstehen im Kreis Pinneberg Wohnungen. Dennoch ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Wer es sich leisten kann, sollte Einfamilienhäuser kaufen. Deren Preis ist 2022 nämlich in fast allen großen Kommunen erstmals wieder gesunken – zumindest bei Bestandsbauten. Die höchsten Preise für Einfamilienhäuser werden in Rellingen aufgerufen, dort kostet der Quadratmeter 4.598 Euro. Zum Vergleich: In Barmstedt liegt der Preis bei 3.136 Euro.

Nur wenige Wohnungen im Kreis sind Sozialwohnungen

Bezahlbarer Wohnraum bei steigenden Wohnnebenkosten ist seit Jahren eines der zentralen Themen im Kreis Pinneberg. Und die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt. Rund 158.100 Wohnungen gibt es im Kreis, 4700 davon öffentlich gefördert.

Bis 2026 wird für etwa 19 Prozent dieser Wohnungen die Bindungspflicht entfallen, das heißt sie dürfen dann auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden. Allerdings stieg der Anteil der sozial geförderten Wohnungen seit 2018 kontinuierlich an. Die Zahl der neugebauten Wohnungen ging dagegen laut Fokusbericht im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Mangel an bezahlbarem Wohnraum trifft vor allem die Armen

Die Gründe für die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt – neben dem Bevölkerungswachstum und den Herausforderungen durch die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten – sind etwa steigende Zinsen und Baukosten sowie eine geringe Leerstandsquote.

Als weitere Ursachen werden im Fokusbericht etwa ein großer Bedarf an energetischer Sanierung im Bestandsbau und gestiegene Wohnnebenkosten genannt. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum treffe vor allem sozial schwächere, also ärmere Bevölkerungsgruppen.

Kinderbetreuung im Kreis Pinneberg: Kita-Plätze und -Personal fehlen

Die vielen Neubürger bringen auch Kinder mit in den Kreis und die müssen betreut und unterrichtet werden. Das bringt auch Herausforderungen für Kitas und Schulen mit sich. Denn ohnehin fehlen im Kreis Kita-Plätze und -Personal. Die Versorgungsquote ist kreisweit auf 77,9 Prozent gesunken, obwohl zahlreiche Kita-Plätze geschaffen wurden. Die Zahl der Kinder stieg aber deutlicher.

Im Kreis Pinneberg gibt es deutlich mehr Kinder als Betreuungsplätze (Symbolbild).
Im Kreis Pinneberg gibt es deutlich mehr Kinder als Betreuungsplätze (Symbolbild). © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die Betreuungsquote – also wie viele Kinder in Kitas betreut werden, im Vergleich zu allen Kindern zwischen drei und sechs Jahren – sank leicht und liegt mit 83 Prozent deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 89,5 Prozent. Das heißt: Es gibt deutlich mehr Kinder als Betreuungsplätze.

Fast ein viertel der Schulkinder kann nicht richtig Deutsch

Mit Blick auf die Schulen zeigt sich, dass durchschnittlich bei nahezu 23 Prozent der Kinder eine unzureichende Sprachkompetenz festgestellt wurde. Fast jedes vierte Kind kann also nicht richtig Deutsch. Am größten ist der Anteil in Pinneberg, Quickborn bzw. Uetersen und Tornesch.

Allerdings haben während der im Bericht aufgeführten Schuleingangsuntersuchung 2021/2022 nur 5,2 Prozent der Kinder von Asylsuchenden aufgrund ihres Sprachstandes die Empfehlung für eine DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) erhalten. Die unzureichende Sprachkompetenz beschränkt sich also nicht nur auf die Kinder, die kürzlich erst in den Kreis gekommen sind.

Kreis Pinneberg: Welche Herausforderungen auf die Politik zukommen

Der Fokusbericht der Sozialplanung, der für die Politik des Kreises bestimmt ist, bietet noch weitere Daten und Fakten über den Kreis Pinneberg. Alles mit Blick auf die Themenbereiche Infrastruktur sozialer Angebote, Mobilität, Gesundheit, Wohnen, Bildung, Integration, Inklusion, ärztliche Versorgung und Pflege, Arbeit, Armut sowie Leben und Freizeit.

Die Daten werden von Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichen Bereichen zur Verfügung gestellt. Doch es werden nicht nur Probleme aufgezählt. Im Fokusbericht werden auch Handlungsempfehlungen gegeben, um die aktuellen Herausforderungen bewältigen zu können. Und von denen gibt es offensichtlich genug.