Kreis Pinneberg. Kreis-Sozialplanungen hat Bericht veröffentlicht. Es geht um Herausforderungen – und diese Empfehlungen für die Politik.

Steigende Mieten und Energiepreise, wachsender Fachkräftemangel, zu wenig bezahlbarer Wohnraum, Rückstände bei der Digitalisierung und eine stark belastete Gesundheitsversorgung – dies sind die großen Herausforderungen für den Kreis Pinneberg in den kommenden Jahren. Das geht aus dem jährlichen Bericht der Sozialplanung des Kreises Pinneberg hervor.

Die großen sozialen Herausforderungen sieht Sozialplaner Christoph Kennerknecht in der andauernden Corona-Pandemie, den Folgen des Krieges in der Ukraine sowie in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels.

Kreis Pinneberg: Welche Herausforderungen warten

„Wir machen Politikberatung und geben strategische Vorschläge“, sagt Kennerknecht. „Welche davon umgesetzt werden, muss am Ende die Politik entscheiden.“ Aus den Fokusgruppen zu den elf Handlungsfeldern Mobilität, Leben und Freizeit, Arbeit, Infrastruktur sozialer Angebote, Armut, Integration, Wohnen, Ärztliche Versorgung und Pflege, Gesundheit sowie Inklusion und Bildung würden konkrete Handlungsempfehlungen gegeben. Der Bericht wird seit 2016 jährlich herausgegeben.

Der Fokusbericht, der Daten und Fakten mit der Expertise von Akteuren aus der Praxis vereint, soll Handlungsempfehlung an die Kreispolitik geben und Impulse für eine soziale Entwicklung des Kreises Pinneberg liefern. Im Wesentlichen gehen aus dem Bericht sechs sozialpolitische Ziele beziehungsweise Vorschläge und drei konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik hervor.


Auswirkungen des Fachkräftemangels abmildern:
Ein wiederkehrendes Thema ist der Fachkräftemangel, der massive Auswirkungen auf fast alle Bereiche des Lebens im Kreis Pinneberg hat. Insbesondere die Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und Pflege, die Betreuung von Menschen mit Behinderung, Inklusion an Schulen, der Tourismus, Integration von Geflüchteten und die Kinder- und Jugendarbeit. Eine der Handlungsempfehlungen lautet daher: Die Aktivitäten gegen einen verstärkten Fachkräftemangel bündeln und das Phänomen abmildern. Nur so ließen sich neue Fachkräfte für den Kreis gewinnen und langfristig hier binden.

Der Fachkräftemangel habe sich laut Fokusbericht durch die Corona-Pandemie noch verstärkt, der aktuelle Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften gefährde schon jetzt die soziale Infrastruktur im Kreis Pinneberg. Diesem Fachkräftemangel soll auf unterschiedliche Art und Weise begegnet werden, unter anderem mit der Schaffung von attraktivem, bezahlbarem Wohnraum und einer gesteigerten Attraktivität sozialer Berufe.


Bezahlbares Wohnen realisieren:
Die steigenden Kosten für Immobilien, Grundstücke und Mietwohnungen im Kreis Pinneberg sorgen laut Fokusbericht für eine angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. In fast allen Kommunen des Kreises sind die Preise trotz Corona gestiegen, oftmals um weit mehr als 15 Prozent. Spitzenreiter sind hier die Hamburger Randgebiete wie Schenefeld, Wedel, Rellingen und Halstenbek. Auch die Preise für Mieten steigen. Kreisweit liegen die durchschnittlichen Mietpreise pro Quadratmeter bei 9,18 Euro, im Hamburger Rand deutlich darüber.

Der Anteil öffentlich geförderter Wohnungen liegt seit Jahren nahezu unverändert bei etwa 2,8 Prozent. In Zukunft werde sich der Anteil jedoch verringern, da immer mehr Wohnungen aus der Bindung fallen. Die steigenden Baukosten gelten als Hemmnis bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Zudem seien die Wohn- und Lebenshaltungskosten im Kreis Pinneberg vergleichbar hoch.


ÖPNV-Infrastruktur zukunftsfähig ausrichten:
Der Verkehr im Kreis Pinneberg ist geprägt von den Pendlerströmen. Etwa 75.000 Menschen aus dem Kreis pendeln zu ihrem Arbeitsplatz, etwa 72 Prozent davon pendeln nach Hamburg. Weitere wichtige Ziele für Arbeitnehmer sind die Kreise Segeberg und Steinburg. Von außerhalb in den Kreis Pinneberg pendeln etwa halb soviele Menschen (37.200) ein.

Große Bedeutung hat in diesem Kontext der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Allerdings nahm die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel während der Pandemie deutlich ab. Im Februar 2022 haben die Fahrgastzahlen im HVV-Gesamtbereich etwa 73 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht. Zwischenzeitlich wurde das ÖPNV-Angebot erheblich erweitert und der ÖPNV im Kreis Pinneberg sei mit den geplanten Maßnahmen (Viertes Gleis zwischen Elmshorn-Hamburg, Ausbau der S4) auf einem guten Weg.

Zunehmend an Bedeutung gewinnt das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel. Durch den Ausbau von Abstellanlagen und dem geplanten Radschnellweg zwischen Hamburg und Elmshorn solle der Radverkehr in der Region weiter gestärkt werden.


Zukunftsfähige Gesundheitsversorgung gewährleisten:
Im Bereich Gesundheit ergibt sich im Kreis Pinneberg ein komplexes Spannungsfeld. Laut Fokusbericht gehe es in den kommenden Jahren vor allem darum, eine Verzahnung der verschiedenen Sektoren sicherzustellen. Vorherrschendes Thema ist nach wie vor die Corona-Pandemie, deren Auswirkungen auf die demografischen Gruppen sehr unterschiedlich sind.

So sind ältere Menschen stärker und häufiger von einem schweren Krankheitsverlauf betroffen, während Kinder und Jugendliche vor allem unter der Belastung durch die pandemiebedingten Maßnahmen leiden. Im Zuge dessen werde mit motorischen, psychischen und psychosomatischen Auffälligkeiten sowie Entwicklungsverzögerungen gerechnet.

Auch Erwachsene sind von diesen Belastungen betroffen: Schon jetzt nehmen die Krankschreibungen aufgrund psychischer Störungen im Kreis Pinneberg zu. Zudem wird eine Verstärkung von Suchtproblematiken aufgrund der erschwerten Zugänge zu Hilfs- und Beratungsangeboten erwartet.

Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Bereich ist die Errichtung eines Zentralkrankenhauses im Kreis Pinneberg, welches von der Sozialplanung des Kreises positiv bewertet wird. Weiterhin wird eine Bündelung von Versorgungsangeboten angestrebt. Um dies zu erleichtern, soll es künftig zudem eine kommunale Gesundheitskonferenz geben.


Digitalisierungspotenziale ausschöpfen:
Vor allem im Bereich Bildung bleibt die Digitalisierung in kommenden Jahren ein wichtiges Thema. Dabei gehe es nicht nur um die Versorgung mit Geräten wie Laptops und Tablets sondern besonders um den Ausbau digitaler Kompetenzen. Dies trage zu mehr Bildungsgerechtigkeit bei. Auch in der Gesundheitsversorgung sollen digitale, soziale Angebote ausgebaut werden. Hierfür sei eine entsprechende Infrastruktur vonnöten, ebenso wie eine digitale Medienkompetenz bei allen Beteiligten Dies spiele auch im Bereich Arbeit eine Rolle, denn durch die Corona-Pandemie haben sich die Arbeitsformen verändert. Home-Office, virtuelle Treffen oder die Online-Beratung gehören durch die Pandemie mittlerweile zum Berufsalltag. Auch dort zeige sich, dass Digitalisierung mehr sei als technische Ausstattung. Vielmehr müssten Mitarbeiter auch in digitalen Kompetenzen geschult werden.


Sozialräume vor Ort gestalten:
Die Infrastruktur sozialer Angebote im Kreis Pinneberg soll die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern und wird in Kooperation der Kommunen gestaltet. Hier gelte es vor allem, den Zugang zu präventiv ausgerichteten Angeboten zu erleichtern. Nur so könne eine Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine gelingen.

So sollten etwa die Förderung von Eltern und Kindern ausgebaut werden, um positive Entwicklungschancen für Kinder zu unterstützen und die Risiken für Kindeswohlgefährdung zu minimieren. Schon jetzt würde infolge der Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen ein erhöhter Beratungsbedarf festgestellt.

Kreis Pinneberg: Handlungsempfehlung aus den Fokusgruppen

Seit 2017 hat der Kreis Pinneberg einen Aktionsplan zum Thema Inklusion, der nun fortgeschrieben werden soll. Das Werk umfasst Vorschläge, die das Leben, Arbeiten und Wohnen der Menschen mit Behinderung verbessern können. Darunter Maßnahmen wie ein eigener Kulturpreis für Menschen mit Handicap oder ein Preis für besonders vorbildliche Betriebe, die Arbeitnehmer mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen beschäftigen. Dieser Plan bedürfe dringend einer Aktualisierung.

Ein wichtiger Punkt in diesem Kontext ist die Versorgung von Menschen mit Behinderung im Katastrophenfall. Im Zuge dessen wurden bereits neue Stellen im Katastrophenschutz geschaffen, künftig sollen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung stärker berücksichtigt werden.


Angebote inklusiver Deutsch- und Integrationskurse:
Für Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen, die zudem kognitiv beeinträchtigt sind, ist es ungleich schwerer, die deutsche Sprache zu lernen. Diese Menschen bräuchten für den Spracherwerb besondere Rahmenbedingungen. Diese sollen mit einem Angebot inklusiver Deutsch- und Integrationskurse geschaffen werden. So soll diesen Menschen die soziale Teilhabe und eine Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht werden.


Koordination der Gruppenangebote für Kinder aus suchtbelasteten Familien:
Aktuell gibt es im Kreis Pinneberg an sechs Standorten Gruppenangebote für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Außerdem richten sich Gruppenangebote an vier Standorten an Kinder von psychisch kranken Eltern. Durch die Corona-Pandemie sei die Zahl der Nutzer zurückgegangen. Im Kreis Pinneberg gibt es etwa 15.000 Kinder und Jugendliche, die in einer belasteten Familiensituation aufwachsen.

Um die personellen Ressourcen der einzelnen Beratungsangebote besser zu nutzen, sollen diese miteinander vernetzt werden. So sollen mehr Kinder Zugang zu den Beratungsangeboten erhalten und die psychischen Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche aus besonders vulnerablen Gruppen abgemildert werden.